Meilensteine in der Geschichte des Bundesverfassungsgerichts

1949

  • 24. Mai 1949 Das Grundgesetz tritt in Kraft

    Das Grundgesetz tritt in Kraft. Dem Bundesverfassungsgericht werden, anders als dem Staatsgerichtshof der Weimarer Republik, weitreichende Kompetenzen eingeräumt, die sich auch auf die Durchsetzung der Grundrechte erstrecken.

    Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland

1951

  • 17. April 1951 Das Bundesverfassungsgerichtsgesetz tritt in Kraft

    Das Bundesverfassungsgerichtsgesetz tritt in Kraft - fast zwei Jahre später als das Grundgesetz nach einem langen Gesetzgebungsverfahren.

    Bundesverfassungsgerichtsgesetz

  • 4. Mai 1951 Karlsruhe wird Sitz des Bundesverfassungsgerichts

    Das Gesetz über den Sitz des Bundesverfassungsgerichts bestimmt, dass dieser "vorerst in Karlsruhe" ist. Der Bundesjustizminister richtet in den Räumen des Bundesgerichtshofs eine "Kopfstelle" für die organisatorischen Vorarbeiten ein.

  • 7. September 1951 Hermann Höpker-Aschoff wird erster Präsident

    Das Bundesverfassungsgericht nimmt mit 23 Richtern und einer Richterin seine Arbeit im Prinz-Max-Palais in Karlsruhe auf. Der erste Präsident ist Hermann Höpker-Aschoff.

  • 9. September 1951 Erste Entscheidung

    Der Zweite Senat trifft die erste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Sie befasst sich mit der Neugliederung in den Ländern Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern und hat zum Ergebnis, dass die Volksabstimmung über die Gründung eines Südweststaates vorläufig nicht stattfinden kann.

    siehe auch Beschluss vom 9. September 1951 - 2 BvQ 1/51 - BVerfGE 1, 1

  • 28. September 1951 Feierliche Eröffnung

    Das Bundesverfassungsgericht wird in Anwesenheit des Bundespräsidenten Heuss und des Bundeskanzlers Adenauer mit einem Festakt feierlich eröffnet.

  • 22. November 1951 Erstes Rechtsgutachten

    Das Plenum des Bundesverfassungsgerichts erstattet ein erstes Rechtsgutachten für den Bundespräsidenten zur Mitwirkung des Bundesrates an einem Steuergesetz. Zwei weitere Gutachten-Verfahren folgen, ehe die gutachterliche Tätigkeit im Jahr 1956 wieder abgeschafft wird.

    siehe auch Rechtsgutachten vom 22. November 1951 - PBvV 1/51 - BVerfGE 1, 76

1952

  • 27. Juni 1952 Status-Denkschrift

    In einer Status-Denkschrift begründet und verdeutlicht das Bundesverfassungsgericht seine Stellung als Verfassungsorgan.

  • 23. Oktober 1952 Verbot der Sozialistischen Reichspartei

    Im ersten Parteiverbotsverfahren erklärt der Erste Senat die Sozialistische Reichspartei (SRP) für verfassungswidrig.

    siehe auch Urteil vom 23. Oktober 1952 - 1 BvB 1/51 - BVerfGE 2, 1

    siehe auch Pressemitteilung Nr. 59/1952 vom 23. Oktober 1952

1956

  • 17. August 1956 Verbot der Kommunistischen Partei Deutschlands

    Im zweiten Parteiverbotsverfahren stellt der Erste Senat fest, dass die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) verfassungswidrig ist.

    siehe auch Urteil vom 17. August 1956 - 1 BvB 2/51 - BVerfGE 5, 85

1957

  • 16. Januar 1957 "Elfes-Urteil" des Ersten Senats

    In der Elfes-Entscheidung wurde ein umfassender Freiheitsschutz entwickelt. Die Allgemeine Handlungsfreiheit schützt seitdem jede menschliche Verhaltensweise und darf nur durch staatliche Maßnahmen beschränkt werden, die umfassend mit der Verfassung vereinbar sind.

    siehe auch Urteil vom 16. Januar 1957 - 1 BvR 253/56 - BVerfGE 6, 32

1958

  • 15. Januar 1958 "Lüth-Urteil" des Ersten Senats

    Der Erste Senat verkündet das Lüth-Urteil. Erich Lüth hatte Veit Harlan als "Nazifilm-Regisseur Nr. 1" bezeichnet und öffentlich zum Boykott eines seiner Filme aufgerufen. Das Bundesverfassungsgericht unterstreicht die Bedeutung des Grundrechts der Meinungsfreiheit und entscheidet, dass die Wirkung der Grundrechte sich nicht auf das Verhältnis zwischen Staat und Bürger beschränkt, sondern auch auf das Verhältnis zwischen den Bürgern ausstrahlt.

