Bundesverfassungsgericht

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Neuer Verfahrensrekord im Jahr 2013 –
höchste Zeit für Entlastungsmaßnahmen

Das Jahr 2013 hat dem Bundesverfassungsgericht mit 6.686 Verfahren im Verfahrensregister einen neuen Höchststand beschert. Gegenüber dem Vorjahr, bei dem die Verfahrenszahl erstmals seit 2006 knapp unter 6.000 gesunken war, bedeutet dies einen Anstieg von weit über 700 Verfahren. Die Verfahrenszahlen liegen damit z.B. im Vergleich zum Jahr 2005 um etwa 30,9 % höher. Die Hoffnung, es könne eine Entspannung der seit Jahren stark belasteten Arbeitssituation des Gerichts eintreten, hat sich folglich ins Gegenteil verkehrt.

Betrachtet man die Statistik genauer, so spiegeln sich darin auch die zum Teil unterschiedlichen Funktionen des Ersten Senats als „Grundrechtssenat“ und des Zweiten Senats als „Staatsrechtssenat“ wider.

So spielen im Ersten Senat neben den umfangreichen Senatsentscheidungen vor allem auch die Hauptsache-Entscheidungen seiner Kammern eine große Rolle.
Diese fällten in 2013 insgesamt 3.122 Entscheidungen. Hierbei wurden 208 Entscheidungen mit Begründung und 956 Entscheidungen mit Tenorbegründung versehen. Dies bedeutet, dass fast 37,3 % der Kammerentscheidungen mit zum Teil erheblichem Aufwand begründet wurden. Insgesamt hatte der Erste Senat im Jahr 2013 3.710 neue Eingänge zu bewältigen.

Der Zweite Senat weist weiterhin einen deutlichen Schwerpunkt bei Senatsverfahren auf. Sie binden in besonderem Maße die Arbeitskraft des jeweiligen Berichterstatters, aber auch aller anderen Senatsmitglieder, weil die Senatsberatungen meist zeitintensiv sind und die Verfahren in der Regel öffentlich verhandelt werden müssen. Die Gesamtzahl der Kammerentscheidungen des Zweiten Senats war mit über 2.900 ebenfalls sehr hoch. Hiervon wurden jedoch weniger als 10 % mit einer Begründung versehen.

Derzeit gibt es keinerlei Anzeichen dafür, dass sich dieser für das Gericht zunehmend kritische Zustand zum Besseren wenden könnte. Vielmehr werfen zahlreiche große und schwierige Verfahren ihre Schatten für das Jahr 2014 voraus.

An dieser Stelle beschränke ich mich auf die Nennung weniger Stichworte wie die Verfassungsbeschwerdeverfahren betreffend die „Rückgängigmachung der Laufzeitverlängerung für Kernkraftwerke“, die Normenkontrollverfahren zum „ZDF-Staatsvertrag“, die Verfassungsbeschwerde- und Organstreitverfahren zum Thema „ESM, Fiskalvertrag und OMT-Programm“ sowie das Parteiverbotsverfahren zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit der NPD.

Alle bisherigen Optimierungen der internen Abläufe konnten die drastisch gestiegene Arbeitsbelastung der Richterschaft, der wissenschaftlichen Mitarbeiter, der Bearbeiter der Verfahrenseingänge, der Rechtspfleger und der Geschäftsstellen nicht annähernd kompensieren.

Der Vorschlag des Gerichts, eine „Mutwillensgebühr“ für offensichtlich unzulässige oder offensichtlich unbegründete Verfassungsbeschwerden einzuführen, fand im politischen Raum bislang wenig Unterstützung. An dieser Stelle sei nur darauf hingewiesen, dass das Gericht im Jahr 2013 insgesamt in 6.238 Verfassungsbeschwerdeverfahren entschieden hat. Lediglich in 91 Fällen konnte der Verfassungsbeschwerde stattgegeben werden. Dies entspricht einem Anteil von knapp 1,5 %, dem zweitniedrigsten Wert innerhalb der letzten 25 Jahre.

Das Gericht wird deshalb den Beginn der neuen Legislaturperiode nutzen, um mit den politisch Zuständigen weitere Gespräche mit dem Ziel einer dauerhaften und spürbaren Entlastung des Gerichts zu führen.

Karlsruhe, im Februar 2014

Prof. Dr. Andreas Voßkuhle

Präsident des Bundesverfassungsgerichts