BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 1516/93 -
Im Namen des Volkes
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des togoischen Staatsangehörigen
S ...
- Rechtsanwälte Roman Fränkel und Kollegen,
Große Friedberger Straße 16 - 20, Frankfurt am Main; - Rechtsanwalt Rainer M. Hofmann,
Alsenstraße 17, Aachen; - Professor Dr. Bodo Pieroth,
Zumsandestraße 31, Münster; - Rechtsanwalt Helmut Bäcker,
Klingerstraße 24, Frankfurt am Main -
gegen a) | den Beschluß des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Mainvom 21. Juli 1993 - 13 G 20003/93.A (2) -, |
b) | die Verfügung des Grenzschutzamtes Frankfurt am Main vom 4. Juli 1993 - EA3-3227-93-A -, |
c) | den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 4. Juli 1993 - A 1740795-283 - |
sowie - mittelbar -
gegen | § 18a des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Juli 1993 (Bundesgesetzblatt I Seite 1361) |
Beteiligt: Die Bundesregierung, vertreten durch das Bundesministerium des Innern,
hier: | Erinnerungen gegen die Kostenfestsetzung |
hat das Bundesverfassungsgericht - Zweiter Senat - unter Mitwirkung der Richterinnen und Richter
Präsidentin Limbach,
Graßhof,
Kruis,
Kirchhof,
Winter,
Sommer,
Jentsch,
Hassemer
am 22. Juni 1998 einstimmig beschlossen:
Die Erinnerungen werden zurückgewiesen.
Gründe:
I.
1. Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers richtete sich unmittelbar gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 21. Juli 1993 - 13 G 20003/93.A (2) - , durch den die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt worden war, gegen die Verfügung des Grenzschutzamtes Frankfurt am Main vom 4. Juli 1993 - EA3-3277-93-A -, durch die ihm die Einreise ins Bundesgebiet verweigert worden war, und gegen den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 4. Juli 1993 - A 1740795-283 -, durch den sein Asylantrag als "offensichtlich unbegründet" abgelehnt worden war, sowie mittelbar gegen die Regelung des § 18a AsylVfG i.d.F. des Gesetzes zur Änderung asylverfahrens-, ausländer- und staatsangehörigkeitsrechtlicher Vorschriften vom 30. Juni 1993 (BGBl I S. 1062); zugleich wurde zur vorläufigen Sicherung der Rechte des Beschwerdeführers der Erlaß einer einstweiligen Anordnung beantragt.
Die begehrte einstweilige Anordnung erging durch Beschluß vom 27. Juli 1993 (BVerfGE 89, 106).
Durch Beschluß vom 20. November 1995 wurde dem Beschwerdeführer mit Wirkung vom 31. Oktober 1995 Prozeßkostenhilfe ohne Festsetzung von Ratenzahlungen bewilligt und Rechtsanwalt Roman Fränkel zur Wahrung seiner Rechte beigeordnet.
Im Urteil vom 14. Mai 1996 (BVerfGE 94, 166 ff.) hat der Zweite Senat aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21., 22. und 23. November sowie 5. Dezember 1995 u.a. entschieden, daß das Land Hessen dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerde-Verfahren zur Hälfte und für das Verfahren betreffend den Erlaß einer einstweiligen Anordnung voll zu erstatten hat.
a) Während der Beschwerdeführer im Verfahren betreffend den Erlaß einer einstweiligen Anordnung allein von den Rechtsanwälten Roman Fränkel und Kollegen vertreten worden ist, haben sich für ihn im Verfassungsbeschwerde-Verfahren nach der Ladung zur mündlichen Verhandlung außerdem noch am 14. November 1995 Rechtsanwalt Rainer M. Hofmann, am 15. November 1995 Professor Dr. Bodo Pieroth und am 17. November 1995 Rechtsanwalt Helmut Bäcker als weitere Bevollmächtigte bestellt.
aa) Gestützt auf die Kostengrundentscheidung im Urteil vom 14. Mai 1996 haben die Rechtsanwälte Roman Fränkel und Kollegen, Rechtsanwalt Rainer M. Hofmann und Rechtsanwalt Helmut Bäcker Kostenfestsetzung und -ausgleich unter Ausspruch der Verzinsung der festgesetzten Kosten beantragt.