    siehe auch Urteil vom 15. Januar 1958 - 1 BvR 400/51 - BVerfGE 7, 198

1959

  • 29. Juli 1959 Urteil des Ersten Senats zum väterlichen Stichentscheid

    Der Erste Senat entscheidet, dass der sogenannte Stichentscheid des Vaters bei Uneinigkeit der Eltern über die Ausübung der elterlichen Sorge gegen das Gleichberechtigungsgebot verstößt.

    siehe auch Urteil vom 29. Juli 1959 - 1 BvR 205/58 u.a. - BVerfGE 10, 59

1961

  • 28. Februar 1961 Urteil des Zweiten Senats zum "Deutschland-Fernsehen"

    Im Fernseh-Urteil entscheidet der Zweite Senat, dass die – auf Betreiben der Bundesregierung gegründete – Deutschland-Fernsehen-GmbH verfassungswidrig ist.

    siehe auch Urteil vom 28. Februar 1961 - 2 BvG 1/60 u.a. - BVerfGE 12, 205

1969

  • 6. Mai 1969 Umzug in den Karlsruher Schlossbezirk

    Das Bundesverfassungsgericht bezieht seinen Amtssitz in dem vom Architekten Paul Baumgarten gestalteten Gebäude im Schlossbezirk.

1971

  • 1. Januar 1971 Begrenzung der Amtszeit

    Um die Unabhängigkeit der Richterinnen und Richter zu stärken, wird ihre Amtszeit auf 12 Jahre ohne Möglichkeit der Wiederwahl festgelegt. Mitglieder des Gerichts, die mit einer Entscheidung des Senats nicht einverstanden sind, dürfen ihre abweichende Meinung veröffentlichen.

  • 4. Januar 1971 Erstes Sondervotum

    Zum "Abhörurteil" des Zweiten Senats vom 15. Dezember 1970 erscheint das erste Sondervotum, verfasst von den Richtern Geller, von Schlabrendorff und Rupp.

    siehe auch Urteil vom 15. Dezember 1970 - 2 BvF 1/69 u.a. - BVerfGE 30, 1

1973

  • 31. Juli 1973 Urteil des Zweiten Senats zum Grundlagenvertrag

    Der Zweite Senat erklärt den Grundlagenvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik für verfassungskonform, stellt aber zugleich fest, dass die Wiedervereinigung ein verfassungsrechtliches Gebot ist, welches alle Verfassungsorgane verpflichtet, auf die Erreichung dieses Ziels hinzuwirken.

    siehe auch Urteil vom 31. Juli 1973 - 2 BvF 1/73 - BVerfGE 36, 1

1975

  • 25. Februar 1975 Urteil des Ersten Senats zum Schwangerschaftsabbruch

    Der Erste Senat erklärt die Fristenlösung, die den Schwangerschaftsabbruch während der ersten drei Monate straflos stellt, für verfassungswidrig.

    Am 4. März 1975 um 20.07 Uhr explodierte eine am Sitzungssaalgebäude des Bundesverfassungsgerichts angebrachte Sprengladung. Verletzt wurde bei diesem Anschlag niemand; lediglich einige Glasscheiben gingen zu Bruch. Zu dem Anschlag hat sich eine bis dahin unbekannte Gruppe "Frauen der revolutionären Zelle" bekannt. Ihr gewaltsamer Protest galt dem erst eine Woche zuvor verkündeten Urteil zum Schwangerschaftsabbruch.

    siehe auch Urteil vom 25. Februar 1975 - 1 BvF 1/74 u.a. - BVerfGE 39, 1

1976

  • 1. Januar 1976 25 Jahre Bundesverfassungsgericht

    Bis zum 25-jährigen Jubiläum sind über 33.000 Verfassungsbeschwerden und rund 60.000 Eingaben verschiedenster Art eingegangen.

