Leitsätze zum Beschluss des Ersten Senats vom 27. November 2024
- 1 BvR 1726/23 -
Tübinger Verpackungssteuer
1. a) Die Örtlichkeit einer nicht direkt an den Verbrauch, sondern indirekt an den Verkauf von Waren anknüpfenden Verbrauchsteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG ist nur gegeben, wenn der Steuertatbestand den typischen Fall des Verbrauchs der verkauften Ware innerhalb des Gemeindegebiets realitätsgerecht erfasst.
b) Dem genügt jedenfalls eine tatbestandliche Anknüpfung der Steuerpflicht an den Verkauf von Waren „zum Verbrauch an Ort und Stelle“.
c) Die Örtlichkeit kann aber auch bei Waren gegeben sein, die nicht „zum Verbrauch an Ort und Stelle“ des Verkaufs bestimmt sind, wenn der Verbrauch typischerweise im Gemeindegebiet erfolgt. Hierfür kann insbesondere die Beschaffenheit der Ware sprechen und sind die weiteren Gegebenheiten zu berücksichtigen wie etwa die Versorgungsstruktur oder die Größe der Gemeinde. Eine darauf bezogene Steuerpflicht setzt voraus, dass im Steuertatbestand diejenigen Waren benannt oder aufgrund konkreter Kriterien bestimmbar sind, die im Anschluss an den Verkauf typischerweise noch innerhalb der Grenzen der jeweiligen Gemeinde verbraucht werden; dem Normgeber kommt hierbei ein Einschätzungsspielraum zu.
2. Art. 12 Abs. 1 GG ist verletzt, wenn eine Steuer mit berufsregelnder Tendenz es den betroffenen Unternehmen in aller Regel unmöglich macht, den gewählten Beruf ganz oder teilweise zur Grundlage ihrer Lebensführung oder unternehmerischen Erwerbstätigkeit zu machen. Maßgeblich ist, ob ein durchschnittlich ertragsstarkes, dem jeweiligen Berufszweig oder einer in spezifischer Weise betroffenen Gruppe desselben zugehöriges Unternehmen nach Abzug der notwendigen Aufwendungen wegen der Steuer keinen angemessenen Gewinn erzielen kann.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 1726/23 -
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
der (…),
- Bevollmächtigter: (…) -
1. unmittelbar gegen
das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
vom 24. Mai 2023 - BVerwG 9 CN 1.22 -,
2. mittelbar gegen
die Satzung der Universitätsstadt Tübingen über die Erhebung einer Verpackungssteuer (Verpackungssteuersatzung) vom 30. Januar 2020, geändert durch Satzung der Universitätsstadt Tübingen zur Änderung der Satzung über die Erhebung einer Verpackungssteuer vom 27. Juli 2020
hat das Bundesverfassungsgericht – Erster Senat –
unter Mitwirkung der Richterinnen und Richter
Präsident Harbarth,
Ott,
Christ,
Radtke,
Härtel,
Wolff,
Eifert,
Meßling
am 27. November 2024 beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e :
A.
1
Die Beschwerdeführerin, die als Franchise-Nehmerin ein (…) Schnellrestaurant im Gebiet der Universitätsstadt Tübingen führte, wendet sich gegen die Besteuerung des Verbrauchs der von ihr beim Verkauf von Speisen und Getränken verwendeten Einwegartikel auf der Grundlage der Satzung der Universitätsstadt Tübingen über die Erhebung einer Verpackungssteuer (Verpackungssteuersatzung - im Folgenden: „VStS“) vom 30. Januar 2020, deren Inkrafttreten nach der Änderung der Satzung vom 27. Juli 2020 vom 1. Januar 2021 auf den 1. Januar 2022 verschoben wurde. Ziel der Satzung ist es, Einnahmen zum städtischen Haushalt zu generieren, die Vermüllung im Stadtgebiet durch im öffentlichen Raum entsorgte „To-go“-Verpackungen zu verringern und einen Anreiz zur Verwendung von Mehrwegsystemen zu setzen. Die Beschwerdeführerin hat das Restaurant nach Ablauf ihres Franchisevertrages im Frühjahr 2024 veräußert.
