Bundesverfassungsgericht
- 2 BvR 294/98 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn D...
gegen a) | den Beschluß des Oberlandesgerichts Hamm vom 22. Dezember 1997 - 2 Ss 1455/97 OLG Hamm -, |
b) | das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 11. August 1997 - Ns 6 Js 193/95 - 14 (XXIII) D 14/97 -, |
c) | das Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 25. Februar 1997 - Ns 6 Js 193/95 - |
hat die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richterin
Präsidentin Limbach
und die Richter Kruis,
Winter
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 19. März 1998 einstimmig beschlossen:
- Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
- Dem Beschwerdeführer wird eine Mißbrauchsgebühr in Höhe von 500 DM (in Worten: fünfhundert Deutsche Mark) auferlegt.
Gründe:
Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Höhe einer gegen ihn verhängten - zur Bewährung ausgesetzten - Freiheitsstrafe.
I.
1. Wegen falscher uneidlicher Aussage (§ 153 StGB) verurteilte das Amtsgericht den Beschwerdeführer am 25. Februar 1997 zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, deren Vollstreckung es zur Bewährung aussetzte. Die hiergegen eingelegte Berufung des Beschwerdeführers hat das Landgericht mit Urteil vom 11. August 1997 verworfen.
Nach den Feststellungen des Landgerichts sagte der Beschwerdeführer als Zeuge in der gegen seinen Sohn wegen des Tatverdachts der Straßenverkehrsgefährdung und Nötigung vor dem Amtsgericht durchgeführten Hauptverhandlung am 7. September 1994 wahrheitswidrig aus, zur Tatzeit auf dem Beifahrersitz des von seinem Sohn geführten Pkw gesessen zu haben. Im Fahrzeug seines Sohnes habe sich außerdem der (weitere) Zeuge F. befunden.
Im Rahmen seiner Strafzumessung berücksichtigte das Landgericht zugunsten des Beschwerdeführers, daß die Aussage in einem Verfahren abgegeben worden sei, das seinen Sohn betroffen habe und daß das Verfahren ohne Verschulden des Beschwerdeführers bis zur Entscheidung in erster Instanz fast zweieinhalb Jahre angedauert habe. Schließlich sei zugunsten des Beschwerdeführers zu werten, daß seine falsche Aussage im Ergebnis ohne Auswirkungen geblieben sei. Andererseits sei zu berücksichtigen, daß der Beschwerdeführer eine erhebliche kriminelle Energie aufgewandt habe, indem er für seinen Sohn nicht nur selbst eine Falschaussage abgegeben, sondern sich auch darum bemüht habe, daß die Zeugen F. und O. sich zur Stützung der Falschaussage des Beschwerdeführers ebenfalls als Zeugen hätten benennen lassen. Bei der gebotenen Gesamtabwägung aller Umstände halte die Kammer deshalb eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten unbedingt zur Einwirkung auf den Beschwerdeführer für erforderlich. Ohne den erheblichen Zeitablauf seit der Abgabe der Falschaussage hätte die Kammer eine um zwei bis drei Monate höhere Freiheitsstrafe für angemessen gehalten.
Die gegen das Urteil des Landgerichts eingelegte Revision des Beschwerdeführers, mit der er wenigstens die Verletzung sachlichen Rechts gerügt haben muß, hat das Oberlandesgericht Hamm mit Beschluß vom 22. Dezember 1997 gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Zwar habe der Tatrichter nicht ausdrücklich zu erkennen gegeben, daß er sich der Möglichkeit des § 157 Abs. 1 StGB (Aussagenotstand) bewußt gewesen sei, aber selbst wenn dies nicht der Fall gewesen sein sollte, könne aufgrund des Gesamtzusammenhangs der Urteilsgründe, insbesondere der Strafzumessungsgründe, ausgeschlossen werden, daß das Urteil bezüglich des Rechtsfolgenausspruchs auf diesem Mangel beruhe.
