Bundesverfassungsgericht
- 1 BvR 1805/92 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn L..., Rechtsanwalt,
gegen | das Urteil des
Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 29. September 1992 - 22 U 101/91 - |
hat die 3. Kammer des Ersten Senats des
Bundesverfassungs-
gerichts durch den
Vizepräsidenten Seidl,
den Richter Grimm
und die Richterin Haas
gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 7. Mai 1997 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
Die angegriffene Entscheidung verstößt nicht gegen Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG. Der Einwand des Beschwerdeführers, daß der beklagten Stadt der Schutz der Meinungsfreiheit nicht zugute kommt, ist zwar richtig. Das angegriffene Urteil greift insofern in seiner Argumentation zu kurz. Das Oberlandesgericht stützt sich aber auch auf die Entscheidungsbegründung des Landgerichts, die zu dem Problem des Widerrufs von Werturteilen ausführlich Stellung bezieht. Die von den Zivilgerichten allgemein geteilte Ansicht, daß ein klagweise durchsetzbarer Anspruch auf den Widerruf von Werturteilen grundsätzlich nicht besteht, stützt sich nicht nur auf das Grundrecht des Urteilenden, seine Meinung frei zu äußern. Allein diese Überlegung könnte die Ablehnung eines Anspruchs des in seinem Persönlichkeitsrecht Betroffenen auch nicht tragen. Grund für die Ablehnung eines Anspruchs auf Widerruf von Werturteilen ist vielmehr, daß Werturteile wegen ihres subjektiven Charakters nicht auf Richtigkeit oder Wahrheit überprüfbar sind (vgl. BVerfGE 94, 1 <8>) und niemand rechtlich und im Wege der Zwangsvollstreckung gezwungen werden kann, eine Überzeugung aufzugeben oder eine Würdigung zurückzunehmen (vgl. insgesamt BGHZ 10, 104 <105 ff.>; BGH, NJW 1978, S. 751 <752>; BGHZ 65, 325 <337>; BGH, NJW 1989, S. 774 <774 f.>). Das gilt grundsätzlich auch für Amtsträger und juristische Personen des öffentlichen Rechts. Der Widerruf beschränkt sich hier ebenfalls auf Tatsachenbehauptungen. Soweit der Beschwerdeführer dagegen vorträgt, ein Anspruch auf Widerruf lediglich gegen Tatsachenbehauptungen werde dem Eingriff durch den Staat nicht gerecht, weil das Werturteil in die Öffentlichkeit getragen worden sei, verkennt er, daß ein Widerruf der dem Werturteil zugrundeliegenden Tatsachenbehauptungen der Öffentlichkeit ermöglicht, ihre eigene Beurteilung nicht nur des Sachverhalts, sondern auch seiner Bewertung durch den sich Äußernden vorzunehmen.
Im übrigen wird von einer Begründung abgesehen (§ 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Seidl | Grimm | Haas |