Leitsatz
des Zweiten Senats zum Beschluß vom 8. Juli 1992
- 2 BvL 14/92 -
- 2 BvL 15/92 -
- 2 BvL 18/92 -
- Zur Zuständigkeit der Richterdienstgerichte in den Verfahren zur Überprüfung der Entscheidungen der Staatsanwaltsberufungsausschüsse nach Anlage I Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 8 Maßgabe z) aa) in Verbindung mit Maßgabe o) zum Einigungsvertrag (Übernahme von Staatsanwälten der DDR).
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvL 14/92 -
- 2 BvL 15/92 -
- 2 BvL 18/92 -
IM NAMEN DES VOLKES
In den Verfahren
zur Prüfung,
1. |
ob § 61 Absatz 6 Satz 6 in Verbindung mit Satz 4 (ggf. Absatz 7 Satz 2 in Verbindung mit Satz 1) des Richtergesetzes des Freistaates Sachsen vom 29. Januar 1991 (GVBl. S. 21) mit Bundesrecht vereinbar ist, soweit danach die Entscheidungen der Staatsanwaltsberufungsausschüsse nach Anlage I Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 8 Maßgabe z) aa) in Verbindung mit Maßgabe o) zum Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 31. August 1990 (BGBl. II S. 889) angefochten werden können; |
2. |
ob § 38 Absatz 1 des Richtergesetzes des Freistaates Sachsen vom 29. Januar 1991 mit dem Deutschen Richtergesetz vereinbar ist. |
- Aussetzungs- und Vorlagebeschlüsse des Sächsischen Dienstgerichts für Richter, Harkortstraße 9, Leipzig, vom 21. Januar 1992 - |
- DG 1/91 (2 BvL 14/92) - |
- DG 2/91 (2 BvL 15/92) - |
- DG 51/91 (2 BvL 18/92) - |
hat das Bundesverfassungsgericht - Zweiter Senat - unter Mitwirkung
des Richters Böckenförde als Vorsitzenden,
des Richters Klein,
der Richterin Graßhof,
und der Richter Kruis,
Kirchhof,
Winter,
Sommer
am 8. Juli 1992 beschlossen: |
- § 61 Absatz 6 Satz 6 in Verbindung mit Satz 4 und Absatz 7 Satz 2 in Verbindung mit Satz 1 des Richtergesetzes des Freistaates Sachsen vom 29. Januar 1991 (Sächsisches Gesetz- und Verordnungsbl. S. 21) ist mit § 126 des Beamtenrechtsrahmengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Februar 1985 (Bundesgesetzbl. I S. 462) und mit § 122 Absatz 4 des Deutschen Richtergesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. April 1972 (Bundesgesetzbl. I S. 713) unvereinbar und gemäß Artikel 72 Absatz 1 des Grundgesetzes nichtig, soweit danach die Zuständigkeit des Sächsischen Dienstgerichts für Richter für die Anfechtung von Entscheidungen der Staatsanwaltsberufungsausschüsse nach Anlage I Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 8 Maßgabe z) aa) in Verbindung mit Maßgabe o) zum Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 31. August 1990 (Bundesgesetzbl. II S. 889) begründet wird.
G r ü n d e :
A.
Gegenstand der zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Vorlagen ist die Frage, ob es mit Bundesrecht, insbesondere mit dem Deutschen Richtergesetz in der Fassung vom 19. April 1972 (BGBl. I S. 713), zuletzt geändert am 17. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2847), vereinbar ist, daß § 61 Abs. 6 und Abs. 7 des Richtergesetzes des Freistaates Sachsen vom 29. Januar 1991 (GVBl. S. 21) die Zuständigkeit für die Überprüfung von Entscheidungen der Staatsanwaltsberufungsausschüsse im Verfahren zur Übernahme von Staatsanwälten der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik in den Landesdienst dem Dienstgericht für Richter überträgt.
I.
