Leitsätze
zum Beschluß des Ersten Senats vom 10. Oktober 1952
- 1 BvR 511/52 -
- Die Aburteilung eines in der Bundesrepublik wohnenden Deutschen wegen einer in der Bundesrepublik begangenen strafbaren Handlung durch den in Berlin amtierenden 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs verstößt nicht gegen Art 101 GG.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 511/52 -
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Verfahren
über die Verfassungsbeschwerde
des Bundestagsabgeordneten H. , |
vertreten durch
Rechtsanwalt Dr. Heyen, Kiel, Dahlmannstr. 2
Rechtsanwalt Dr. Kunuschek, Honnef (Rhein), Friedrichstr. 2
gegen |
das Urteil des Landgerichts Kiel, I, Große Strafkammer, vom 20. Juli 1951 und das Urteil des Bundesgerichtshofes, 5. Strafsenat, vom 8. Mai 1952 |
hat das Bundesverfassungsgericht - Erster Senat - unter Mitwirkung
des Präsidenten Dr. Dr. Höpker-Aschoff
als Vorsitzenden
und der Richter Ellinghaus
Dr. Heiland
Dr. Drath
Dr. Stein
Wessel
Ritterspach.
Lehmann
Dr. Zweigert
am 10. Oktober 1952 einstimmig beschlossen:
- Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.
G r ü n d e :
a) Der Beschwerdeführer behauptet, seinem gesetzlichen Richter entzogen worden zu sein, weil er am 20. Juli 1951 von der I. Großen Strafkammer des Landgerichts Kiel verurteilt worden sei, obwohl die IV. Strafkammer (Neumünster) der gesetzliche Richter gewesen wäre. Die I. Strafkammer sei infolge eines verfassungswidrigen Eingriffes des Justizministers des Landes Schleswig-Holstein nur deshalb zuständig geworden, weil die IV. Strafkammer unzulässigerweise mitten im Geschäftsjahr, nämlich zum 1. August 1950, durch einen Erlaß des Justizministers vom 6. Juli 1950 aufgelöst worden sei. Den gegen die Entscheidung der I. Strafkammer zulässigen Rechtsweg hat der Beschwerdeführer erschöpft; jedoch ist seine Revision durch Urteil des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofs in Berlin am 8. Mai 1952 verworfen worden.
b) Der Beschwerdeführer behauptet ferner, durch dieses Revisionsurteil in seinen Rechten gemäß Art. 3 und 101 GG deshalb verletzt zu sein, weil er für eine im Bundesgebiet begangene Handlung von einem Gericht außerhalb des Bundesgebietes abgeurteilt worden sei.
Die Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich unbegründet.
Zu a): Soweit sie sich gegen das Urteil der I. Strafkammer Kiel wendet, hat der Bundesgerichtshof - 5. Strafsenat - aus zutreffenden Gründen die Verletzung des Art. 101 GG verneint. Überdies ergeben die Akten in der Strafsache gegen den Beschwerdeführer einwandfrei, daß eine erneute Hauptverhandlung im Geschäftsjahr 1950 nicht mehr hätte stattfinden können. Das trifft auch für den Fall von Knöringen zu. Schließlich ist die Aufhebung der IV. Strafkammer (Neumünster), wie sich aus den beigezogenen Akten des Justizministeriums ergibt, nicht aus sachfremden Gründen erfolgt; sie war vielmehr seit längerer Zeit erwogen worden, weil die Gründe, die zur Errichtung der Kammer geführt hatten (schlechte Verkehrsverhältnisse, Raumnot), weggefallen waren.
Zu b): Art. 3 und Art. 101 GG sind auch nicht dadurch verletzt, daß der Beschwerdeführer für im Land Schleswig-Holstein begangene Handlungen von dem in Berlin amtierenden 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs verurteilt worden ist. Dieser Senat ist ein Teil des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe. Er leitet seine Gerichtsbarkeit her von der für den Geltungsbereich des Grundgesetzes zuständigen Staatsgewalt der Bundesrepublik Deutschland. Das Grundrecht der Gleichheit wird nicht dadurch verletzt, daß ein Staatsbürger das für ihn zuständige Gericht leichter erreicht als ein anderer.
Die Verfassungsbeschwerde ist somit gemäß § 24 BVerfGG zu verwerfen. Der Antrag auf einstweilige Anordnung ist damit gegenstandslos.
Dr. Dr. | Höpker-Aschoff | Ellinghaus | |||||||||
Dr. Heiland | Dr. Drath | Dr. Stein | |||||||||
Wessel | Ritterspach | Lehmann | |||||||||
Dr. Zweigert |