1977

  • 16. Oktober 1977 Urteil des Ersten Senats zur Entführung von Hanns Martin Schleyer

    Die Angehörigen des entführten Arbeitgeberpräsidenten Schleyer verlangen von der Bundesregierung, den Forderungen der Terrorgruppe „Rote-Armee-Fraktion“ nachzugeben. In einer Nachtsitzung kommt der Erste Senat zu dem Ergebnis, dass sich aus dem Grundgesetz hierzu keine eindeutigen Handlungsverpflichtungen herleiten lassen. Die Bundesregierung gibt den Forderungen der Entführer nicht nach. Zwei Tage später wird Schleyer von ihnen erschossen.

    siehe auch Urteil vom 16. Oktober 1977 - 1 BvQ 5/77 - BVerfGE 46, 160

1983

  • 16. Februar 1983 Urteil des Zweiten Senats zur Auflösung des Bundestages nach Vertrauensfrage

    Der Zweite Senat billigt mehrheitlich die Auflösung des Deutschen Bundestages durch den Bundespräsidenten, nachdem Bundeskanzler Kohl erfolglos die Vertrauensfrage gestellt hatte, um Neuwahlen herbeizuführen.

    siehe auch Urteil vom 16. Februar 1983 - 2 BvE 1/83 u.a. - BVerfGE 62, 1

  • 15. Dezember 1983 Urteil des Ersten Senats zum Volkszählungsgesetz

    Der Erste Senat entscheidet, dass die Volkszählung teilweise verfassungswidrig ist, und konturiert das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

    siehe auch Urteil vom 15. Dezember 1983 - 1 BvR 209/83 u.a. - BVerfGE 65, 1

1985

  • 14. Mai 1985 "Brokdorf-Beschluss" des Ersten Senats

    Im Brokdorf-Beschluss hebt der Erste Senat Verbote von Demonstrationen gegen den Bau eines Atomkraftwerks auf und unterstreicht die Bedeutung der Versammlungsfreiheit im demokratischen Gemeinwesen.

    siehe auch Beschluss vom 14. Mai 1985 - 1 BvR 233/81 u.a. - BVerfGE 69, 315

1991

  • 23. April 1991 Urteile des Ersten Senats zur Wiedervereinigung

    Die Wiedervereinigung Deutschlands beschäftigt das Bundesverfassungsgericht. Der Erste Senat hält den Einigungsvertrag in zwei Urteilen für verfassungsgemäß: das erste betrifft die Rechtsbeständigkeit von Enteignungen in der früheren sowjetischen Besatzungszone, das zweite Übergangsregelungen für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes der früheren DDR.

    siehe auch Urteil vom 23. April 1991 - 1 BvR 1170/90 u.a. - BVerfGE 84, 90 und Urteil vom 24. April 1991 - 1 BvR 1341/90 - BVerfGE 84, 133

1992

  • 9. April 1992 Urteil des Zweiten Senats zur Parteienfinanzierung

    Der Zweite Senat entscheidet, dass der Staat die politischen Parteien zwar teilweise finanzieren darf, sie sich aber auch um finanzielle Unterstützung ihrer Mitglieder und nahestehender Bürger bemühen müssen.

    siehe auch Urteil vom 9. April 1992 - 2 BvE 2/89 - BVerfGE 85, 264

1993

  • 12. Oktober 1993 "Maastricht-Urteil" des Zweiten Senats

    Im Maastricht-Urteil billigt der Zweite Senat die Mitwirkung Deutschlands an der Gründung der Europäischen Union.

    siehe auch Urteil vom 12. Oktober 1993 - 2 BvR 2134/92 u.a. - BVerfGE 89, 155

    siehe auch Pressemitteilung Nr. 39/1993 vom 12. Oktober 1993

1994

  • 12. Juli 1994 Urteil des Zweiten Senats zu "Out of Area"-Einsätzen der Bundeswehr

    Einem bewaffneten Einsatz der Streitkräfte muss der Bundestag vorher zustimmen, urteilt der Zweite Senat. Mit dem Grundgesetz vereinbar sind auch Auslandseinsätze der Bundeswehr innerhalb eines Systems kollektiver Sicherheit (wie der NATO).

    siehe auch Urteil vom 12. Juli 1994 - 2 BvE 3/92 u.a. - BVerfGE 90, 286

    siehe auch Pressemitteilung Nr. 29/1994 vom 12. Juli 1994

1995

  • 16. Mai 1995 "Kruzifix-Beschluss" des Ersten Senats

    Der Erste Senat stellt im Kruzifix-Beschluss fest, dass das Anbringen eines Kreuzes in den Unterrichtsräumen einer staatlichen Pflichtschule gegen die Religionsfreiheit verstößt.