bb) Den Anträgen hat die Rechtspflegerin durch Kostenfestsetzungsbeschluß vom 4. März 1998 nur teilweise entsprochen: Als im Verfassungsbeschwerde-Verfahren erstattungsfähig sind die Kosten von zwei Rechtsanwälten angesehen worden; abgesetzt worden sind u.a. die geltend gemachten Kosten für die "gutachterliche Mitwirkung" von Rechtsanwalt Marco Bruns auch im Verfahren betreffend den Erlaß einer einstweiligen Anordnung sowie die Kosten der "gutachterlichen Begleitung und Anwesenheit am 5. Dezember 1995" von Rechtsanwältin Antje Becker.
b) Die an den beigeordneten Rechtsanwalt Roman Fränkel zu vergütende Prozeßkostenhilfe ist von der Rechtspflegerin durch Beschluß vom 1. April 1998 festgesetzt worden. An den geltend gemachten Kosten sind - entsprechend der Kostenfestsetzung im Verfassungsbeschwerde-Verfahren - Absetzungen vorgenommen worden.
2. Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluß vom 4. März 1998 haben sowohl die bevollmächtigten Rechtsanwälte als auch das erstattungspflichtige Land Hessen Erinnerungen eingelegt; gegen den Kostenfestsetzungsbeschluß vom 1. April 1998 hat der beigeordnete Rechtsanwalt Roman Fränkel gleichfalls Erinnerung eingelegt.
a) Die bevollmächtigten Rechtsanwälte wenden im wesentlichen ein, als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig seien die Kosten dreier Rechtsanwälte anzusehen. Rechtsanwalt Roman Fränkel macht darüber hinaus geltend, die Hinzuziehung des Rechtsanwalts Marco Bruns und der Rechtsanwältin Antje Becker sei erforderlich gewesen.
Das Land Hessen macht im wesentlichen geltend, die Kosten des Rechtsanwalts Rainer M. Hofmann seien nicht erstattungsfähig; die Vertretung des Beschwerdeführers durch mehr als einen Rechtsanwalt sei nicht als "notwendig" anzusehen.
b) Gegen die Festsetzung der Vergütung für den mit der Bewilligung von Prozeßkostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt Roman Fränkel hat dieser dieselben Einwendungen erhoben wie gegen die Festsetzung des Erstattungsanspruchs des Beschwerdeführers gegen das Land Hessen.
Dem Vertreter der Staatskasse ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.
3. Auf die Erinnerung der Rechtsanwälte Roman Fränkel und Kollegen vom 6. März 1998 hin hat die Rechtspflegerin durch Kostenfestsetzungsbeschluß vom 2. April 1998 als weitere, vom Land Hessen an den Beschwerdeführer zu erstattende Kosten die Auslagen des als Sachverständigen gehörten Dr. Grässner sowie Umsatzsteuer festgesetzt. Darüber hinaus hat sie den Erinnerungen nicht abgeholfen.
II.
Die Erinnerungen, über die entsprechend § 11 Abs. 2 Satz 2 RPflG der Senat zu entscheiden hat, sind statthaft, haben in der Sache jedoch keinen Erfolg.
1. Das Gesetz über das Bundesverfassungsgericht definiert nicht, was unter "notwendigen Auslagen" im Sinne von § 34a Abs. 2 BVerfGG zu verstehen ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts fallen darunter im allgemeinen diejenigen Auslagen, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht entstanden sind; die Erstattungsfähigkeit einer geltend gemachten Auslage hängt maßgeblich davon ab, ob sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung "notwendig" war. Diese Frage kann nicht im Wege eines schematischen Rückgriffs auf § 91 ZPO entschieden werden; vielmehr sind auch die Besonderheiten des verfassungsgerichtlichen Verfahrens zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 46, 321 <323>; 87, 270 <272>).
2. a) Danach sind dem Beschwerdeführer vom Land Hessen keine weitergehenden, aber auch keine geringeren Kosten als die in den Beschlüssen der Rechtspflegerin bereits festgesetzten zu erstatten. Die Kosten des Rechtsanwalts Helmut Bäcker, der sich als dritter anwaltlicher Bevollmächtigter bestellt hat, sind daher nicht erstattungsfähig.
aa) Die Mandatierung von zwei Rechtsanwälten war erforderlich, aber auch ausreichend.
(1) Das Verfahren der Verfassungsbeschwerde erschöpft sich nicht im individuellen Rechtsschutz - zu dessen Verwirklichung erscheint die Mandatierung eines Rechtsanwalts regelmäßig ausreichend -, sondern hat daneben die Aufgabe, das objektive Verfassungsrecht zu wahren sowie seiner Auslegung und Fortbildung zu dienen (vgl. BVerfGE 79, 365 <367>). Wenn in einem Verfassungsbeschwerde-Verfahren mit einem umfangreichen und besonders schwierigen Verfahrensgegenstand eine mündliche Verhandlung stattfindet, zu der die dem Beschwerdeführer gegenüberstehenden Verfahrensbeteiligten für spezielle Rechtsgebiete besondere Kenner aufbieten, kann es unter dem Gesichtspunkt der "Waffengleichheit" erforderlich sein, die Mandatierung mehrerer Rechtsanwälte für notwendig zu halten (vgl. BVerfGE 46, 321 <324>). So liegt es hier.