I.
2
Die hier relevanten Satzungsregelungen lauten wie folgt:
§ 1 Steuererhebung, Steuergegenstand
(1) Die Universitätsstadt Tübingen erhebt nach Maßgabe der folgenden Vorschriften auf nicht wiederverwendbare Verpackungen (Einwegverpackungen) und nicht wiederverwendbares Geschirr (Einweggeschirr) sowie auf nicht wiederverwendbares Besteck (Einwegbesteck) eine Steuer, sofern Speisen und Getränke darin bzw. damit für den unmittelbaren Verzehr an Ort und Stelle oder als mitnehmbares take-away-Gericht oder -Getränk verkauft werden (z.B. warme Speisen und Getränke, Eis von der Eisdiele, Salat mit Soße und Besteck, Getränke
„to go“).
(2) Nicht wiederverwendbar im Sinne von Abs. 1 sind insbesondere Einwegverpackungen (wie z.B. Einwegdosen, -flaschen, -becher und sonstige Einwegbehältnisse), Einweggeschirr (Essgeschirr ohne Essbesteck) und Einwegbesteck (wie z.B. Messer, Gabel, Löffel), die keiner Pfandpflicht unterliegen. Einwegverpackungen, -geschirr und -besteck sind dazu bestimmt, nur einmal oder nur kurzzeitig für den unmittelbaren Verzehr von Speisen und Getränken verwendet zu werden (wie z.B. Fast-Food-Verpackungen oder Boxen für Mahlzeiten, Sandwiches, Salat oder sonstige Lebensmittel oder Getränkebehälter).
§ 2 Steuerschuldner
Zur Entrichtung der Steuer ist der/die Endverkäufer/in von Speisen und Getränken nach § 1 verpflichtet.
§ 3 Steuerbefreiung
Von der Verpackungssteuer sind die Steuergegenstände befreit, die
1. vom Steuerschuldner vollständig am Ort der Abgabe zurückgenommen und einer stofflichen Verwertung außerhalb der öffentlichen Abfallentsorgung zugeführt werden. Die Rücknahme und stoffliche Verwertung sind von dem/der Steuerpflichtigen auf Verlangen nachzuweisen;
2. im Rahmen von Märkten, Festen und sonstigen zeitlich befristeten Veranstaltungen verwendet werden, sofern der/die Endverkäufer/in insgesamt an nicht mehr als zehn Tagen im Jahr Speisen und Getränke im Rahmen solcher Veranstaltungen im Satzungsgebiet verkauft.
§ 4 Steuersatz und Bemessungsgrundlage
(1) Die Steuer beträgt für
1. jede(n) Einwegdose, -flasche, -becher und sonstige Einweggetränkeverpackung 0,50 €
2. jedes Einweggeschirrteil und jede sonstige Einweglebensmittelverpackung 0,50 €
3. jedes Einwegbesteck (-set) 0,20 €
(2) Der Steuersatz pro Einzelmahlzeit wird auf maximal 1,50 Euro begrenzt.
§ 5 Entstehung, Festsetzung und Fälligkeit
(1) Die Steuerschuld entsteht im Zeitpunkt des Verkaufs von Speisen und Getränken nach § 1.
(2) Besteuerungszeitraum ist das Kalenderjahr.
(3) Der/die Steuerpflichtige hat bis zum 15. Tage nach Ablauf des Besteuerungszeitraums der Stadtverwaltung eine Steuererklärung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck einzureichen.
(4) Die Stadtverwaltung kann die Steuerschuld schätzen und aufgrund der Schätzung einen Steuerbescheid erteilen, wenn der/die Steuerpflichtige die ihm/ihr obliegenden Pflichten nicht, nicht rechtzeitig, unrichtig oder unvollständig erfüllt.
(5) Die Steuer wird durch Steuerbescheid festgesetzt und ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Steuerbescheids zur Zahlung fällig.
§ 6 Vorauszahlung
(…)
§ 7 Aufbewahrungs- und Aufzeichnungspflichten
(1) Der/die Steuerpflichtige hat Aufzeichnungen, Belege und Schriftstücke über Warenbezug und Warenverkauf von Speisen und Getränken nach § 1 zur Einsicht bereitzuhalten.