    siehe auch Beschluss vom 16. Mai 1995 - 1 BvR 1087/91 - BVerfGE 93, 1

  • 10. Oktober 1995 "Soldaten sind Mörder"-Entscheidung des Ersten Senats

    Der Erste Senat entscheidet, dass die Verwendung des Tucholsky-Zitats Soldaten sind Mörder(Kurt Tucholsky) gegenüber Soldaten der Bundeswehr nicht in jedem Fall eine Beleidigung ist, sondern zwischen Ehrenschutz und Meinungsfreiheit abgewogen werden muss.

    siehe auch Beschluss vom 10. Oktober 1995 - 1 BvR 1476/91 u.a. - BVerfGE 93, 266

    siehe auch Pressemitteilung Nr. 46/1995 vom 7. November 1995

1996

  • 1. Januar 1996 Einrichtung einer Pressestelle

    Im Bundesverfassungsgericht wird, nicht zuletzt wegen der teils heftigen Reaktionen auf jüngste Entscheidungen, eine Pressestelle eingerichtet.

    siehe auch Pressestelle des Bundesverfassungsgerichts

  • 24. Oktober 1996 "Mauer-Schützen"-Entscheidung des Zweiten Senats

    Der Zweite Senat entscheidet, dass Tötungen an der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze bestraft werden können, obwohl sie in der DDR nicht bestraft wurden.

    siehe auch Beschluss vom 24. Oktober 1996 - 2 BvR 1851/94 u.a. - BVerfGE 95, 96

    siehe auch Pressemitteilung Nr. 66/1996 vom 8. November 1996 und Pressemitteilung Nr. 69/1996 vom 12. November 1996

2001

  • 7. Juli 2001 50 Jahre Bundesverfassungsgericht

    Mit einem Bürgerfest, Kabarett und Gesprächen sowie der Ausstellung „Kunst Macht Würde“ öffnet sich das Bundesverfassungsgericht aus Anlass seines 50-jährigen Bestehens einer breiten Öffentlichkeit. Rund 30.000 Besucher nutzen die Gelegenheit zu einer Besichtigung des höchsten deutschen Gerichts.

    siehe auch Pressemitteilung Nr. 68/2001 vom 22. Juni 2001

2002

  • 8. April 2002 Urteil des Zweiten Senats zum Parteispendenuntersuchungsausschuss

    Der Zweite Senat entscheidet, dass ein Untersuchungsausschuss im Parlament vornehmlich dem Schutz der parlamentarischen Minderheit dient. Ihr steht daher ein Recht zu, über die Beweiserhebungen im Ausschuss angemessen mitzubestimmen.

    siehe auch Urteil vom 8. April 2002 - 2 BvE 2/01 - BVerfGE 105, 197

    siehe auch Pressemitteilung Nr. 44/2002 vom 8. April 2002

  • 17. Juli 2002 Urteil des Ersten Senats zum Lebenspartnerschaftsgesetz

    Der Erste Senat urteilt, dass die eingetragene Lebenspartnerschaft zwischen Personen gleichen Geschlechts mit dem grundgesetzlich gebotenen besonderen Schutz von Ehe und Familie vereinbar ist.

    siehe auch Urteil vom 17. Juli 2002 - 1 BvF 1/01 u.a. - BVerfGE 105, 313

    siehe auch Pressemitteilung Nr. 64/2002 vom 17. Juli 2002

2003

  • 18. März 2003 Einstellung des NPD-Verbotsverfahrens

    Der Zweite Senat stellt das Verbotsverfahren gegen die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) ein. Drei Mitglieder des Gerichts sind der Ansicht, dass dem Verfahren die Beobachtung der Partei durch sogenannte V-Leute staatlicher Behörden entgegensteht, die in der Partei Vorstandsämter bekleiden.

    siehe auch Beschluss vom 18. März 2003 - 2 BvB 1/01 u.a. - BVerfGE 107, 339

    siehe auch Pressemitteilung Nr. 22/2003 vom 18. März 2003

2006

2007

2009

2010

  • 9. Februar 2010 Urteil des Ersten Senats zu den Regelleistungen nach SGB II ("Hartz IV-Gesetz")

    Der Erste Senat entscheidet, dass das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums auch die realitätsgerechte Festsetzung der Höhe von Sozialleistungen erfordert.

    siehe auch Urteil vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - BVerfGE 125, 175

    siehe auch Pressemitteilung Nr. 5/2010 vom 9. Februar 2010

2011

2012

2015

  • 27. Januar 2015 „Kopftuch-Beschluss“ des Ersten Senats

    Der Erste Senat entscheidet, dass ein pauschales Verbot religiöser Bekundungen in öffentlichen Schulen durch das äußere Erscheinungsbild von Pädagoginnen und Pädagogen mit der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit nicht vereinbar ist. Dem Verfahren zugrunde lagen Sanktionen wegen der Weigerung der Beschwerdeführerinnen, im Schuldienst ein aus religiösen Gründen getragenes Kopftuch beziehungsweise eine als Ersatz hierfür getragene Wollmütze abzulegen.