2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde erhebt der Beschwerdeführer allein Einwendungen gegen die Höhe der erkannten Freiheitsstrafe und rügt die Verletzung seiner Grundrechte "aus Art. 1, 2, 3 und 6 GG". Zur Begründung trägt er im wesentlichen vor:
Der frühere Mitbeschuldigte und Zeuge F. sei im Parallelverfahren mit Urteil des Amtsgerichts vom 13. August 1996 wegen falscher uneidlicher Aussage ebenfalls zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden, obwohl er - im Unterschied zum Beschwerdeführer - mehrfach vorbestraft sei und nicht in dessen familiärer Situation gestanden habe. Diese Mißachtung der vom Gesetzgeber mit der Vorschrift des § 157 Abs. 1 StGB geschaffenen und von Verfassungs wegen gemäß Art. 6 GG gebotenen Privilegierung des Beschwerdeführers als eines nahen Angehörigen stelle sich "als staatliches Unrecht" dar. Art. 6 GG gebiete es, den Täter, der wegen familiärer Beziehungen falsch aussage, zu privilegieren. Aus Art. 1, 2, 3 GG folge im übrigen, daß die Normen der Strafzumessung so auszulegen seien, daß die Strafe der Tatschwere und der Schuld entsprächen. Deshalb sei auch der aus Art. 3 GG resultierende Anspruch des Beschwerdeführers darauf, daß der Staat gleiche Sachverhalte gleich und ungleiche Sachverhalte ungleich behandle, verletzt. Ohne daß weitere Differenzierungsmerkmale vorgelegen hätten, sei der wegen des gleichen Sachverhalts angeklagte Mitbeschuldigte F. zur selben Strafe verurteilt worden. Der Beschwerdeführer fühle sich daher staatlicher Willkür ausgesetzt.
II.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an, weil ein Annahmegrund im Sinne des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegt. Die Verfassungsbeschwerde ist bereits nicht zulässig erhoben worden. Der Rügevortrag entspricht trotz anwaltlicher Vertretung des Beschwerdeführers in mehrfacher Hinsicht nicht den Mindestanforderungen an eine substantiierte Begründung nach Maßgabe der §§ 23 Abs. 1 Satz 2, 1. Halbsatz, 92 BVerfGG:
1. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts richtet, ist sie schon deshalb unzulässig, weil der Beschwerdeführer das Urteil des Amtsgerichts trotz einer entsprechenden Aufforderung durch den Präsidialrat weder vorgelegt noch seinen wesentlichen Inhalt auf sonstige Weise innerhalb der Einlegungsfrist für die Verfassungsbeschwerde mitgeteilt hat (vgl. BVerfGE 88, 40 <45>).
2. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Landgerichts und den die Revision des Beschwerdeführers verwerfenden Beschluß des Oberlandesgerichts richtet, ergibt sich aus dem Sachvortrag des Beschwerdeführers nicht einmal die (plausible) Möglichkeit, in einem der in Anspruch genommenen Grundrechte beeinträchtigt zu sein (vgl. z.B. BVerfGE 64, 367 <375>; 65, 227 <232 f.>; 78, 320 <329>; 81, 347 <355>; stRspr). So setzt sich der Beschwerdeführer mit den Ausführungen des Oberlandesgerichts zur Frage der Erheblichkeit des gerügten Verstoßes gegen § 157 Abs. 1 StGB nicht einmal ansatzweise auseinander. Im übrigen beschränkt sich der Beschwerdeführer inhaltlich durchgängig auf die Beanstandung einfachen Rechts und verkennt dabei ersichtlich das in Abgrenzung zu einem Rechtsmittel wegen Verletzung einfachen Rechts auf den Grundsätzen eines spezifischen Rechtsschutzbedürfnisses und der Subsidiarität beruhende Wesen der Verfassungsbeschwerde (vgl. z.B. BVerfGE 60, 360 <370>). Zwar ist auch staatliches Strafen grundsätzlich der aus dem Rechtsstaatsprinzip resultierenden Verhältnismäßigkeitsprüfung unterworfen (vgl. BVerfGE 92, 277 <326>). Das Bundesverfassungsgericht prüft in diesem Zusammenhang aber nur nach, ob dem Übermaßverbot durch die Rechtsfolgenentscheidung der Strafgerichte überhaupt Rechnung getragen und seine Tragweite bei der Auslegung und Anwendung des Strafrechts grundlegend verkannt worden ist, nicht dagegen, ob die entscheidungserheblichen Gesichtspunkte in jeder Hinsicht zutreffend gewichtet worden sind oder ob eine andere Entscheidung näher gelegen hätte (vgl. BVerfGE 95, 96 <141>).