(2) Sofern die Aufzeichnungen, Belege und Schriftstücke die Art und Zahl der der Besteuerung nach dieser Satzung unterliegenden Steuergegenstände nach § 1 nicht ausweisen, hat der/die Steuerpflichtige sie durch entsprechende Hinweise zu ergänzen.
§ 8 Steueraufsicht und Prüfungsvorschriften
Die Stadtverwaltung ist berechtigt, jederzeit zur Nachprüfung der Steuererklärungen und zur Feststellung von Steuertatbeständen nach dieser Satzung die Geschäftsräume des Steuerschuldners/der Steuerschuldnerin zu betreten und Geschäftsunterlagen einzusehen sowie Kopien davon anzufordern.
§ 9 Inkrafttreten
(…)
II.
3
1. Auf den Normenkontrollantrag (§ 47 VwGO) der Beschwerdeführerin hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg die Verpackungssteuersatzung mit Urteil vom 29. März 2022 - 2 S 3814/20 - für unwirksam erklärt. Soweit die Steuer nach § 1 Abs. 1 Alt. 2 VStS auf die für den Verkauf von Speisen und Getränken „als mitnehmbares take-away-Gericht oder -Getränk“ verwendeten Einwegartikel erhoben werde, fehle es an der „Örtlichkeit“ des Verbrauchs dieser Artikel im Sinne des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG und damit an der Gesetzgebungskompetenz für eine Verbrauchsteuer. Bei einem Verkauf „zum Mitnehmen“ könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Verzehr der Speisen und Getränke und der damit verbundene Verbrauch der Einwegartikel innerhalb des Gemeindegebietes erfolge. Dies habe die Gesamtunwirksamkeit der Satzung zur Folge, so dass es auch an einer Grundlage für die Steuerpflicht auf den Verkauf von Speisen und Getränken „für den unmittelbaren Verzehr an Ort und Stelle“ nach § 1 Abs. 1 Alt. 1 VStS fehle. Im Übrigen verletze die Verpackungssteuer den Grundsatz der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung, weil die abschließende bundesrechtliche Regelung des Abfallrechts keinen Raum für die bezweckten Lenkungswirkungen lasse.
4
2. Mit Urteil vom 24. Mai 2023 - BVerwG 9 CN 1.22 - hat das Bundesverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs abgeändert. Es hat § 4 Abs. 2 VStS wegen Verletzung des Bestimmtheitsgrundsatzes und § 8 VStS wegen Verletzung von Art. 13 Abs. 1 GG (fehlende Beschränkung des Betretungsrechts auf die üblichen Betriebs- und Geschäftszeiten) für unwirksam erklärt; im Übrigen hat es den Normenkontrollantrag abgelehnt. Die normative Gestaltung des Steuertatbestands gewährleiste bei sachgerechtem Verständnis den verfassungsrechtlich geforderten örtlichen Bezug des Verbrauchs auch insoweit, als die Steuerpflicht an den Verkauf von Speisen und Getränken „als mitnehmbares take-away-Gericht oder -Getränk“ anknüpfe (vgl. BVerwGE 179, 1 <5 ff. Rn. 18 ff.>). Den in der Satzung aufgeführten Produkten sei gemeinsam, dass sie zum sofortigen Verbrauch bestimmt seien, weil sich ihre Beschaffenheit (Temperatur, Konsistenz oder Frische) bei längerem Transport nachteilig verändere. Wegen der geringen Haltbarkeit der exemplarisch aufgeführten Speisen und Getränke finde in aller Regel auch der Verbrauch der zugehörigen Einwegartikel innerhalb kurzer Zeit in räumlicher Nähe zum Verkaufsort und damit noch im Gemeindegebiet statt. Die tatbestandliche Bezeichnung als „mitnehmbares take-away-Gericht oder -Getränk“ könne verfassungskonform dahin ausgelegt werden, dass sie außer dem Verkauf von zum sofortigen Verzehr bestimmten Speisen und Getränken nicht auch den Verkauf solcher Produkte in fest verschlossenen