Abstrakte Normenkontrolle

Die abstrakte Normenkontrolle steht einem begrenzten Kreis von Antragstellern offen. Unabhängig von einem konkreten Rechtsstreit und von eigener Betroffenheit des Antragstellers wird die Verfassungsmäßigkeit einer Rechtsnorm unter allen in Frage kommenden Gesichtspunkten überprüft. Das Verfahren ist in Art. 94 Abs.Nr. 2 und 2a GG und §§ 76 ff. Bundesverfassungsgerichtsgesetz geregelt.

Verfahren dieser Art sind am Aktenzeichen „BvF“ zu erkennen. Zwar werden in der Regel nur wenige abstrakte Normenkontrollverfahren pro Jahr eingereicht. Es handelt sich aber fast durchweg um bedeutende Verfahren.

Beispiele

Aus neuester Zeit sind beispielsweise die Verfahren zum ZDF-Staatsvertrag und zum Luftsicherheitsgesetz zu nennen, aus früheren Jahren beispielsweise die Verfahren zum Schwangerschaftsabbruch, zur Kriegsdienstverweigerung, zum Länderfinanzausgleich und zum Lebenspartnerschaftsgesetz.

Voraussetzungen

Der Antrag kann nur von der Bundesregierung, einer Landesregierung oder eines Viertels der Mitglieder des Bundestages gestellt werden. Bürgerinnen und Bürger sind in dieser Verfahrensart nicht antragsberechtigt. Der Antrag ist nicht fristgebunden. Es kommt auch nicht auf die Verletzung eigener Rechte des Antragstellers an.

Mit der abstrakten Normenkontrolle können sämtliche Normen des Bundes- oder Landesrechts auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz geprüft werden, bei Landesrecht zudem auf die Vereinbarkeit mit sonstigem Bundesrecht. Das Bundesverfassungsgericht prüft dies umfassend und ist nicht auf die Rügen des Antragstellers beschränkt. Meist hält der Antragsteller die Rechtsnorm für verfassungswidrig und beantragt beim Bundesverfassungsgericht, sie für nichtig erklären zu lassen. Es ist aber auch möglich, dass der Antragsteller eine Rechtsnorm für gültig hält, nachdem sie eine andere staatliche Stelle wegen Verfassungswidrigkeit oder Unvereinbarkeit mit sonstigem Bundesrecht nicht angewendet hat (sog. Normbestätigungsverfahren).

Das Bundesverfassungsgericht prüft auch die Einhaltung der Kompetenzverteilung im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung (Art. 72 Abs. 2 und Art. 74 GG). Antragsberechtigt sind der Bundesrat, eine Landesregierung oder die Volksvertretung eines Landes. Als Prüfungsgegenstand kommen hier nur förmliche Bundesgesetze in Betracht. Auch dieser Antrag ist nicht fristgebunden.

Entscheidung

Wenn der Antrag unbegründet ist, wird die Rechtsnorm mit dem Grundgesetz (bzw. mit sonstigem Bundesrecht) für vereinbar erklärt. Ist der Antrag begründet, erklärt das Bundesverfassungsgericht die betroffene Rechtsnorm für nichtig oder unvereinbar mit dem Grundgesetz.

Weitere wichtige Verfahrensarten

Verfassungsbeschwerde

Bürgerinnen und Bürger, die sich durch die deutsche öffentliche Gewalt in ihren Grundrechten verletzt fühlen, können eine Verfassungsbeschwerde erheben.

Organstreitverfahren

Oberste Bundesorgane und ihnen gleichgestellte Organe können ihre gegenseitigen Rechte und Pflichten aus der Verfassung klären lassen.

Bund-Länder-Streit

Bund und Länder können ihre Zuständigkeiten im bundesstaatlichen Gefüge vor dem Bundesverfassungsgericht verteidigen.

Konkrete Normenkontrolle

Andere Gerichte können ein Gesetz nicht selbst für verfassungswidrig erklären, sondern müssen ihr Verfahren dem Bundesverfassungsgericht vorlegen.

Parteiverbotsverfahren

Nur das Bundesverfassungsgericht kann verfassungsfeindliche Parteien auf Antrag des Bundestags, des Bundesrats oder der Bundesregierung verbieten.

Wahlprüfungsbeschwerde

Bei Bundestags- und Europawahlen prüft das Bundesverfassungsgericht auf Antrag, ob das Wahlrecht beachtet wurde.

Einstweiliger Rechtsschutz

In nahezu allen Verfahrensarten kann das Bundesverfassungsgericht einstweilige Anordnungen erlassen und vorläufige Regelungen treffen.