1. a) Nach dem Gesetz über die Staatsanwaltschaft der Deutschen Demokratischen Republik vom 7. April 1977 (GBl. I S. 93) - StaG - in der Fassung des - am 15. Juli 1990 in Kraft getretenen - Verfassungsgesetzes vom 5. Juli 1990 (GBl. I S. 635) erfolgte die Berufung von Staatsanwälten durch den Minister der Justiz nach Zustimmung von Staatsanwaltsberufungsausschüssen (vgl. § 35 Abs. 2 StaG). Die Berufungsverhältnisse der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Verfassungsgesetzes tätigen Staatsanwälte wurden befristet und endeten spätestens sechs Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes (vgl. § 38a Abs. 1 StaG). Innerhalb dieser Frist sollte der Minister der Justiz die Staatsanwälte unter entsprechender Anwendung der §§ 12 bis 14 des Richtergesetzes der DDR vom 5. Juli 1990 (GBl. I S. 637) - DDR-RiG - bis zu einer Dauer von fünf Jahren neu berufen (vgl. §§ 35 Abs. 2, 38a Abs. 2 StaG). Das Berufungsverfahren entsprach dem Verfahren zur Neuberufung der Richter nach dem Richtergesetz der DDR in Verbindung mit der - auf der Grundlage von § 12 Abs. 4 DDR-RiG ergangenen - Ordnung über die Bildung und Arbeitsweise der Richterwahlausschüsse vom 22. Juli 1990 (GBl. I S. 904 - ORWA - (vgl. §§ 35 Abs. 2, 38a Abs. 2 StaG i.V.m. §§ 12 bis 14 DDR-RiG). Danach prüfen die Staatsanwaltsberufungsausschüsse, ob der Bewerber die sachlichen und persönlichen Voraussetzungen für ein Staatsanwaltsamt besitzt und von seiner Persönlichkeit her die Gewähr dafür bietet, daß er sein Amt entsprechend den Grundsätzen der Verfassung ausüben wird (vgl. §§ 35 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2, 38a Abs. 2 StaG i.V.m. §§ 9 Abs. 1, 13 Abs. 4 DDR-RiG, §§ 5 Abs. 1, 10 Abs. 3 Satz 3 ORWA).
b) Nach dem Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 31. August 1990 (BGBl. II S. 889) - Einigungsvertrag - richtet sich die Übernahme der Staatsanwälte aus dem Dienst der ehemaligen DDR im wesentlichen auch weiterhin nach diesen Vorschriften:
Nach Art. 8 Einigungsvertrag tritt mit dem Wirksamwerden des Beitritts Bundesrecht in Kraft, soweit durch diesen Vertrag, insbesondere dessen Anlage I, nichts anderes bestimmt wird. Nach Anlage I Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 7 gelten für die Rechtverhältnisse der Staatsanwälte aus dem Dienst der DDR die Vorschriften der Anlage I Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 8. In dieser Bestimmung wird das Deutsche Richtergesetz mit den Maßgaben a) bis z) in Kraft gesetzt. Nach der hier einschlägigen Maßgabe z) aa) gilt für Staatsanwälte § 38a Abs. 1 StaG entsprechend der Maßgabe o) weiter.
Danach sind Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 der Maßgabe o) in Verbindung mit § 10 Abs. 1 ORWA die mit dem Wirksamwerden des Beitritts im Beitrittsgebiet amtierenden Staatsanwälte, die noch nicht neu berufen worden sind, von Staatsanwaltsberufungsausschüssen zu überprüfen (vgl. Erläuterungen zu den Anlagen zum Einigungsvertrag zu Maßgabe z), BTDrucks. 11/7817, S. 24). Das Verfahren richtet sich nach dem Richtergesetz der Deutschen Demokratischen Republik in Verbindung mit der Ordnung über die Bildung und Arbeitsweise der Richterwahlausschüsse (Abs. 1 Satz 1 der Maßgabe o) in entsprechender Anwendung). Die Berufungsverhältnisse der Staatsanwälte, die eine Neuberufung anstreben, enden jedoch nicht mehr spätestens mit Ablauf der in § 38a Abs. 1 Satz 2 StaG gesetzten Frist. Vielmehr sind sie nach dem Einigungsvertrag ermächtigt, bis zur (Bekanntgabe der) Entscheidung des Staatsanwaltsberufungsausschusses, ihr Amt weiter auszuüben (Abs. 2 Satz 2 der Maßgabe o) in entsprechender Anwendung). Die Ermächtigung zur Amtsausübung erlischt mit der Entscheidung des Ausschusses. Zugleich endet auch das Staatsanwaltsverhältnis (so auch Bezirksgericht Magdeburg, Neue Justiz, 1991, S. 559 <560>).