(2) Gegenstand des Verfassungsbeschwerde-Verfahrens war insbesondere das sog. "Flughafenverfahren" des § 18a AsylVfG als Teil des politisch heftig umstrittenen und in der Öffentlichkeit besonders lebhaft und kontrovers diskutierten "Asylkompromisses" vom 6. Dezember 1992. Dabei handelte es sich um ein objektiv derart bedeutsames Verfahren, daß die Vertretung durch nur einen Rechtsanwalt nicht als ausreichend angesehen werden kann. Bestätigung findet dies u.a. darin, daß die Bundesregierung dem Verfahren beigetreten (§ 94 Abs. 5 Satz 1 BVerfGG) und daß zur mündlichen Verhandlung von vornherein auf erforderlichenfalls zwei Verhandlungstage geladen worden ist. Für die Frage der Notwendigkeit einer Vertretung durch zwei Rechtsanwälte ist nicht darauf abzustellen, in welchem Umfang ein bestimmter Bevollmächtigter später im einzelnen tätig geworden ist (eine derartige, auf den bloßen Umfang anwaltlicher Tätigkeit gerichtete Betrachtungsweise widerspräche übrigens auch dem anwaltlichen Gebührenrecht), sondern ob nach einer Gesamtbetrachtung des Verfahrensgegenstandes die Mandatierung von mehr als einem Bevollmächtigten als notwendig anzusehen ist. Dies ist aus den bereits genannten Gründen zu bejahen.
(3) Allerdings ist nicht ersichtlich, daß eine Vertretung durch mehr als zwei Rechtsanwälte erforderlich gewesen wäre. Eine rein quantitative Betrachtung - etwa unter Hinweis darauf, daß auf Seiten der dem Verfahren beigetretenen Bundesregierung in der mündlichen Verhandlung mit dem Bevollmächtigten Professor Dr. Hailbronner jeweils mehr als 40 Beamte in leitender Funktion vertreten gewesen seien, deren präsentes Wissen habe abgefragt werden können und auch abgefragt worden sei - ist nicht angebracht. Den Bevollmächtigten des Beschwerdeführers wäre es ebenfalls möglich gewesen, ihrerseits weitere fachkundige Personen zuzuziehen. Dafür, warum neben zwei Rechtsanwälten, die die Vertretung der Interessen des Beschwerdeführers arbeitsteilig wahrnehmen konnten, noch ein dritter Rechtsanwalt erforderlich gewesen sei, ist bei Anlegung des gebotenen objektivierten Maßstabs weder den Erinnerungen noch sonstigen Umständen etwas zu entnehmen.
bb) Auch soweit Rechtsanwalt Roman Fränkel für bestimmte Einzeltätigkeiten die Kosten weiterer Rechtsanwälte angesetzt hat, ist deren Notwendigkeit zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht ersichtlich. Insoweit besteht kein Anlaß, vom Grundsatz des § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO - wonach die Kosten mehrerer Rechtsanwälte nur insoweit zu erstatten sind, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten mußte - abzuweichen.
Welche Tätigkeiten Rechtsanwalt Marco Bruns im Verfahren betreffend den Erlaß einer einstweiligen Anordnung sowie im Verfassungsbeschwerde-Verfahren "gutachterlich" entfaltet hat, wird im übrigen weder näher aufgezeigt noch ist dies sonst erkennbar. In bezug auf die Kosten der Rechtsanwältin Antje Becker für die "gutachterliche Begleitung" am 5. Dezember 1995 ist jedenfalls nicht ersichtlich, warum eine Vertretung des Rechtsanwalts Roman Fränkel nicht sozietätsintern oder durch den zweiten Bevollmächtigten, Rechtsanwalt Rainer M. Hofmann, möglich gewesen wäre.
b) Soweit Rechtsanwalt Roman Fränkel als beigeordneter Rechtsanwalt gegen die Festsetzung der ihm zu vergütenden Prozeßkostenhilfe Erinnerung eingelegt hat, hat sie aus den oben unter II. 2. a) genannten Gründen keinen Erfolg.
Limbach | Graßhof | Kruis |
Kirchhof | Winter | Sommer |
Jentsch | Hassemer |