    siehe auch Beschluss vom 27. Januar 2015 - 1 BvR 471/10, 1 BvR 1181/10 - BVerfGE 138, 296

    siehe auch Pressemitteilung Nr. 14/2015 vom 13. März 2015

  • 15. Dezember 2015 Beschluss des Zweiten Senats in Sachen „Identitätskontrolle“

    Der Grundrechtsschutz durch das Bundesverfassungsgericht kann sich im Einzelfall auch auf unionsrechtlich determinierte Hoheitsakte erstrecken, wenn dies zur Wahrung der durch Art. 79 Abs. 3 GG verbürgten Verfassungsidentität unabdingbar geboten ist. Dies entscheidet der Zweite Senat mit Blick auf den Schuldgrundsatz, nach dem jede strafrechtliche Sanktion den Nachweis von Tat und Schuld in einem prozessordnungsgemäßen Verfahren voraussetzt.

    siehe auch Beschluss vom 15. Dezember 2015 - 2 BvR 2735/14 - BVerfGE 140, 317

    siehe auch Pressemitteilung Nr. 4/2016 vom 26. Januar 2016

2016

  • 21. Juni 2016 Urteil des Zweiten Senats zum „OMT-Programm“

    Nach Aussetzung des Verfahrens und Einholung der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union urteilt der Zweite Senat, dass das Unterlassen von Bundesregierung und Bundestag in Ansehung des Beschlusses der Europäischen Zentralbank über das OMT-Programm geeignete Maßnahmen zu dessen Aufhebung oder Begrenzung zu ergreifen, nicht gegen deutsches Verfassungsrecht verstößt, wenn die vom Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 16. Juni 2015 (C-62/14) formulierten, die Reichweite des OMT-Programms begrenzenden Maßgaben eingehalten werden.

    siehe auch Urteil vom 21. Juni 2016 - 2 BvR 2728/13 u.a. - BVerfGE 142, 123

    siehe auch Pressemitteilung Nr. 34/2016 vom 21. Juni 2016

2017

  • 17. Januar 2017 Urteil des Zweiten Senats im NPD-Verbotsverfahren

    Der Zweite Senat entscheidet, dass die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) zwar ein auf die Beseitigung der bestehenden freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerichtetes politisches Konzept vertritt. Wegen fehlender Anhaltspunkte für eine erfolgreiche Durchsetzung ihrer verfassungsfeindlichen Ziele wird sie jedoch nicht verboten.

    siehe auch Urteil vom 17. Januar 2017 - 2 BvB 1/13 - BVerfGE 144, 20

    siehe auch Pressemitteilung Nr. 4/2017 vom 17. Januar 2017

  • 10. Oktober 2017 Beschluss des Ersten Senats zur Schaffung einer Dritten Option

    Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts entscheidet, dass die Regelungen des Personenstandsrechts insofern gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Diskriminierungsverbot verstoßen, als neben dem Eintrag „weiblich“ oder „männlich“ keine dritte Möglichkeit eines positiven Geschlechtseintrages für Personen besteht, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen.

    siehe auch Beschluss vom 10. Oktober 2017 - 1 BvR 2019/16 - BVerfGE 147, 1

    siehe auch Pressemitteilung Nr. 95/2017 vom 8. November 2017

2018

  • 12. Juni 2018 Urteil des Zweiten Senats zum Streikverbot für Beamtinnen und Beamte

    Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts entscheidet, dass das Streikverbot für Beamtinnen und Beamte verfassungsgemäß und als eigenständiger hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums vom Gesetzgeber zu beachten ist. Das Streikverbot steht mit dem Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes im Einklang und ist mit den Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar.

    siehe auch Urteil vom 12. Juni 2018 - 2 BvR 1738/12 u.a. - BVerfGE 148, 296

    siehe auch Pressemitteilung Nr. 91/2017 vom 19. Oktober 2017 und Nr. 46/2018 vom 12. Juni 2018

2019

  • 6. November 2019 Beschluss des Ersten Senats „Recht auf Vergessen I“

    Der Erste Senat entscheidet, dass das Bundesverfassungsgericht unionsrechtlich nicht vollständig vereinheitlichtes Fachrecht primär am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes prüft. In der Sache führt der Senat aus, dass Online-Pressearchive zu Schutzvorkehrungen gegen die zeitlich unbegrenzte Verbreitung personenbezogener Berichte durch Suchmaschinen verpflichtet sein können.