c) Nach § 38a Abs. 2 StaG in Verbindung mit § 13 Abs. 6 Satz 1 DDR-RiG, §§ 10 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 3, 8 Abs. 4 Satz 2 ORWA konnte gegen die ablehnende Entscheidung des Staatsanwaltsberufungsausschusses innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Entscheidung Beschwerde zum zentralen Staatsanwaltsberufungsausschuß eingelegt werden. Im übrigen war der Rechtsweg ausgeschlossen (vgl. § 13 Abs. 6 Satz 2 DDR-RiG, §§ 8 Abs. 4 Satz 3, 10 Abs. 3 Satz 3 ORWA).
Das Richtergesetz des Freistaates Sachsen eröffnet nun in § 61 Abs. 6 Satz 6 in Verbindung mit Satz 4 und in Abs. 7 Satz 2 in Verbindung mit Satz 1 den Rechtsweg zum Dienstgericht für Richter.
§ 61 Abs. 6 hat folgenden Wortlaut:
Bei Entscheidungen nach Anlage I Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 8 Buchstabe o) Absatz 2 des Einigungsvertrags finden die Vorschriften über die Beteiligung der Richtervertretung keine Anwendung. Entscheidungen nach Anlage I Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 8 Buchstabe h) und k) des Einigungsvertrags werden durch den Staatsminister der Justiz nach Beteiligung des Präsidialrats getroffen. Soweit noch kein Präsidialrat gewählt ist, gilt Absatz 3 Satz 4 mit der Maßgabe, daß bis zu dem in Anlage I Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 8 Buchstabe o) Absatz 2 Satz 1 des Einigungsvertrags genannten Zeitpunkt die Richterwahlausschüsse zu beteiligen sind. Die Entscheidungen können beim Dienstgericht angefochten werden. Das für Anfechtungen nach § 34 Nr. 4 Buchstabe d) geltende Verfahren gilt entsprechend. Die Sätze 1 bis 5 gelten für Staatsanwälte entsprechend.
§ 61 Abs. 7 SächsRiG lautet:
Soweit über die in Absatz 6 genannten Fälle hinaus Entscheidungen der Richterwahlausschüsse anfechtbar sind, entscheidet hierüber das Dienstgericht. Satz 1 gilt für Staatsanwälte entsprechend.
2. Soweit die Vorlagen darüber hinaus die Frage betreffen, ob § 38 Abs. 1 SächsRiG mit Bundesrecht vereinbar ist, weil dort die Besetzung der Dienstgerichte mit nichtständigen Beisitzern nicht vorgesehen ist, sind sie durch die mittlerweile erfolgte Änderung dieser Vorschrift (vgl. Art. 9 § 1 Nr. 8 des Gesetzes über die Organisation der Gerichte im Freistaat Sachsen vom 30. Juni 1992 <GVBl. S. 287>) gegenstandslos geworden.
II.
1. Die Antragsteller in den Ausgangsverfahren waren bei Inkrafttreten des Einigungsvertrags in der DDR als Staatsanwälte tätig. Nach dem Beitritt beantragten sie beim Sächsischen Staatsministerium der Justiz die Berufung zum Staatsanwalt. Nach Anhörung der Betroffenen traf der jeweils zuständige Staatsanwaltsberufungsausschuß folgende Entscheidung:
1. Der Bewerber besitzt die sachlichen und persönlichen Voraussetzungen für das Amt eines Staatsanwalts nicht.
2. Sein Staatsanwaltsverhältnis und seine Ermächtigung zur Ausübung der Tätigkeit als Staatsanwalt sind beendet.
Im Verfahren 2 BvL 18/92 wurde darüber hinaus die sofortige Vollziehung der Entscheidung angeordnet.
