Bundesverfassungsgericht

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60 Jahre Bundesverfassungsgericht –
Bilanz und Ausblick

Der „60. Geburtstag“ des Verfassungsorgans Bundesverfassungsgericht gibt Anlass, Bilanz zu ziehen und einen Ausblick in die nähere Zukunft zu wagen.

Ein grundlegender Pfeiler für die erfolgreiche Arbeit des Gerichts in den vergangenen Jahrzehnten ist die hohe Wertschätzung seitens des Souveräns, das heißt der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes sowie der anderen Verfassungsorgane und politischen Akteure. Sie ist die Voraussetzung einer funktionsfähigen Verfassungsgerichtsbarkeit und damit auch eines demokratischen Verfassungsstaates.

Die Rolle des Gerichts als Hüterin und letztverbindlicher Interpret unserer Verfassung wird dabei seit langem anerkannt.

Für die Zeit vom 7. September 1951 bis zum 31. Dezember 2011 lässt sich die Tätigkeit des Gerichts wie folgt bilanzieren:

Insgesamt waren195.018 Verfahren anhängig,
davon u.a.188.187 Verfassungsbeschwerden,
und3.683 abstrakte und konkrete Normenkontrollverfahren.
Erledigt wurden davon191.893 Verfahren,
davon u.a.185.172 Verfassungsbeschwerden,
und3.606 abstrakte und konkrete Normenkontrollverfahren.

Damit waren 4.401 Verfassungsbeschwerden erfolgreich; dies entspricht einer Quote von 2,4 %. Die Erledigungsquote insgesamt beträgt 98,4 %.

Noch anhängig sind3.125 Verfahren,
davon u.a.3.015 Verfassungsbeschwerden,
und77 abstrakte und konkrete Normenkontrollverfahren.

Berücksichtigt man hierbei die seit mehreren Jahren massiv gestiegene Arbeitsbelastung des Gerichts infolge sehr hoher Verfahrenszahlen und zugleich vieler besonders schwieriger Fälle, so ist die vergleichsweise moderate Zahl aktuell anhängiger Verfahren der hohen Motivation und dem vorbildlichen Engagement aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Gerichts bei der Bearbeitung der Verfahren zu verdanken.

Das Jahr 2011 wies dabei einige Besonderheiten auf:

Mehrere Richterwechsel beeinflussten den Arbeitstakt der beiden Senate; der Umzug eines großen Teils des Gerichts in den vorübergehenden Amtssitz für die Dauer der mehrjährigen Sanierung des Stammsitzes war sorgfältig zu planen und konnte erfolgreich durchgeführt werden. Die Arbeitsabläufe zwischen den beiden Amtssitzen mussten schnellstmöglich in einen störungsfreien Praxisbetrieb gebracht werden.

Im Jahr 2011 waren 6.208 Eingänge im Verfahrensregister zu verzeichnen.

Die „kritische Grenze“ von 6.000 Eingängen wurde damit im sechsten Jahr hintereinander deutlich überschritten.

Das Gericht sah sich deshalb zur dauerhaften Sicherung seiner Funktionsfähigkeit gezwungen, einen Vorschlag zur Entlastung im Verfahrensablauf zu machen.

Konkret geht es um die Einführung einer „Mutwillensgebühr“, das heißt:

Kommt das Gericht bei einer Verfassungsbeschwerde nach einer ersten Prüfung zu dem Ergebnis, dass sie offensichtlich aussichtslos erscheint, so wird dies dem Beschwerdeführer mitgeteilt und die weitere Bearbeitung von der Bezahlung einer angemessenen Gebühr abhängig gemacht. Dies gibt dem Beschwerdeführer die Gelegenheit, seine Verfassungsbeschwerde im Lichte der Ersteinschätzung des Gerichts und der zu bezahlenden Gebühr nochmals zu überprüfen.

Das Gericht geht davon aus, dass durch eine solche Gebühr eine deutliche Entlastung erreicht werden kann. Es setzt sich dafür ein, dass eine entsprechende Gesetzesänderung noch im Laufe des Jahres 2012 auf den Weg gebracht werden kann.

Karlsruhe, im Februar 2012

Prof. Dr. Andreas Voßkuhle
Präsident des Bundesverfassungsgerichts