oder fabrikmäßig abgepackten Behältnissen erfasse, wie sie bei typischen Supermarkt- und Automatenprodukten verwendet würden. Dies entspreche dem Willen des Satzungsgebers, der mit der Verpackungssteuer gerade der zunehmenden Vermüllung im Stadtgebiet habe begegnen wollen. Erfasst werde das Einwegzubehör (daher) nur für solche Speisen und Getränke, die typischerweise entweder schon in beziehungsweise an der Verkaufsstelle oder – als „take-away“ – zumindest in einem näheren räumlichen Umkreis verzehrt würden. In beiden Fällen erfolge der Konsum zeitnah und damit regelmäßig ortsnah innerhalb des Gemeindegebiets. Dass auch zum unmittelbaren Verzehr bestimmte Speisen und Getränke im Einzelfall über längere Strecken mitgenommen und außerhalb der Gemeindegrenze verzehrt werden könnten, sei bei der gebotenen typisierenden Betrachtung unschädlich. Gleiches gelte mit Blick auf den Einwand der Beschwerdeführerin, wegen der Ortsrandlage ihres Restaurants würden insbesondere im Bereich des „Drive-In“ verkaufte Waren vielfach außerhalb des Gemeindegebiets verbraucht. Bei einem solchen Schalterverkauf an Autofahrer handele es sich um eine nicht allgemein übliche Verbrauchsform, die die Örtlichkeit der Verbrauchsteuer nicht in Frage stelle.
5
Die von der Verpackungssteuer bezweckte Lenkungswirkung stehe auch nicht in Widerspruch zum Abfallrecht des Bundes (vgl. BVerwGE 179, 1 <8 ff. Rn. 24 ff.>); das Bundesrecht habe sich insoweit entscheidungserheblich gegenüber den bundesrechtlichen Regelungen geändert, die der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Widersprüchlichkeit der mit der Kasseler Verpackungssteuer bezweckten Lenkungswirkungen zugrunde gelegen hätten (vgl. BVerfGE 98, 106 <126 ff.>). Bezogen auf das hier maßgebliche Bundesrecht werde mit dem Ziel einer Verringerung des im Stadtgebiet anfallenden Verpackungsabfalls nicht nur kein widersprechendes, sondern vielmehr dasselbe Ziel verfolgt. Ein solches „Draufsatteln“ bei der Verfolgung des gemeinsamen Ziels der Abfallvermeidung durch eine Lenkungsteuer berühre nicht den Grundsatz der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung. Die Lenkungszwecke der Tübinger Verpackungssteuer stünden aus heutiger Sicht auch nicht in Widerspruch zu einem bundesrechtlichen Prinzip der Kooperation der betroffenen Kreise bei der Abfallvermeidung. Denn neben kooperativen Ansätzen enthalte das Abfallrecht des Bundes zugleich ordnungsrechtliche Instrumente. Es gebe auch keine konkreten abfallrechtlichen Einzelregelungen, die der bezweckten Lenkungswirkung entgegenstünden.
6
Die Verpackungssteuer sei mit der von Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsausübungsfreiheit der Endverkäufer vereinbar. An ihrer Verhältnismäßigkeit bestünden angesichts der Möglichkeiten zur Abwälzung der Steuerlast auf die Kunden, zur Substitution der Einwegmaterialien durch Mehrwegverpackungen und zur Umstrukturierung der Betriebe keine Zweifel. Anhaltspunkte für eine erdrosselnde Wirkung der Steuer in Bezug auf durchschnittlich ertragsstarke Betriebe im Gemeindegebiet seien weder substantiiert dargelegt noch sonst ersichtlich (vgl. BVerwGE 179, 1 <20 f. Rn. 56>).
7
3. Die Beschwerdeführerin hat gegen die ihr zugegangenen Steuerbescheide jeweils Widerspruch eingelegt; die Widerspruchsverfahren werden nach Absprache mit der Universitätsstadt Tübingen bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht weiter betrieben.
III.