    siehe auch Beschluss vom 6. November 2019 - 1 BvR 16/13 - BVerfGE 152, 152
    siehe auch Pressemitteilung Nr. 83/2019 vom 27. November 2019

  • 6. November 2019 Beschluss des Ersten Senats „Recht auf Vergessen II“

    Das Bundesverfassungsgericht entscheidet erstmals, dass es die Anwendung unionsrechtlich vollvereinheitlichten Rechts durch deutsche Stellen selbst am Maßstab der Unionsgrundrechte prüft. In der Sache führt der Senat aus, dass die Meinungsfreiheit der Inhalteanbieter bei der Prüfung eines Unterlassungsanspruchs gegen Suchmaschinenbetreiber zu berücksichtigen ist.

    siehe auch Beschluss vom 6. November  2019 - 1 BvR 276/17 - BVerfGE 152, 216
    siehe auch Pressemitteilung Nr. 84/2019 vom 27. November 2019

2020

  • 26. Februar 2020 Urteil des Zweiten Senats zum Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung

    Das Bundesverfassungsgericht erklärt das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung (§ 217 Strafgesetzbuch) für verfassungswidrig. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben. Dieses Recht schließt die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen und hierbei auf die freiwillige Hilfe Dritter zurückzugreifen.

    siehe auch Urteil vom 26. Februar 2020 - 2 BvR 2347/15 u.a.
    siehe auch Pressemitteilung Nr. 12/2020 vom 26. Februar 2020

  • 5. Mai 2020 Urteil des Zweiten Senats zum Staatsanleihekaufprogramm

    Das Bundesverfassungsgericht erklärt die Beschlüsse der Europäischen Zentralbank zum Staatsanleihekaufprogramm (Public Sector Purchase Programme - PSPP) für kompetenzwidrig. Dem steht das anderslautende Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht entgegen, da es im Hinblick auf die Kontrolle der Verhältnismäßigkeit der zum PSPP erlassenen Beschlüsse schlechterdings nicht mehr nachvollziehbar und damit ebenfalls ultra vires ergangen ist.

    siehe auch Urteil vom 5. Mai 2020 - 2 BvR 859/15, 2 BvR 980/16, 2 BvR 2006/15, 2 BvR 1651/15 - BVerfGE 154, 17
    siehe auch Pressemitteilung Nr. 32 vom 5. Mai 2020

2021

  • 24. März 2021 Beschluss des Ersten Senats zum Klimaschutzgesetz

    Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts entscheidet, dass die Regelungen des Klimaschutzgesetzes über die nationalen Klimaschutzziele und die bis zum Jahr 2030 zulässigen Jahresemissionsmengen insofern mit Grundrechten unvereinbar sind, als hinreichende Maßgaben für die weitere Emissionsreduktion ab dem Jahr 2031 fehlen. Die zum Teil noch sehr jungen Beschwerdeführenden sind durch die angegriffenen Bestimmungen in ihren Freiheitsrechten verletzt. Die Vorschriften verschieben hohe Emissionsminderungslasten unumkehrbar auf Zeiträume nach 2030.

    siehe auch Beschluss vom 24. März 2021 - 1 BvR 2656/18, 1 BvR 96/20, 1 BvR 78/20, 1 BvR 288/20, 1 BvR 96/20, 1 BvR 78/20 - BVerfGE 157, 30
    siehe auch Pressemitteilung Nr. 31/2021 vom 29. April 2021

  • 28. September 2021 70 Jahre Bundesverfassungsgericht

    Das Bundesverfassungsgericht kann seine Türen am Tag seines 70-jährigen Bestehens pandemiebedingt nur virtuell öffnen. Es präsentiert sich in einem gläsernen Cube auf dem Karlsruher Marktplatz, in neuen Filmen auf der Website und in mehreren Projekten mit der Bundeszentrale für politische Bildung. Zudem wird ein LED-Laufband mit den wichtigsten Daten und Entscheidungen aus den vergangenen 70 Jahren am Gerichtsgebäude installiert.

    siehe auch 70 Jahre Bundesverfassungsgericht

  • 19. November 2021 Beschluss des Ersten Senats zur Bundesnotbremse I

    Der Erste Senat entscheidet, dass Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen in der äußersten Gefahrenlage der Corona-Pandemie mit dem Grundgesetz vereinbar waren; insbesondere waren sie trotz des Eingriffsgewichts verhältnismäßig. Die Maßnahmen waren Bestandteile eines Schutzkonzepts des Gesetzgebers, das dem Lebens- und Gesundheitsschutz sowie der Aufrechterhaltung eines funktionsfähigen Gesundheitssystems als überragend wichtigen Gemeinwohlbelangen diente.

