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BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 403/94 -
- 1 BvR 569/94 -
IM NAMEN DES VOLKES
In den Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerden
I. |
des Herrn S..., |
- Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Eckhard Kammer und Partner, Deichelweiherweg 1, Freiburg i. Brsg. -
1. |
unmittelbar gegen |
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a) |
den Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Januar 1994 - BVerwG 8 B 235.93 -, |
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b) |
das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 29. September 1993 - 2 S 2500/92 -, |
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c) |
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 23. Juli 1992 - 5 K 1248/91 -, |
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d) |
den Widerspruchsbescheid des Landratsamts Breisgau-Hochschwarzwald vom 24. Juni 1991 - 304-130.49 -, |
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e) |
den Feuerwehrabgabebescheid der Gemeinde Merzhausen - Verwaltungsverband Hexental - vom 8. März 1991 - Buchungszeichen 5.0120.100897.1 -, |
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2. |
mittelbar gegen § 37 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 11 Abs. 1 Satz 1 des baden-württembergischen Feuerwehrgesetzes (FwG BW) in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. Februar 1987 (GBl S. 105), |
hier: Erinnerung gegen die Kostenfestsetzung, |
- 1 BvR 403/94 -,
II. |
des Herrn S..., |
- Bevollmächtigter: Rechtsanwalt Günther Mattes, Georgenstraße 38, Amberg -
1. |
unmittelbar gegen |
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a) |
den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 21. Februar 1994 - 2 S 2703/93 -, |
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b) |
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17. September 1993 - 16 K 1730/93 -, |
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2. |
mittelbar gegen § 37 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 11 Abs. 1 Satz 1 des baden-württembergischen Feuerwehrgesetzes (FwG BW) in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. Februar 1987 (GBl S. 105), |
hier: Erinnerung gegen die Kostenfestsetzung, |
- 1 BvR 569/94 -
hat das Bundesverfassungsgericht - Erster Senat - unter Mitwirkung
des Vizepräsidenten Seidl,
der Richter Grimm,
Kühling,
der Richterinnen Jaeger,
Haas
und der Richter Hömig,
Steiner
am 8. Juli 1997 beschlossen:
- Auf die Erinnerung des Beschwerdeführers zu I werden die Kostenfestsetzungsbeschlüsse vom 7. März 1996 aufgehoben, soweit der Antrag auf Erstattung einer Beweisgebühr zurückgewiesen worden ist. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung an den Rechtspfleger zurückverwiesen.
- Im übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.
- Das Land Baden-Württemberg hat dem Beschwerdeführer zu I die notwendigen Auslagen des Erinnerungsverfahrens zu vier Fünfteln zu erstatten. Die Bundesrepublik Deutschland trägt ein Fünftel dieser Auslagen.
- Auf die Erinnerung des Beschwerdeführers zu II wird der Kostenfestsetzungsbeschluß vom 8. Januar 1996 aufgehoben, soweit der Antrag auf Erstattung einer Beweisgebühr und von Reisekosten des Verfahrensbevollmächtigten zurückgewiesen worden ist. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung an den Rechtspfleger zurückverwiesen.
- Das Land Baden-Württemberg hat dem Beschwerdeführer zu II die notwendigen Auslagen des Erinnerungsverfahrens zu erstatten.
G r ü n d e :
I.
Die Beschwerdeführer haben erfolgreich Verfassungsbeschwerden gegen ihre Heranziehung zu einer allein von Männern erhobenen Feuerwehrabgabe eingelegt. Dem Beschwerdeführer zu I sind nach der Anordnung des Bundesverfassungsgerichts die notwendigen Auslagen des Verfassungsbeschwerdeverfahrens zu vier Fünfteln vom Land Baden-Württemberg und zu einem Fünftel von der Bundesrepublik Deutschland, dem Beschwerdeführer zu II sind sie voll vom Land Baden-Württemberg zu erstatten (vgl. BVerfGE 92, 91). Mit ihren Erinnerungen wenden sich die Beschwerdeführer gegen die Kostenfestsetzungsbeschlüsse des Rechtspflegers beim Bundesverfassungsgericht.
1. Beide Beschwerdeführer begehren die Erstattung einer Beweisgebühr (vgl. § 113 Abs. 2, § 31 Abs. 1 Nr. 3, § 34 Abs. 2, § 11 Abs. 1 Satz 4 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte; im folgenden: BRAGO). Der Beschwerdeführer zu I hält diese Gebühr deshalb für angefallen, weil zwei arbeitsmedizinische Gutachten zum Einsatz von Frauen im Feuerwehrdienst, die das Innenministerium Baden-Württemberg mit seiner Stellungnahme gegenüber dem Bundesverfassungsgericht - auf eine Frage in der Zustellungsverfügung des Senatsvorsitzenden an die Äußerungsberechtigten - vorgelegt hat, in der Entscheidung des Senats zum Beweis verwertet worden seien. Der Beschwerdeführer zu II ist der Auffassung, eine Beweisgebühr sei dadurch ausgelöst worden, daß im Senatsbeschluß Tatsachenangaben entscheidungserheblich verwertet worden seien, die das Innenministerium in der erwähnten Stellungnahme - ebenfalls auf eine entsprechende Frage in der Zustellungsverfügung - zur zwangsweisen Heranziehung zum Feuerwehrdienst des Landes gemacht hat.