Die Antragsteller riefen daraufhin das Sächsische Dienstgericht für Richter an und begehrten (sinngemäß) die Überprüfung der Entscheidung. Antragsgegner ist jeweils der Freistaat Sachsen.
2. Das Sächsische Dienstgericht für Richter hat die Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht zur Klärung der Frage vorgelegt,
ob die Zuständigkeit des Dienstgerichts nach § 61 Abs. 6 Satz 4 (ggf. Abs. 7 Satz 1) SächsRiG für die Anfechtung von Entscheidungen der Staatsanwaltsberufungsausschüsse mit §§ 71 Abs. 1 Satz 1, 78 DRiG und § 71 Abs. 3 DRiG in Verbindung mit § 126 Abs. 1 BRRG vereinbar ist.
a) Zur Begründung der Vorlage führt das Gericht aus, im Falle der Gültigkeit der Norm werde es zu einer anderen Entscheidung gelangen als im Falle ihrer Ungültigkeit. Dann wäre nicht das Dienstgericht zur Entscheidung berufen, sondern der Verwaltungsrechtsweg zum örtlich zuständigen Kreisgericht - Kammern für Verwaltungssachen - gemäß Anlage I Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Maßgabe a) Abs. 3 in Verbindung mit Maßgaben t) und u) und Nr. 6 zum Einigungsvertrag eröffnet. Der Rechtsweg zu den Kammern für Verwaltungssachen ergebe sich aus § 126 BRRG.
b) Die Zuständigkeit des Dienstgerichts werde durch § 61 Abs. 6 Satz 6 in Verbindung mit Satz 4 SächsRiG begründet. Satz 4 beziehe sich nach seinem Wortlaut auf alle in den vorangegangenen Sätzen genannten Entscheidungen, also auch auf die in Satz 1 genannten Entscheidungen der Richterwahlausschüsse. Entscheidungen im Sinne von Satz 1 seien dabei nicht nur die der Richterwahlausschüsse, sondern kraft der Verweisung in Anlage I Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 8 Maßgabe z) zum Einigungsvertrag auf Maßgabe o) auch die der Staatsanwaltsberufungsausschüsse. Selbst wenn man aber der Auffassung des Freistaates Sachsen folge, daß die Entscheidungen der Staatsanwaltsberufungsausschüsse lediglich von der Auffangvorschrift des § 61 Abs. 7 SächsRiG erfaßt würden, bleibe es bei der landesgesetzlich begründeten Zuständigkeit des Dienstgerichts; die Vorlagefrage beziehe sich dann auf § 61 Abs. 7 SächsRiG.
c) Die Zuweisung an das Richterdienstgericht verstoße gegen § 126 Abs. 1 BRRG.
Die Staatsanwälte der ehemaligen DDR seien zwar nicht Beamte im Sinne des Beamtenrechtsrahmengesetzes; sie seien jedoch "im öffentlichen Dienst stehende Personen" im Sinne der Überschrift der Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A zum Einigungsvertrag, für die gemäß Abschnitt III Nr. 2 dieses Kapitels das Beamtenrechtsrahmengesetz in Kraft getreten sei. Etwas anderes ergebe sich nicht aus Nr. 1 Abs. 7 dieses Abschnitts, wonach für Richter und Staatsanwälte die besonderen Vorschriften nach Anlage I Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 8 gelten. Denn die an dieser Stelle genannten Vorschriften schlössen die Anwendbarkeit des Beamtenrechtsrahmengesetzes nur aus, wenn dort die Frage des Rechtswegs geregelt wäre. Dies sei jedoch nicht der Fall. Das Recht der DDR, auf das in Anlage I Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 8 Maßgabe o) Bezug genommen werde, treffe keine Aussage über den Rechtsweg.
