Einstweiliger Rechtsschutz

Eine einstweilige Anordnung ist eine vorläufige Regelung. Sie soll die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit der nachfolgenden verfassungsgerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache sichern, insbesondere den Eintritt irreversibler Zustände verhindern.

Beispiel

Die Antragsteller wenden sich gegen eine gerichtlich angeordnete Rückführung ihres Kindes in einen anderen Staat. Ohne bereits über die Verfassungsbeschwerde selbst zu entscheiden, kann das Bundesverfassungsgericht die Vollziehung des Gerichtsbeschlusses vorübergehend aussetzen.

Voraussetzungen

Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist nicht erforderlich, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren in der Hauptsache anhängig ist. Es reicht aus, dass nachfolgend ein Hauptsacheantrag gestellt werden könnte, der nicht von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet wäre. Solch ein isoliertes Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wird unter dem Aktenzeichen „BvQ“ geführt; im Übrigen teilt ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung das Aktenzeichen des Hauptsacheverfahrens. Ist bereits ein Hauptsacheverfahren anhängig, kann eine einstweilige Anordnung auch von Amts wegen ergehen.

Nach § 32 Bundesverfassungsgerichtsgesetz setzt der Erlass einer einstweiligen Anordnung voraus, dass dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Der Prüfungsmaßstab ist daher ein anderer als im Hauptsacheverfahren. Entscheidend ist nicht die Erfolgsaussicht im Hauptsacheverfahren, sondern eine Folgenabwägung: Die Folgen, die einträten, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, aber die Hauptsache Erfolg hätte, werden gegenüber den Nachteilen abgewogen, die entstünden, wenn die einstweilige Anordnung erlassen würde, die Hauptsache aber keinen Erfolg hätte. Etwas anderes gilt nur, wenn ein Hauptsacheverfahren von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist; dann kommt der Erlass einer einstweiligen Anordnung von vornherein nicht in Betracht.

Entscheidungsinhalt

Eine einstweilige Anordnung kann grundsätzlich alles anordnen, was zur vorläufigen Regelung dringend geboten ist. Daraus folgt auch, dass ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht bereits auf die mit der Hauptsache begehrte Maßnahme gerichtet sein darf. Ausnahmsweise ist dies doch möglich, wenn der Rechtsschutz sonst möglicherweise zu spät käme und dem Antragsteller kein ausreichender Rechtsschutz in anderer Weise gewährt werden kann.

Die Wirkung einer einstweiligen Anordnung ist auf maximal sechs Monate befristet, sie kann aber wiederholt werden. Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erledigen sich mit der Entscheidung über die Hauptsache. Dies gilt im Zusammenhang mit Verfassungsbeschwerden auch dann, wenn eine Verfassungsbeschwerde ohne Begründung nicht zur Entscheidung angenommen wird.

Weitere wichtige Verfahrensarten

Verfassungsbeschwerde

Bürgerinnen und Bürger, die sich durch die deutsche öffentliche Gewalt in ihren Grundrechten verletzt fühlen, können eine Verfassungsbeschwerde erheben.

Organstreitverfahren

Oberste Bundesorgane und ihnen gleichgestellte Organe können ihre gegenseitigen Rechte und Pflichten aus der Verfassung klären lassen.

Bund-Länder-Streit

Bund und Länder können ihre Zuständigkeiten im bundesstaatlichen Gefüge vor dem Bundesverfassungsgericht verteidigen.

Abstrakte Normenkontrolle

Die Bundesregierung, eine Landesregierung oder ein Viertel der Mitglieder des Bundestages können die Verfassungsmäßigkeit einer Rechtsnorm überprüfen lassen.

Konkrete Normenkontrolle

Andere Gerichte können ein Gesetz nicht selbst für verfassungswidrig erklären, sondern müssen ihr Verfahren dem Bundesverfassungsgericht vorlegen.

Parteiverbotsverfahren

Nur das Bundesverfassungsgericht kann verfassungsfeindliche Parteien auf Antrag des Bundestags, des Bundesrats oder der Bundesregierung verbieten.

Wahlprüfungsbeschwerde

Bei Bundestags- und Europawahlen prüft das Bundesverfassungsgericht auf Antrag, ob das Wahlrecht beachtet wurde.