2. Der Beschwerdeführer zu I begehrt ferner die Erstattung von Schreibauslagen für die Anfertigung von - seinen Schriftsätzen an das Bundesverfassungsgericht beigefügten - Ablichtungen der angegriffenen Behörden- und Gerichtsentscheidungen, einer kommunalen Vereinbarung über die Hilfeleistung bei Bränden und öffentlichen Notständen sowie eines die Erhebung der baden-württembergischen Feuerwehrabgabe betreffenden Berichts der Europäischen Kommission für Menschenrechte.
3. Der Beschwerdeführer zu II, der das verwaltungsgerichtliche Ausgangsverfahren ohne anwaltliche Hilfe betrieben und auch selbst Verfassungsbeschwerde eingelegt hat, begehrt schließlich die Erstattung von Reisekosten seines von ihm später bevollmächtigten Rechtsanwalts für eine Fahrt von dessen Kanzleisitz zum Wohnort des Beschwerdeführers und zurück aus Anlaß einer persönlichen Unterredung im Zusammenhang mit der Übernahme des Mandats.
4. Der Rechtspfleger hat die Kostenfestsetzungsgesuche der Beschwerdeführer hinsichtlich dieser Gebühren und Auslagen zurückgewiesen.
II.
Die Erinnerungen der Beschwerdeführer sind im wesentlichen begründet.
1. Beiden Beschwerdeführern ist eine Beweisgebühr zu erstatten.
Die Entstehung einer Beweisgebühr des Verfahrensbevollmächtigten setzt die Vertretung im Beweisaufnahmeverfahren voraus (vgl. § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO). Eine Beweisaufnahme liegt vor, wenn sich das Gericht zur Ermittlung rechtserheblicher Tatsachen auf Antrag oder - im Hinblick auf den Amtsermittlungsgrundsatz (vgl. § 26 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG) - von Amts wegen eines Beweismittels bedient. Der förmlichen Anordnung einer Beweisaufnahme bedarf es nicht (vgl. BVerfGE 81, 387 <391>). Es genügt, daß das Gericht eine Beweiserhebung durchführt und der Rechtsanwalt am Beweisaufnahmeverfahren beteiligt ist (vgl. BVerfGE 77, 360 <361 f.>).
Allerdings löst nicht schon jede Äußerung, die ein Organ des Bundes, eines Landes oder eines sonstigen im Verfahren Äußerungsberechtigten - auch auf Fragen oder auf ein Auskunftsersuchen des Senatsvorsitzenden oder des Berichterstatters - abgibt, eine Beweisgebühr aus. Befragungen dieser Art dienen regelmäßig als vorbereitende Maßnahmen der Stoffsammlung für die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 63, 148 <150 ff.>). Sie haben ihre Grundlage in der Beteiligung der Befragten am Verfahren und in der Wahrnehmung ihres Äußerungsrechts (vgl. BVerfGE 81, 387 <391>). Zu einer Beweisgebühr führen sie nur, wenn sie Gegenstand einer förmlichen Beweisanordnung sind oder wenn zum Beleg der Äußerung vorgelegte Unterlagen in der Entscheidung des Gerichts erkennbar als Beweismittel verwertet werden (vgl. § 34 Abs. 2 BRAGO; BVerfGE 63, 148 <151 f.>).
Letzteres war hier der Fall. Das Innenministerium Baden-Württemberg hat sich in seiner Stellungnahme nicht auf die Wiedergabe eigener Erkenntnisse beschränkt. Es hat sich vielmehr für die Frage, ob und inwieweit die körperliche Konstitution von Frauen und die mit dem Feuerwehrdienst verbundenen körperlichen Belastungen eine Ausnahme vom Feuerwehrdienst rechtfertigen können, auf die sachverständigen Äußerungen in den von ihm vorgelegten arbeitsmedizinischen Gutachten bezogen (vgl. BVerfGE 92, 91 <102 f.>). Der Senat hat seine Entscheidung auch auf diese Gutachten und die daraus ersichtlichen tatsächlichen Erkenntnisse gestützt und die Gutachten damit erkennbar beweismäßig verwertet (vgl. BVerfGE 92, 91 <109 f.>).