3. Die Verfassungsbeschwerde wäre im übrigen unbegründet. Denn die Bestrafung des Beschwerdeführers verstößt ersichtlich weder gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG noch gegen sonstiges Verfassungsrecht. Wie sich aus der Urteilsbegründung unschwer und für jedermann nachlesbar ergibt, hielt das Landgericht in Richtung auf den Beschwerdeführer sogar die Verhängung einer höheren Freiheitsstrafe für angezeigt, sah hiervon jedoch aufgrund der Verfahrensdauer ab. Zugunsten des Beschwerdeführers hat es ausdrücklich berücksichtigt, daß die Aussage in einem Verfahren gegen seinen Sohn abgegeben wurde. Anhaltspunkte dafür, daß der Beschwerdeführer unangemessen hart bestraft worden wäre, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Vielmehr wird der nach den Urteilsfeststellungen nicht vertretbare Willkürvorwurf allein aus dem Vergleich mit dem für den Mitbeschuldigten erkannten Strafmaß hergeleitet. Eine nach allgemeinen Maßstäben ersichtlich gerechte Strafe kann jedoch nicht willkürlich sein (stRspr; vgl. bereits BVerfGE 1, 332 <346>). Der Gleichheitssatz verlangt deshalb auch nicht, eine angemessene Bestrafung nur deshalb herabzusetzen, weil ein anderer Beschuldigter in demselben oder in einem anderen Verfahren im Strafmaß gegebenenfalls ungerechtfertigt begünstigt worden sein könnte.
III.
Dem Beschwerdeführer ist eine Mißbrauchsgebühr gemäß § 34 Abs. 2 BVerfGG in der als angemessen erscheinenden Höhe von 500,- DM aufzuerlegen, weil die Einlegung der offensichtlich unzulässigen, in der Sache zudem substanzlosen Verfassungsbeschwerde als mißbräuchlich anzusehen ist.
Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts ist es, grundsätzliche Verfassungsfragen zu entscheiden, die für das Staatsleben, die Allgemeinheit und insbesondere die Grundrechtsverwirklichung des Einzelnen von Bedeutung sind; es ist jedoch nicht gehalten hinzunehmen, daß es in der Erfüllung dieser Aufgabe durch - wie hier - an gravierenden Zulässigkeitsmängeln leidende Verfassungsbeschwerden behindert wird und dadurch anderen Bürgern nur mit erheblicher Verzögerung in deren Angelegenheiten Grundrechtsschutz zu gewähren vermag (stRspr; vgl. z.B. BVerfG, NJW 1992, S. 1952; NJW 1995, S. 1418 und NJW 1996, S. 2785). Dem Beschwerdeführer war zuzumuten, wenigstens durch seinen anwaltlichen Vertreter vor Einlegung der Verfassungsbeschwerde die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen und dem Umfang der Nachprüfung strafgerichtlicher Entscheidungen im Rahmen der Verfassungsbeschwerde zu ermitteln. Eine Sorgfaltspflichtverletzung seines Verfahrensbevollmächtigten muß sich der Beschwerdeführer zurechnen lassen. Sollte die Einlegung der Verfassungsbeschwerde auf einer unzulänglichen anwaltlichen Beratung beruhen, bleibt dem Beschwerdeführer die Möglichkeit der Geltendmachung eines entsprechenden Regreßanspruchs unbenommen.
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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