    siehe auch Beschluss vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21,1 BvR 798/21,1 BvR 805/21, 1 BvR 820/21, 1 BvR 854/21, 1 BvR 860/21, 1 BvR 889/21 - BVerfGE 159, 223
    siehe auch Pressemitteilung Nr. 101/2021 vom 30. November 2021

  • 19. November 2021 Beschluss des Ersten Senats zur Bundesnotbremse II

    Der Erste Senat entscheidet, dass Schulschließungen nach der im April 2021 bestehenden Erkenntnis- und Sachlage zulässig waren. Das Verbot von Präsenzunterricht stellte zwar einen schwerwiegenden Eingriff in das Recht auf schulische Bildung dar. Dem standen aber überragende Gemeinwohlbelange in Gestalt der Abwehr von Gefahren für Leben und Gesundheit und für die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems gegenüber.

    siehe auch Beschluss vom 19. November 2021 - 1 BvR 971/21, 1 BvR 1069/21 - BVerfGE 159, 355
    siehe auch Pressemitteilung Nr.100/2021 vom 30. November 2021

2022

  • 6. Dezember 2022 Urteil des Zweiten Senats zum Eigenmittelbeschluss-Ratifizierungsgesetz

    Der Zweite Senat hat zwei Verfassungsbeschwerden zurückgewiesen, die sich gegen ein Gesetz richteten, mit dem die Bundesrepublik Deutschland dem Eigenmittelbeschluss 2020 des Rates der Europäischen Union zugestimmt hat, der die Europäische Kommission ermächtigt, zur Bewältigung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie Mittel bis zu einem Betrag von 750 Milliarden Euro aufzunehmen. Das Ratifizierungsgesetz verletzt die Beschwerdeführer nicht in ihrem Recht auf demokratische Selbstbestimmung.

    siehe auch Urteil vom 6. Dezember 2022 - 2 BvR 547/21, 2 BvR 798/21 - BVerfGE 164, 193
    siehe auch Pressemitteilung Nr. 103/2022 vom 6. Dezember 2022

2023

  • 1. Februar 2023 Beschluss des Ersten Senats zum Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen

    Der Erste Senat hat entschieden, dass das Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen mangels Regelungen zu den Folgen und zu Fortführungsmöglichkeiten nach inländischem Recht unwirksamer Auslandskinderehen mit dem Grundgesetz unvereinbar ist.

    siehe auch Beschluss vom 1. Februar 2023 - 1 BvL 7/18 - BVerfGE 166, 1
    siehe auch Pressemitteilung Nr. 36/2023 vom 29. März 2023

  • 22. Februar 2023 Urteil des Zweiten Senats zur Finanzierung der Desiderius-Erasmus-Stiftung

    Der Zweite Senat hat entschieden, dass die staatliche Förderung politischer Stiftungen eines gesonderten Parlamentsgesetzes bedarf.

    siehe auch Urteil vom 22. Februar 2023 - 2 BvE 3/19 - BVerfGE 166, 93
    siehe auch Pressemitteilung Nr. 22/2023 vom 22. Februar 2023

  • 31. Oktober 2023 Urteil des Zweiten Senats zur Wiederaufnahme des Strafverfahrens zuungunsten des Freigesprochenen

    Der Zweite Senat hat entschieden, dass die gesetzliche Regelung zur Wiederaufnahme des Strafverfahrens zuungunsten des Freigesprochenen in § 362 Nr. 5 Strafprozessordnung verfassungswidrig ist.

    siehe auch Urteil vom 31. Oktober 2023 - 2 BvR 900/22 - BVerfGE 166, 359
    siehe auch Pressemitteilung Nr. 94/2023 vom 31. Oktober 2023

  • 15. November 2023 Urteil des Zweiten Senats zum Zweiten Nachtragshaushaltsgesetz 2021 (Schuldenbremse)

    Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat entschieden, dass das Zweite Nachtragshaushaltsgesetz 2021 mit Art. 109 Abs. 3, Art. 110 Abs. 2 und Art. 115 Abs. 2 Grundgesetz (GG) unvereinbar und nichtig ist.

    siehe auch Urteil vom 15. November 2023 - 2 BvF 1/22 - BVerfGE 167, 86
    siehe auch Pressemitteilung Nr. 101/2023 vom 15. November 2023