8
Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung der Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG, hilfsweise der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG, sowie eine Verletzung ihres Grundrechts aus Art. 3 Abs. 1 GG, soweit das Bundesverwaltungsgericht den Normenkontrollantrag abgelehnt hat.
9
1. a) Ihre Berufsfreiheit sei verletzt, weil die Verpackungssteuersatzung nicht durch eine Sachgesetzgebungskompetenz gedeckt sei. Einer solchen Kompetenz bedürfe es hier. Denn die Verpackungssteuer wirke faktisch wie ein Verbot der Verwendung von Einwegartikeln. Eine Abwälzung auf die Kunden durch entsprechende Preissteigerungen sei im niedrigpreisigen Speisen- und Getränkesegment nicht möglich. Dies habe zur Folge, dass der Restaurantbetrieb in der Regel keinen Gewinn mehr abwerfe.
10
Jedenfalls fehle es an einer Steuergesetzgebungskompetenz. Die Verpackungssteuer sei in wesentlichen Teilbereichen der im Einwegkunststofffondsgesetz vom 11. Mai 2023 bundesgesetzlich geregelten Abgabe „gleichartig“, was nach Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG die Erhebung einer örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuer ausschließe. Bezogen auf die Erhebung einer Verpackungssteuer nach § 1 Abs. 1 Alt. 2 VStS auf Einwegartikel, die zum Verkauf von mitnehmbaren Speisen und Getränken verwendet würden, liege zudem auch mangels „Örtlichkeit“ des Verbrauchs keine Gesetzgebungskompetenz nach Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG vor. Dieser Ortsbezug müsse nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Steuertatbestand normativ gesichert sein. Eine solche tatbestandliche Sicherung der Örtlichkeit des Verbrauchs werde verfehlt, wenn die Steuerpflicht wie hier nur an die natürliche Beschaffenheit der verkauften Ware anknüpfe. Die Kompetenzwidrigkeit des § 1 Abs. 1 Alt. 2 VStS führe zur Gesamtnichtigkeit der Satzung, da die übrigen Teile keine relevante selbständige Bedeutung besäßen.
11
b) Überdies sei die Verpackungssteuer auch deshalb nicht mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, weil sie nach wie vor gegen den Grundsatz der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung verstoße. Der Bundesgesetzgeber habe mit dem Kreislaufwirtschaftsgesetz und dem Verpackungsgesetz ein sehr differenziertes, weitgespanntes und ausgewogenes abfallrechtliches Regelungssystem geschaffen, mit dem „kommunale Insellösungen“ wie die mit der Verpackungssteuersatzung der Universitätsstadt Tübingen bezweckte Verminderung des Anfalls von Einwegmaterial durch steuerliche Lenkungswirkungen nicht in Einklang gebracht werden könnten. Zudem widersprächen diese Lenkungswirkungen Einzelbestimmungen des Abfallwirtschaftsrechts.
12
c) Der Eingriff in die nach Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit sei unzumutbar, weil eine Abwälzung der Steuerlasten gerade im Speisen- und Getränkesegment mit Niedrigpreisen nicht möglich sei.
13
d) Mit nachgereichtem Schriftsatz vom 4. September 2024 macht die Beschwerdeführerin unter anderem geltend, die landesgesetzliche Ermächtigung der Gemeinden zur Erhebung von örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern nach § 9 Abs. 4 Kommunalabgabengesetz Baden-Württemberg (KAG BW) verstoße jedenfalls hinsichtlich solcher kommunaler Steuern gegen den Vorbehalt des Gesetzes und das Bestimmtheitsgebot aus Art. 20 Abs. 3 GG, die – wie hier – auf eine mit erheblichen Grundrechtseingriffen verbundene Verhaltenssteuerung zielten. Für diese Fälle müssten bereits in der gesetzlichen Ermächtigung das Lenkungsziel und die Grenzen der Belastung der Steuerpflichtigen vorgegeben werden.
14
2. Darüber hinaus rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG. Die von ihr verwendeten Verpackungen seien besonders ressourcenschonend konzipiert. Es sei daher mit Blick auf den Zweck der Verpackungssteuer, den anfallenden Verpackungsmüll zu vermindern, gleichheitswidrig, dass sie wegen der Bemessung der Steuer nach der Stückzahl der Einwegartikel den gleichen Betrag zahlen müsse wie ein Steuerschuldner, der bei gleicher Anzahl an ausgegebenen Verpackungen deutlich mehr Müll produziere.