Das Deutsche Richtergesetz, das durch Nummer 8 für anwendbar erklärt werde, enthalte ebenfalls keine einschlägige Regelung. Nach § 122 Abs. 4 DRiG entschieden die Dienstgerichte lediglich in förmlichen Disziplinarverfahren gegen Staatsanwälte; im übrigen bleibe es bei der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte. Eine analoge Anwendung dieser Vorschrift sei ausgeschlossen, da das Verfahren vor dem Staatsanwaltsberufungsausschuß mit einem förmlichen Disziplinarverfahren nicht vergleichbar sei. Es werde weder eine Pflichtwidrigkeit festgestellt noch eine Sanktion ausgesprochen. Auch § 78 DRiG enthalte keine Rechtswegzuweisung an das Dienstgericht. Eine Analogie zu dieser Vorschrift sei aufgrund der abschließenden Wirkung des § 78 DRiG ausgeschlossen. Es bestehe auch kein Sachzusammenhang zu den dort genannten Streitigkeiten. Die weisungsgebundenen und nur befristet zur Amtsausübung ermächtigten Staatsanwälte könnten sich nicht auf den Schutz der richterlichen Unabhängigkeit berufen, dem die Dienstgerichte gerade dienen sollten. Außerdem ende die Ermächtigung zur Amtsausübung kraft Gesetzes mit Bekanntgabe der positiven oder negativen Entscheidung der Staatsanwaltsberufungsausschüsse unabhängig von deren Ergebnis.
d) Schließlich sei die durch das Richtergesetz des Freistaates Sachsen erfolgte Rechtswegzuweisung auch nicht nach § 40 Abs. 1 Satz 2 VwGO zulässig, weil § 126 Abs. 1 BRRG gegenüber § 40 Abs. 1 Satz 2 VwGO die speziellere Norm sei.
III.
Zu den Vorlagebeschlüssen haben sich der Bundesminister der Justiz namens der Bundesregierung und die Sächsische Staatsregierung geäußert.
Der Bundesminister der Justiz hält die Vorlagen für unbegründet. Er ist der Auffassung, das Deutsche Richtergesetz finde auf das Übergangsrecht der Staatsanwälte, die noch nicht in den Landesdienst übernommen worden seien, keine Anwendung. Der Einigungsvertrag habe den neuen Bundesländern insoweit freie Hand lassen wollen.
Die Sächsische Staatsregierung hält die Vorlagen ebenfalls für unbegründet. Das Deutsche Richtergesetz finde auf die in Rede stehenden Übergangsrechtsverhältnisse gemäß Anlage I Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 8 Maßgabe x) zum Einigungsvertrag keine Anwendung und stehe daher der landesrechtlichen Begründung der Zuständigkeit der Dienstgerichte nicht entgegen.
Für Einzelheiten wird auf die im Beschluß des erkennenden Senats vom heutigen Tage - 2 BvR 27/91 und 31/91 - ausführlicher wiedergegebenen Stellungnahmen verwiesen (S. 12 ff. des Umdrucks).
B.
Die Vorlagen sind zulässig. In die Prüfung einzubeziehen ist auch § 61 Abs. 7 Satz 2 in Verbindung mit Satz 1 SächsRiG. Die Zuständigkeit des Richterdienstgerichts für die Überprüfung der Entscheidungen der Staatsanwaltsberufungsausschüsse ergibt sich zwar in erster Linie aus § 61 Abs. 6 Satz 6 in Verbindung mit Satz 4 SächsRiG. Bei Ungültigkeit dieser Vorschriften würde aber die Zuständigkeit des Dienstgerichts durch die Auffangnorm des § 61 Abs. 7 Satz 2 in Verbindung mit Satz 1 SächsRiG begründet werden.
Diese Bestimmungen sind indessen nur insoweit Prüfungsgegenstand, als sie sich auf die Anfechtung von Entscheidungen der Staatsanwaltsberufungsausschüsse nach Anlage I Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 8 Maßgabe z) aa) in Verbindung mit Maßgabe o) beziehen. Soweit sie im übrigen die Anwendbarkeit der die Richter betreffenden Vorschriften auf die Staatsanwälte erstrecken, sind sie für die Ausgangsverfahren nicht entscheidungserheblich.
C.