  • 22. November 2023 Urteil des Ersten Senats zu Zeugnisbemerkungen

    Der Erste Senat hat entschieden, dass Bemerkungen im Abiturzeugnis über die Nichtbewertung einzelner Leistungen grundsätzlich geboten sind. Die an Legasthenie leidenden Beschwerdeführer wurden durch die Bemerkungen in ihren bayerischen Abiturzeugnissen im Jahr 2010 über die Nichtbewertung von Rechtschreibleistungen aber in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG verletzt, weil Zeugnisbemerkungen ausschließlich bei legasthenen Schülern angebracht wurden.

    siehe auch Urteil vom 22. November 2023 - 1 BvR 2577/15, 1 BvR 2578/15, 1 BvR 2579/15 - BVerfGE 167, 239
    siehe auch Pressemitteilung Nr. 107/2023 vom 22. November 2023

2024

  • 23. Januar 2024 Urteil des Zweiten Senats zum Ausschluss verfassungsfeindlicher Parteien von staatlicher Finanzierung

    Der Zweite Senat hat entschieden, dass die Partei Die Heimat (vormals NPD) für die Dauer von sechs Jahren von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen ist.

    siehe auch Urteil vom 23. Januar 2024 - 2 BvB 1/19 - BVerfGE 168, 193
    siehe auch Pressemitteilung Nr. 9/2024 vom 23. Januar 2024

  • 9. April 2024 Urteil des Ersten Senats zur Vaterschaftsanfechtung

    Der Erste Senat hat entschieden, dass die gesetzliche Regelung über das Recht des leiblichen Vaters, die rechtliche Vaterschaft eines anderen Mannes für sein Kind anzufechten, mit dem Grundgesetz unvereinbar ist. Sie trägt dem Elterngrundrecht leiblicher Väter nicht hinreichend Rechnung.

    siehe auch Urteil vom 9. April 2024 - 1 BvR 2017/21 - BVerfGE 169, 1
    siehe auch Pressemitteilung Nr. 35/2024 vom 9. April 2024

  • 30. Juli 2024 Urteil des Zweiten Senats zum Bundeswahlgesetz 2023

    Der Zweite Senat hat entschieden, dass die Änderungen des Bundeswahlgesetzes zum Zwecke der Verkleinerung des Deutschen Bundestages überwiegend verfassungsgemäß sind. Die konkrete Ausgestaltung der 5 %-Sperrklausel ist jedoch mit dem Grundgesetz nicht vereinbar.

    siehe auch Urteil vom 30. Juli 2024 - 2 BvF 1/23, 2 BvF 3/23, 2 BvE 2/23, 2 BvE 9/23, 2 BvE 10/23, 2 BvR 1523/23, 2 BvR 1547/23 - BVerfGE 169, 236
    siehe auch Pressemitteilung Nr. 64/2024 vom 30. Juli 2024

  • 23. September 2024 Beschluss des Ersten Senats zur BAföG-Grundpauschale

    Der Erste Senat hat entschieden, dass die im Bundesausbildungsförderungsgesetz für den Zeitraum Oktober 2014 bis Februar 2015 festgelegte Grundpauschale der Ausbildungsförderung für Studierende an staatlichen Hochschulen verfassungsgemäß ist. Das Bundesverfassungsgericht stellt fest, dass das Grundgesetz keinen Anspruch auf staatliche Leistungen zur Ermöglichung eines Studiums gewährt, dem die Bemessung der Grundpauschale widersprechen könnte.

    siehe auch Beschluss vom 23. September 2024 - 1 BvL 9/21
    siehe auch Pressemitteilung Nr. 88/2024 vom 31. Oktober 2024

  • 11. Dezember 2024 Beschluss des Ersten Senats zur Tarifautonomie bei tariflichen Nachtzuschlägen

    Der Erste Senat hat entschieden, dass die Auslegung des Bundesarbeitsgerichts, wonach die tarifvertraglichen Zuschlagsregelungen über die Nachtschichtarbeit mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar seien und auf Rechtsfolgenebene die Zuschlagsregelung zur Nachtarbeit Anwendung fänden („Anpassung nach oben“), die Koalitionsfreiheit nicht in verfassungsrechtlich zutreffender Weise berücksichtigt.

    siehe auch Beschluss vom 11. Dezember 2024 - 1 BvR 1109/21, 1 BvR 1422/23
    siehe auch Pressemitteilung Nr. 17/2025 vom 19. Februar 2025