Bundesverfassungsgericht
- 1 BvR 1210/90 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn N...
gegen | das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 31. August 1990 - 11 U 38/89 - |
hat die 1. Kammer des Ersten Senats des
Bundesverfassungs-
gerichts durch den
Vizepräsidenten Papier
und die Richter Grimm,
Hömig
gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 6. Juli 1998 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) nicht vorliegen. Diese sind gemäß Artikel 8 des Fünften Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht vom 2. August 1993 (BGBl I S. 1442) auch auf vorher anhängig gewordene Verfahren anzuwenden.
1. Der Verfassungsbeschwerde kommt grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung nicht zu (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Die verfassungsrechtlichen Fragen zum Willkürverbot, zum Recht auf Gehör und zur Eigentumsgarantie, auf die es für die Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde ankommt, sind in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt (vgl. zu diesem Kriterium: BVerfGE 90, 22 <24 f.>).
2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der als verletzt bezeichneten Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).
a) Die behauptete Verletzung von Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 1 GG hat jedenfalls kein besonderes Gewicht. Besonders gewichtig ist eine Grundrechtsverletzung, die auf eine generelle Vernachlässigung von Grundrechten hindeutet oder wegen ihrer Wirkung geeignet ist, von der Ausübung von Grundrechten abzuhalten. Eine geltend gemachte Verletzung hat ferner dann besonderes Gewicht, wenn sie auf einer groben Verkennung des durch ein Grundrecht gewährten Schutzes oder einem geradezu leichtfertigen Umgang mit grundrechtlich geschützten Positionen beruht oder rechtsstaatliche Grundsätze kraß verletzt (BVerfGE 90, 22 <25>). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers sind die Urteile des Oberverwaltungsgerichts und des Oberlandesgerichts nicht widersprüchlich. Das Oberverwaltungsgericht hat die Voraussetzungen einer Entschädigung nach § 26 der seinerzeit geltenden 1. Wasserverbandverordnung (WVVO) gerade ausgeschlossen, weil die Errichtung des neuen Deichs nicht erforderlich und damit rechtswidrig gewesen sei. Dieser Beurteilung ist das Oberlandesgericht gefolgt. Es hat auch nicht etwa das Vorliegen der Voraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch nach den Grundsätzen des enteignungsgleichen Eingriffs verneint, sondern diesen - möglichen - Anspruch für ausgeschlossen gehalten, weil der Beschwerdeführer entweder der Maßnahme zugestimmt oder jedenfalls den ihm zumutbaren Primärrechtsschutz nicht in Anspruch genommen habe.
Die Vorgehensweise des Oberlandesgerichts, dem Beschwerdeführer anläßlich eines Eingriffs in das Eigentum im Jahre 1970 eine Pflicht zur Inanspruchnahme von Primärrechtsschutz aufzuerlegen, die in dieser Klarheit von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung erst im Gefolge des Naßauskiesungsbeschlusses vom 15. Juli 1981 (BVerfGE 58, 300) entwickelt worden ist (Bundesgerichtshof, Urteil vom 26. Januar 1984 - III ZR 216/82 -, BGHZ 90, 17), ist allerdings nicht unbedenklich. Andererseits ist zu berücksichtigen, daß eine Pflicht des Geschädigten, die Schadensentstehung zu verhindern und den eingetretenen Schaden zu beseitigen oder zu mindern, bereits damals vom Bundesgerichtshof unter dem Gesichtspunkt eines Verschuldens in eigener Angelegenheit aus § 254 BGB abgeleitet worden war (vgl. Urteil vom 31. März 1960 - III ZR 37/59 - BGHZ 33, 136 <142 f.>). Daß dem Eigentümer gegen übermäßige Beschränkungen seines Eigentums durch den Wasser- oder Bodenverband der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten offenstand, war im übrigen in der Literatur zum Wasserverbandsrecht bereits früh angenommen worden (s. Dornheim, Das Recht der Wasser- und Bodenverbände, 1961, S. 54).
Ob in der Anwendung der zum Vorrang des Primärrechtsschutzes entwickelten Grundsätze auf einen Fall aus dem Jahre 1970 ein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG liegt, kann jedoch offenbleiben, weil der behauptete Verstoß keinesfalls die Qualität einer objektiv besonders gewichtigen Grundrechtsverletzung im Sinn des Annahmekriteriums in § 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG erlangte.
b) Angesichts der insgesamt für die Jahre bis 1985 geltend gemachten Klageforderung kann auch ein besonders schwerer Nachteil für den Beschwerdeführer durch die Nichtannahme (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG) ausgeschlossen werden.
Von einer weiteren Begründung wird im Hinblick auf § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Papier | Grimm | Hömig |