Die zur Prüfung gestellten Regelungen des Richtergesetzes des Freistaates Sachsen sind mit § 126 BRRG und mit § 122 Abs. 4 DRiG nicht vereinbar.
I.
1. Für Klagen der Staatsanwälte aus dem Beamtenverhältnis ist nach § 126 Abs. 1 BRRG der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten gegeben. Diese Vorschrift gehört nach Wortlaut und systematischer Stellung in Kapitel II des Beamtenrechtsrahmengesetzes zu den Bestimmungen, die in den Ländern unmittelbar gelten (vgl. die amtliche Überschrift zu Kapitel II: "Vorschriften, die einheitlich und unmittelbar gelten"). Das Beamtenrechtsrahmengesetz ist im Freistaat Sachsen nach Art. 8 Einigungsvertrag in Verbindung mit Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 2 zum Einigungsvertrag mit den Maßgaben a) bis c) in Kraft getreten.
2. Die Richterdienstgerichte entscheiden nach § 122 Abs. 4 Satz 1 DRiG in förmlichen Disziplinarverfahren gegen Staatsanwälte. § 122 Abs. 4 Satz 1 DRiG gilt für Staatsanwälte im Bundes- und im Landesdienst unmittelbar (Schmidt-Räntsch, Deutsches Richtergesetz, 4. Aufl., 1988, § 122 Rdnr. 1). Das Deutsche Richtergesetz ist im Freistaat Sachsen nach Art. 8 Einigungsvertrag in Verbindung mit dessen Anlage I Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 8 mit den Maßgaben a) bis z) in Kraft getreten.
II.
Für die Ausgangsverfahren ist nach § 126 BRRG die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte gegeben. Um eine Klage "aus dem Beamtenverhältnis" im Sinne dieser Vorschrift handelt es sich auch dann, wenn ein solches noch nicht begründet ist, es sich aber um einen Anspruch mit einer dem Beamtenrecht zugeordneten Anspruchsgrundlage und einem unmittelbaren Bezug zum Beamtenverhältnis handelt wie etwa um einen Anspruch eines Bewerbers auf Übernahme in das Beamtenverhältnis (vgl. BVerwGE 26, 31 <33 f.>; 50, 301 <304>; BVerwG, DVBl. 1982, S. 1195; VGH Bad.-Württ., ESVGH 24, 220 <222>; Redeker/von Oertzen, VwGO, § 40 Rdnr. 30; Kopp, VwGO, § 40 Rdnr. 76). Die bei Inkrafttreten des Einigungsvertrages noch tätigen Staatsanwälte, die die Übernahme in das Amt eines Staatsanwaltes wünschen, streben letztlich einen Beamtenstatus im Sinne des Beamtenrechts an. Da sie dies mit der Behauptung tun, entgegen der Auffassung des Staatsanwaltsberufungsausschusses die Eignung für das Amt eines Staatsanwalts zu besitzen, ist der für die Anwendbarkeit des § 126 BRRG erforderliche unmittelbare Bezug zu einem Beamtenverhältnis im Sinne des Beamtenrechts gegeben, auch wenn sich das (administrative) Berufungsverfahren als solches noch nach fortgeltendem Recht der DDR richtet.
1. Dem kann nicht entgegengehalten werden, das Verfahren zur Übernahme der Staatsanwälte richte sich nach den Vorschriften zur Übernahme der Richter aus dem Dienst der DDR, der Einigungsvertrag habe aber den im Beitrittsgebiet entstandenen Ländern für die Regelung des Rechtswegs hinsichtlich der Richter freie Hand gelassen. Zwar entspricht das Verfahren zur Berufung der Staatsanwälte der ehemaligen DDR in den Landesdienst kraft der Verweisung in Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 7 zum Einigungsvertrag auf Anlage I Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 8 Maßgabe z) aa) in Verbindung mit Maßgabe o) dem Verfahren zur Übernahme der Richter. Wie der erkennende Senat im Beschluß vom heutigen Tage (2 BvR 27/91 und 31/91), der die Übernahme der Richter aus dem Dienst der DDR betrifft, ausgeführt hat (S. 20 ff. des Umdrucks), binden die §§ 71, 78 DRiG den Freistaat Sachsen aber auch bei der Regelung des Rechtswegs für die Anfechtung der Entscheidungen der Richterwahlausschüsse. Entsprechendes gilt für die Anfechtung von Entscheidungen der Staatsanwaltsberufungsausschüsse. Aus Anlage I Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 8 Maßgaben a) bis z) zum Einigungsvertrag folgt nichts anderes.
