Konkrete Normenkontrolle

Nur das Bundesverfassungsgericht ist dafür zuständig, über die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen zu entscheiden. Hält ein Fachgericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so setzt es das Verfahren aus und holt die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ein. Das Verfahren wird deswegen auch Richtervorlage genannt. Es ist in Art. 100 Abs. 1 GG sowie §§ 80 ff. Bundesverfassungsgerichtsgesetz geregelt. Jährlich gehen bis zu 100 Verfahren dieser Art beim Bundesverfassungsgericht ein. Sie sind am Aktenzeichen „BvL“ zu erkennen.

Beispiel

Ein Verwaltungsgericht hält die in einem Landesgesetz vorgesehenen Studiengebühren für verfassungswidrig und legt die Klagen gegen die Gebührenbescheide dem Bundesverfassungsgericht vor. Das Bundesverfassungsgericht entscheidet ausschließlich über die Verfassungsmäßigkeit der vorgelegten Normen. Danach schließt das Verwaltungsgericht das Verfahren unter Beachtung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ab.

Verfahrensgegenstand

In jedem Rechtsstreit ist die Verfassung bei der Rechtsanwendung von den Gerichten zu beachten und auszulegen. Art. 100 Abs. 1 GG weist dem Bundesverfassungsgericht aber ein Verwerfungsmonopol für Parlamentsgesetze zu. Die Fachgerichte müssen entscheidungserhebliche Bundes- oder Landesgesetze, die sie für verfassungswidrig halten, dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorlegen. Das Bundesverfassungsgericht ist darüber hinaus zuständig, wenn ein Gericht ein Landesgesetz für unvereinbar mit einem Bundesgesetz oder sonstigem Recht hält. Die Kompetenz zur Kontrolle und Verwerfung nicht-parlamentarischer Rechtsnormen (z.B. von Rechtsverordnungen) liegt – auch ohne Vorlage – bei den Fachgerichten.

Antragsberechtigung und Vorlageverpflichtung

Das Verfahren beginnt durch die Vorlage eines Fachgerichts, das ein entscheidungserhebliches Gesetz für verfassungswidrig hält. Die Beteiligten des Ausgangsverfahrens sind nicht vorlageberechtigt und können eine Vorlage des Gerichts auch nicht durch einen Antrag erzwingen.

Zur Vorlage berechtigt sind alle Gerichte in Deutschland. Voraussetzung ist stets, dass das vorlegende Gericht von der Verfassungswidrigkeit der betreffenden Norm überzeugt und sie für die Entscheidung erheblich ist. Diese Überzeugung muss das Gericht begründen. Das Gericht legt das Verfahren unmittelbar dem Bundesverfassungsgericht vor, d.h. ohne die Einschaltung höherer Gerichte im Instanzenzug. Das Ausgangsverfahren ist ausgesetzt, bis das Bundesverfassungsgericht entschieden hat.

Entscheidungsinhalt

Ist die Vorlage begründet, so wird die fragliche Rechtsvorschrift für nichtig oder mit dem Grundgesetz für unvereinbar erklärt. Umgekehrt wird bei einer zulässigen Vorlage auch die Vereinbarkeit der Norm mit dem Grundgesetz positiv festgestellt.

Weitere wichtige Verfahrensarten

Verfassungsbeschwerde

Bürgerinnen und Bürger, die sich durch die deutsche öffentliche Gewalt in ihren Grundrechten verletzt fühlen, können eine Verfassungsbeschwerde erheben.

Organstreitverfahren

Oberste Bundesorgane und ihnen gleichgestellte Organe können ihre gegenseitigen Rechte und Pflichten aus der Verfassung klären lassen.

Bund-Länder-Streit

Bund und Länder können ihre Zuständigkeiten im bundesstaatlichen Gefüge vor dem Bundesverfassungsgericht verteidigen.

Abstrakte Normenkontrolle

Die Bundesregierung, eine Landesregierung oder ein Viertel der Mitglieder des Bundestages können die Verfassungsmäßigkeit einer Rechtsnorm überprüfen lassen.

Parteiverbotsverfahren

Nur das Bundesverfassungsgericht kann verfassungsfeindliche Parteien auf Antrag des Bundestags, des Bundesrats oder der Bundesregierung verbieten.

Wahlprüfungsbeschwerde

Bei Bundestags- und Europawahlen prüft das Bundesverfassungsgericht auf Antrag, ob das Wahlrecht beachtet wurde.

Einstweiliger Rechtsschutz

In nahezu allen Verfahrensarten kann das Bundesverfassungsgericht einstweilige Anordnungen erlassen und vorläufige Regelungen treffen.