Inhaltliche Anforderungen
Begründung der Verfassungsbeschwerde (§ 23 Abs. 1, § 92 BVerfGG)
Die Begründung muss mindestens folgende Angaben enthalten:
- Der Hoheitsakt (gerichtliche Entscheidung, Verwaltungsakt, Gesetz), gegen den sich die Verfassungsbeschwerde richtet, muss genau bezeichnet werden.
- Das Grundrecht oder grundrechtsgleiche Recht, das durch den angegriffenen Hoheitsakt verletzt sein soll, muss benannt oder jedenfalls seinem Rechtsinhalt nach bezeichnet werden. Es ist darzulegen, worin im Einzelnen die Grundrechtsverletzung erblickt wird. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Verfassungsbeschwerden gegen gerichtliche Entscheidungen nicht zur deren Überprüfung in vollem Umfang führen, sondern nur zur Nachprüfung auf verfassungsrechtliche Verstöße. Selbst wenn die Gestaltung des Verfahrens, die Feststellung und Würdigung des Sachverhalts, die Auslegung eines Gesetzes oder seine Anwendung auf den einzelnen Fall Fehler aufweisen sollten, bedeutet dies für sich allein nicht schon eine Grundrechtsverletzung.
- Es sind die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Gerichtsentscheidungen (einschließlich in Bezug genommener Schreiben), Bescheide usw. vorzulegen. Zumindest muss ihr Inhalt einschließlich der Begründung aus der Beschwerdeschrift ersichtlich sein. Ein Verweis auf eigene Schriftsätze oder weitere Unterlagen aus anderen Verfahren genügt nicht.
- Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen behördliche und/oder gerichtliche Entscheidungen, so muss aus der Begründung auch ersichtlich sein, dass alle Rechtsbehelfe, Anträge und Rügen im Verfahren vor den Fachgerichten genutzt worden sind, um die Abwehr des behaupteten Grundrechtsverstoßes zu erreichen. Dazu müssen die im fachgerichtlichen Verfahren gestellten Anträge und sonstigen Schriftsätze beigefügt oder inhaltlich wiedergegeben werden.
Wahrung der Frist
Eine Verfassungsbeschwerde gegen Entscheidungen der Gerichte und Behörden ist nur innerhalb eines Monats seit der Bekanntgabe der letztinstanzlichen Entscheidung zulässig (vgl. § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Auch die vollständige Begründung muss innerhalb dieser Frist eingereicht werden. Werden Informationen, die zu den Mindestanforderungen an die Begründung der Verfassungsbeschwerde gehören, erst nach Fristablauf eingereicht, so ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig. Eine Verlängerung der Frist durch das Gericht ist ausgeschlossen.
Wenn die Frist ohne Verschulden nicht eingehalten werden konnte, kann binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und die Verfassungsbeschwerde nachgeholt werden. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind glaubhaft zu machen. Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden eines Beschwerdeführers gleich (§ 93 Abs. 2 BVerfGG).
Erschöpfung des Rechtswegs
Die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts ist grundsätzlich nur und erst dann zulässig, wenn zuvor der Rechtsweg erschöpft und darüber hinaus alle zur Verfügung stehenden weiteren Möglichkeiten ergriffen worden sind, um eine Korrektur der geltend gemachten Grundrechtsverletzung zu erreichen oder eine solche Verletzung zu verhindern. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, wenn und soweit eine anderweitige Möglichkeit besteht oder bestand, die Grundrechtsverletzung zu beseitigen.
Vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde müssen daher alle verfügbaren Rechtsbehelfe (z.B. Berufung, Revision, Beschwerde, Nichtzulassungsbeschwerde) genutzt worden sein. Zu den Möglichkeiten, den geltend gemachten Grundrechtsverstoß schon im Verfahren vor den Fachgerichten abzuwehren, gehören insbesondere auch die ausreichende Darstellung des relevanten Sachverhalts, geeignete Beweisanträge sowie Wiedereinsetzungsanträge bei unverschuldeter Fristversäumung. Die Erhebung einer Verfassungsbeschwerde zum Landesverfassungsgericht wird jedoch nicht vorausgesetzt.
Besonderheiten bei der Geltendmachung einer eigenständigen, neuen Gehörsverletzung
Wird die eigenständige und neue Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) durch eine letztinstanzliche gerichtliche Entscheidung gerügt, so ist die Verfassungsbeschwerde nur zulässig, wenn zuvor versucht wurde, durch Einlegung einer Anhörungsrüge (insbesondere § 321a ZPO, § 152a VwGO, § 178a SGG, § 78a ArbGG, § 44 FamFG, § 133a FGO, §§ 33a, 356a StPO) bei dem zuständigen Fachgericht Abhilfe zu erreichen. Die unterlassene Einlegung einer nicht offensichtlich aussichtslosen Anhörungsrüge kann zur Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde nicht nur in Bezug auf die behauptete Gehörsverletzung, sondern auch hinsichtlich sonstiger Rügen führen, soweit diesen durch die Anhörungsrüge hätte abgeholfen werden können. Hingegen ist die Einlegung einer offensichtlich aussichtslosen Anhörungsrüge für den Beginn der Frist zur Erhebung der Verfassungsbeschwerde nicht maßgeblich. Bei Zweifeln über die Erforderlichkeit und die Erfolgsaussichten einer Anhörungsrüge steht es einer beschwerdeführenden Person offen, zur Fristwahrung zeitgleich mit der Anhörungsrüge beim Fachgericht Verfassungsbeschwerde zu erheben.
Besonderheiten bei der Rechtssatzverfassungsbeschwerde
Gesetze, Rechtsverordnungen oder Satzungen können mit der Verfassungsbeschwerde nur ausnahmsweise unmittelbar angegriffen werden, wenn sie die Betroffenen selbst, gegenwärtig und unmittelbar beschweren. Die Verfassungsbeschwerde muss in diesem Fall binnen eines Jahres seit dem Inkrafttreten der Rechtsvorschrift erhoben werden (§ 93 Abs. 3 BVerfGG). In der Regel bedürfen Rechtsvorschriften jedoch des Vollzuges, d.h. der Anwendung im einzelnen Fall durch eine behördliche oder gerichtliche Entscheidung, gegen die Betroffene den Rechtsweg vor den zuständigen Gerichten erschöpfen müssen. In aller Regel ist die Verfassungsbeschwerde daher in solchen Fällen erst nach der Entscheidung des letztinstanzlichen Gerichts zulässig (§ 90 Abs. 2 BVerfGG).