2. Eine Zuweisung von Streitigkeiten aus dem Dienstverhältnis der Staatsanwälte an die Richterdienstgerichte über § 122 Abs. 4 Satz 1 DRiG hinaus ist durch § 126 BRRG ausgeschlossen. Das Verfahren zur Überprüfung der Entscheidungen der Staatsanwaltsberufungsausschüsse ist kein förmliches Disziplinarverfahren im Sinne des § 122 Abs. 4 Satz 1 DRiG und hiermit auch nicht vergleichbar.
Eine Disziplinarmaßnahme ist ein Erziehungsmittel. Sie verfolgt den Zweck, den Beamten durch Zufügung eines Übels zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Berufspflichten anzuhalten oder ihn, wenn er für den geordneten Dienstbetrieb nicht mehr tragbar ist, aus dem Dienst zu entfernen (vgl. BVerfGE 32, 40 <49>; Schmidt-Räntsch, Deutsches Richtergesetz, vor §§ 63, 64 Rdnr. 2; Claussen/Janzen, Bundesdisziplinarordnung, 6. Aufl., 1990, Einleitung A Rdnr. 4). Gegenstand des Disziplinarverfahrens ist eine schuldhafte Pflichtverletzung.
Das Verfahren vor den Staatsanwaltsberufungsausschüssen hat nicht das Ziel, den Betroffenen im Interesse eines ordnungsgemäßen Dienstbetriebs zur Pflichterfüllung anzuhalten. Die Staatsanwaltsberufungsausschüsse entscheiden vielmehr, ob der Bewerber die sachlichen und persönlichen Voraussetzungen besitzt, um ein Staatsanwaltsamt künftig unter gewandelten rechtlichen Verhältnissen wahrnehmen zu können, und die Gewähr dafür bietet, sein Amt entsprechend der Verfassung auszuüben (vgl. Anlage I Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 8 Maßgaben o) und z) aa) zum Einigungsvertrag in Verbindung mit §§ 9 Abs. 1, 13 Abs. 4 DDR-RiG). Gegenstand der Entscheidung ist nicht ein Dienstvergehen sondern eine Eignungsprognose. Wird die fehlende Eignung des Betroffenen festgestellt, liegt dem nicht der Vorwurf einer schuldhaften Pflichtverletzung zugrunde. Die Entscheidung des Staatsanwaltsberufungsausschusses, daß der Betroffene für ein Staatsanwaltsamt nicht geeignet ist, hat auch nicht eine Entfernung aus dem Dienst zum Inhalt. Denn die Berufungsverhältnisse der Staatsanwälte enden kraft Gesetzes mit der Entscheidung des Ausschusses unabhängig von deren positivem oder negativem Ergebnis (vgl. Anlage I Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 8 Maßgabe z) aa) in Verbindung mit Maßgabe o) Absatz 2 Satz 2 zum Einigungsvertrag; Bezirksgericht Magdeburg, Neue Justiz, 1991, S. 559 <560>).
III.
Nach alledem ist die Zuweisung der in Rede stehenden Rechtsstreitigkeiten an die Richterdienstgerichte nach dem Deutschen Richtergesetz nicht zulässig. Vielmehr ist durch § 126 BRRG unmittelbar der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Diese bundesrechtliche Bestimmung schließt eine landesrechtliche Regelung des Rechtswegs nach § 40 Abs. 1 Satz 2 VwGO aus.
D.
Die Entscheidung ist mit 4 zu 3 Stimmen ergangen.
Böckenförde | Klein | Graßhof | |||||||||
Kruis | Kirchhof | Winter | |||||||||
Sommer |