IV.
15
Zu der Verfassungsbeschwerde hat die Universitätsstadt Tübingen Stellung genommen. Die Örtlichkeit der Verpackungssteuer sei schon deshalb gegeben, weil Einwegverpackungen – anders als Mehrwegverpackungen – ihre Funktionalität als Verkaufsverpackungen bereits mit der Übergabe der Speisen und Getränke an die Kunden und damit stets innerhalb des Gemeindegebiets endgültig einbüßten. Das Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung sei nicht berührt. Die Universitätsstadt Tübingen verfolge mit der Verpackungssteuer auf lokaler Ebene dasselbe Ziel wie der Bundesgesetzgeber, nämlich die Menge des anfallenden Verpackungsabfalls zu verringern. Auch stünden der Verpackungssteuer keine abfallrechtlichen Einzelfallregelungen entgegen.
B.
16
Mit der Verfassungsbeschwerde ist eine Verletzung der durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit zulässig gerügt.
I.
17
1. Die Beschwerdebefugnis setzt die Behauptung voraus, durch die angegriffene Maßnahme der öffentlichen Gewalt in einem nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG und § 90 Abs. 1 BVerfGG beschwerdefähigen Grundrecht oder grundrechtsgleichen Recht selbst, gegenwärtig und unmittelbar verletzt zu sein. Es muss nach § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG hinreichend substantiiert dargelegt werden, dass eine solche Verletzung möglich erscheint (vgl. BVerfGE 89, 155 <171>; 123, 267 <329>).
18
2. a) Diese Voraussetzungen liegen hinsichtlich der Rüge einer Verletzung des Art. 12 Abs. 1 GG vor. Insoweit zeigt die Verfassungsbeschwerde die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung durch das angegriffene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts hinreichend substantiiert auf, soweit es über die Abgabenerhebung einschließlich der damit verbundenen administrativen Lasten entschieden hat.
19
b) Das gilt jedoch nicht hinsichtlich der weiteren Rüge, das Urteil verletze Art. 3 Abs. 1 GG. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin ist die Steuerbemessung nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, weil bei Berücksichtigung der Lenkungsziele der Steuer wesentlich Ungleiches gleich behandelt werde. Diejenigen Endverkäufer, die wie sie ressourcenschonende Verpackungen mit möglichst kleinem Volumen und geringem Gewicht verwendeten, müssten bei gleicher Stückzahl den gleichen Steuerbetrag wie Endverkäufer zahlen, die nicht auf einen sparsamen Umgang mit Einwegmaterial bedacht seien. Verfassungsrechtlich geboten sei daher eine Bemessung der Steuer nach Gewicht oder Volumen des Einwegmaterials.
20
Damit ist die Möglichkeit einer Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG nicht hinreichend substantiiert dargetan. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entspricht eine Bemessung der Steuer nach den verbrauchten Verpackungseinheiten dem Wesen der Verbrauchsteuer, weil sie die im Verbrauch vermutete Leistungsfähigkeit erfasst (vgl. BVerfGE 98, 106 <124>; Rn. 39 f.). Die Verfassungsbeschwerde zeigt nicht auf, dass die Leistungsfähigkeit der Konsumenten bei einer nicht nach der Stückzahl der Verpackungen, sondern nach deren Volumen oder Gewicht bemessenen Steuer in gleicher Weise gewährleistet wäre. Zudem fehlt es an einer Auseinandersetzung mit der Frage, ob steuerliche Lenkungszwecke über eine gleichheitsrechtliche Rechtfertigung von Differenzierungen bei der Steuerbemessung (vgl. BVerfGE 93, 121 <147>; 117, 1 <32>; 135, 126 <151 Rn. 79>) hinaus auch Differenzierungsgebote – wie hier eine Pflicht zur Steuerbemessung nach Volumen oder Gewicht der Einwegverpackungen – begründen können. Abgesehen davon soll die Verpackungssteuer einen Anreiz dafür setzen, dass möglichst ganz auf die Verwendung von Einwegmaterial verzichtet oder das Material am Ort der Abgabe zurückgenommen und außerhalb der öffentlichen Entsorgung stofflich verwertet wird (§ 3 Nr. 1 VStS). Bezogen auf diese Lenkungszwecke dürften aber Sachgründe auch für eine Bemessung der Steuerhöhe nach der Anzahl der ausgegebenen Einwegmaterialien sprechen. Schließlich fehlt es an Darlegungen zu der Frage, ob es aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität gerechtfertigt sein könnte, die Steuer nach der Anzahl der ausgegebenen Einwegmaterialien zu bemessen und nicht nach deren jeweiligem Volumen oder Gewicht.