Die Bevollmächtigten der Beschwerdeführer sind am Beweisaufnahmeverfahren auch beteiligt gewesen. Beiden sind die genannten Gutachten zugeleitet worden. Sie hatten damit die - vom Verfahrensbevollmächtigten des Beschwerdeführers zu II überdies genutzte - Gelegenheit zur Stellungnahme. Mehr ist nicht erforderlich (vgl. BVerfGE 77, 360 <363>).
2. Der Beschwerdeführer zu II kann darüber hinaus eine Erstattung von Reisekosten verlangen, die aus Anlaß der Fahrt seines Verfahrensbevollmächtigten zu seinem Wohnort entstanden sind. Auch im Verfassungsbeschwerdeverfahren sind grundsätzlich die Kosten mindestens einer Informationsreise des Beteiligten zu seinem Bevollmächtigten erstattungsfähig. Unterbleibt diese Reise, weil sich der Verfahrensbevollmächtigte seinerseits zu Informationszwecken zu seinem Mandanten begibt, sind im allgemeinen die Kosten dieses Informationsbesuchs bis zur Höhe der Kosten zu erstatten, die bei einer Informationsreise des Mandanten entstanden wären. Darüber hinausgehende Reisekosten des Bevollmächtigten sind nur erstattungsfähig, wenn dessen Reise zum Auftraggeber aus besonderen Gründen notwendig war.
Ob vom Grundsatz der Erstattungsfähigkeit der Kosten einer Informationsreise für einfach liegende Verfahren oder für Fälle, in denen der Beschwerdeführer selbst über besondere, für das Verfahren bedeutsame Kenntnisse verfügt, Ausnahmen zu machen sind, bedarf keiner Entscheidung. Hier waren die durch die Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen Fragen so schwierig, daß ein persönliches Informationsgespräch nicht unangebracht war.
3. Zu Recht hat der Rechtspfleger dagegen die Erstattung der im Verfahren 1 BvR 403/94 noch streitigen Schreibauslagen abgelehnt.
Die Erstattungsfähigkeit der Schreibauslagen richtet sich auch im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht nach § 27 BRAGO. Die Vorschrift ist hier gemäß § 134 Abs. 1 Satz 1 BRAGO in ihrer bis zum Inkrafttreten des Kostenrechtsänderungsgesetzes 1994 (BGBl I S. 1325) am 1. Juli 1994 gültig gewesenen Fassung anzuwenden, weil der unbedingte Mandatsauftrag vor dem Inkrafttreten der Änderung des § 27 BRAGO durch das vorbezeichnete Gesetz erteilt worden ist. Nach Absatz 1 Satz 1 der früheren Fassung dieser Vorschrift stehen dem Rechtsanwalt Schreibauslagen nur für die im Einverständnis mit dem Auftraggeber zusätzlich gefertigten Abschriften und Ablichtungen zu. Nicht zusätzlich angefertigt und damit nicht gesondert zu honorieren sind solche Abschriften und Ablichtungen, die zur üblichen, ordentlichen Geschäftstätigkeit des Rechtsanwalts gehören. Sie fallen unter die allgemeinen Geschäftsunkosten und sind als solche gemäß § 25 Abs. 1 BRAGO bereits mit den Gebühren des Rechtsanwalts abgegolten. Gesondert zu honorierende Schreibauslagen erwachsen danach nicht, wenn der Rechtsanwalt aufgrund gesetzlicher Verpflichtung oder anwaltlicher Übung gehalten ist, die Abschrift oder Ablichtung herzustellen. Deshalb liegt beispielsweise keine zusätzlich gefertigte Ablichtung vor, wenn ihr Inhalt zum Sachvortrag der Partei gehört und andernfalls in den Schriftsatz einzuarbeiten gewesen wäre (vgl. BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, NJW 1996, S. 382 f.).
Nach diesen Grundsätzen kann der Beschwerdeführer für die hier streitigen Ablichtungen Erstattung nicht verlangen. Sie betrafen die angegriffenen Behörden- und Gerichtsentscheidungen, eine kommunale Vereinbarung über die Hilfeleistung bei Bränden und öffentlichen Notständen sowie einen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren ebenfalls einschlägigen Bericht der Europäischen Kommission für Menschenrechte. Den wesentlichen Inhalt dieser Unterlagen dem Bundesverfassungsgericht vorzutragen, hat im Rahmen der Darlegungslast zur ordentlichen Geschäftstätigkeit des Verfahrensbevollmächtigten des Beschwerdeführers zu I gehört.
4. Zur Festsetzung der Höhe der von der Bundesrepublik Deutschland und dem Land Baden-Württemberg zusätzlich zu erstattenden Auslagen hält der Senat eine Zurückverweisung an den Rechtspfleger für angezeigt.
Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen im Erinnerungsverfahren beruht auf § 34 a Abs. 3 BVerfGG.
Seidl | Grimm | Kühling | |||||||||
Jaeger | Haas | Hömig | |||||||||
Steiner |