Bundesverfassungsgericht
- 1 BvR 1084/92 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
der Frau O...
2. mittelbar gegen
a) | den Beschluß des
Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Juni 1992 - BVerwG 7 B 122.91 -, |
b) | das Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 11. Juni 1991 - OVG Bf VI 39/90 -, |
c) | das Urteil des
Verwaltungsgerichts Hamburg vom 6. Oktober 1989 - 16 VG 2464/88 -, |
d) | den Bescheid der Freien und
Hansestadt Hamburg vom 7. Januar 1988 - WSW 5310/655.419-V/HH in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 27. Juli 1988 - 60.07-1532/2 |
§ 8 Abs. 2 Satz 1 Nr.
2 der (Hamburgischen) Verordnung über öffentliche Hochwasserschutzanlagen (Deichordnung - DeichO) vom 4. Juli 1978 (GVBl S. 317) in der Fassung der Verordnung vom 13. August 1985 (GVBl S. 209) |
hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den
Vizepräsidenten Papier,
die Richterin Haas
und den Richter Steiner
gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a
BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993
(BGBl I S. 1473)
am 25. März 1998 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
Die Verfassungsbeschwerde erfüllt nicht die Annahmevoraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG in der Fassung des Fünften Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht vom 2. August 1993 (BGBl I S. 1442) - ÄndG -, die gemäß Art. 8 ÄndG auch für dieses Verfahren gelten. Ihr kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt (§ 93 a Abs. 2 BVerfGG).
1. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Diese ist nur gegeben, wenn die Verfassungsbeschwerde eine verfassungsrechtliche Frage aufwirft, die sich nicht ohne weiteres aus dem Grundgesetz beantworten läßt und noch nicht in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung geklärt ist. Bei der Prüfung der Annahme muß bereits absehbar sein, daß sich das Bundesverfassungsgericht bei seiner Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde mit der Grundsatzfrage befassen muß. Kommt es auf sie dagegen nicht entscheidungserheblich an, ist eine Annahme nach § 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG nicht geboten (vgl. BVerfGE 90, 22 <24, 25>). Letzteres ist hier der Fall.
Die von der Verfassungsbeschwerde aufgeworfene Frage, ob § 75 des Hamburgischen Wassergesetzes für § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 DeichO deshalb keine hinreichende Entschädigungsregelung darstelle, weil der Rechtsgedanke des Junktims in Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG auch für Ausgleichsregelungen bei Inhaltsbestimmungen des Eigentums zu gelten habe, wäre nicht zu entscheiden, weil die Rüge der Verfassungswidrigkeit der Entschädigungsregelung unzulässig ist. Ihr steht der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde (§ 90 Abs. 2 BVerfGG) entgegen. Die Beschwerdeführerin hat insoweit den Rechtsweg nicht erschöpft. Denn die von ihr in ihrer Nichtzulassungsbeschwerde - überdies noch sachlich unrichtig - formulierte Rechtsfrage hat das Bundesverwaltungsgericht schon mangels hinreichender Darlegung ihrer Klärungsbedürftigkeit zurückgewiesen und damit die Frage der Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage keiner sachlichen Entscheidung zugeführt. Daß das Bundesverwaltungsgericht insoweit die Vorschrift des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO unzutreffend ausgelegt oder in einem Sinne angewandt hat, daß dies auch unter Berücksichtigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist und sich der Schluß aufdrängt, daß die Entscheidung auf sachfremden Erwägungen beruht (vgl. BVerfGE 70, 93 <97>), hat die Beschwerdeführerin selbst nicht vorgetragen. Es ist auch nichts dafür dargetan, daß das Bundesverwaltungsgericht an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Sache unzumutbar hohe Anforderungen gestellt hätte.
2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der von der Beschwerdeführerin als verletzt bezeichneten Rechte angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführerin nicht in ihren Grundrechten. Sie beruhen insbesondere nicht auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage, soweit sie die Begründung auf § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 DeichO in der Fassung der Verordnung vom 13. August 1985 (GVBl S. 209) stützen.
Die Vorschrift verstößt nicht gegen die Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistete Eigentumsgarantie. § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 DeichO trifft durch die Einschränkung der Nutzungsmöglichkeiten für solche Grundstücksflächen, die an einen Deich angrenzen, eine abstrakt-generelle Regelung der Rechte und Pflichten des Eigentümers und stellt damit eine Inhaltsbestimmung des Grundeigentums dar. Die Vorschrift ist deshalb nicht an Art. 14 Abs. 3 GG, sondern an Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zu messen. Dies haben die Fachgerichte nicht verkannt.
Die Auslegung der Fachgerichte, wonach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 DeichO auch solche Grundstücksbepflanzungen betrifft, die bereits bei Inkrafttreten der Deichordnung vom 4. Juli 1978 bestanden und die bis zu diesem Zeitpunkt nicht untersagt waren, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Einschränkung der aus dem Eigentum fließenden Befugnisse und Rechte stellt nicht ohne weiteres eine Enteignung dar. Verfassungsrechtlich unbedenklich haben die Fachgerichte hier das Vorliegen einer Inhaltsbestimmung des Eigentums angenommen. Dem Gesetzgeber ist es bei der Neuregelung eines Rechtsgebiets nicht ausnahmslos verwehrt, auch in bestehende Rechtspositionen umgestaltend einzugreifen. Die Eigentumsgarantie gebietet nicht, eine einmal ausgestaltete Rechtsposition für alle Zukunft in ihrem Inhalt unangetastet zu lassen (BVerfGE 83, 201 <212>). Das gilt auch dann, wenn eine solche Umgestaltung in den tatsächlichen Bestand des Eigentums eingreift. Allerdings ist der Gesetzgeber, der Eigentumsbeschränkungen statuiert, in seinem Handeln nicht völlig frei. Da diese mit dem öffentlichen Interesse motiviert werden, müssen sie auch von daher legitimiert sein. Beschränkungen sind daher nur zulässig, wenn und soweit das öffentliche Interesse sie unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit rechtfertigt.
Vorliegend kann es keinem Zweifel unterliegen, daß der Schutz vor Überflutungen ein Gemeinwohlinteresse von nachgerade überragender Bedeutung ist. Für die Beurteilung der Frage, welche Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Hochwasser geeignet und erforderlich sind, kommt dem Gesetz- und Verordnungsgeber ein nicht unerheblicher Beurteilungsspielraum zu. Dabei wird er im Rahmen seiner Abwägung die bisherigen Erfahrungen ebenso wie die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu berücksichtigen haben. Daß der Verordnungsgeber hier den ihm zukommenden Einschätzungsspielraum verkannt hätte, ist nicht ersichtlich. Auch die Erwägungen des Berufungsgerichts zur generellen Eignung des Bepflanzungsverbots in § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 DeichO ebenso wie auch zur Verhältnismäßigkeit der Maßnahme auf der Grundlage seiner im konkreten Falle getroffenen tatsächlichen Feststellungen sind von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.
3. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Papier | Haas | Steiner |