II.
21
Die Beschwerdeführerin hat den Rechtsweg erschöpft. Gegen das letztinstanzliche Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ist kein Rechtsweg mehr eröffnet. Die Beschwerdeführerin kann auch nicht darauf verwiesen werden, stattdessen verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz gegen die ihr gegenüber ergangenen Steuerbescheide zu suchen. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bindet die rechtskräftige Ablehnung eines Antrags nach § 47 Abs. 1 VwGO auf Ungültigerklärung einer Rechtsnorm die Beteiligten des Normenkontrollverfahrens bei unveränderter Sach- und Rechtslage in allen anderen von ihnen betriebenen Verfahren mit denselben Beteiligten, in denen die Gültigkeit der Norm entscheidungserheblich ist (vgl. BVerwGE 68, 306 <307 ff.>). Das Bundesverwaltungsgericht hat in dem in Rechtskraft erwachsenen (vgl. BVerfGE 93, 381 <385>; 107, 395 <413>) Urteil vom 24. Mai 2023 den Antrag der Beschwerdeführerin auf Ungültigerklärung der Verpackungssteuersatzung der Universitätsstadt Tübingen abgesehen von hier nicht relevanten Regelungen zur Begrenzung des Steuersatzes pro Einzelmahlzeit (§ 4 Abs. 2 VStS) und zum behördlichen Betretungsrecht (§ 8 VStS) abgelehnt; Antragsgegnerin des Normenkontrollverfahrens war die Universitätsstadt Tübingen. Daher kann sich die Beschwerdeführerin in gegen die Steuerbescheide gerichteten Klageverfahren mit der Universitätsstadt Tübingen als Beklagter nicht mehr darauf berufen, die Verpackungssteuersatzung sei verfassungswidrig und habe aus diesem Grund keine Gültigkeit.
III.
22
Dass die Beschwerdeführerin den Betrieb ihres Restaurants nach Ablauf des Franchise- und Unterpachtvertrags zum 1. April 2024 aufgegeben hat, stellt ihr Rechtsschutzinteresse nicht in Frage. Das angegriffene Urteil ist ihr gegenüber ergangen und die hiervon ausgehende Beschwer durch die Betriebsaufgabe nicht entfallen (vgl. BVerfGE 25, 256 <262>; 56, 296 <297>). Die Beschwerdeführerin wendet sich mittelbar gegen die Verpackungssteuersatzung, auf deren Grundlage ihr gegenüber Steuerbescheide ergangen sind. Die Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde kann sich daher auf die diesbezügliche Feststellung einer Steuerschuld der Beschwerdeführerin auswirken (vgl. BVerfGE 98, 106 <116>).
IV.
23
Die am 6. September 2023 eingegangene Verfassungsbeschwerde gegen das der Beschwerdeführerin am 7. August 2023 zugegangene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts wahrt die Monatsfrist des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG.
24
Anders verhält es sich aber für die mit nachgereichtem Schriftsatz vom 4. September 2024 erstmals erhobene Rüge der Unvereinbarkeit der Ermächtigung der Gemeinden zur Erhebung von örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern nach § 9 Abs. 4 KAG BW mit dem Gesetzesvorbehalt und dem Bestimmtheitsgebot. Insoweit handelt es sich nicht lediglich um eine auch nach Ablauf der Einlegungs- und Begründungsfrist grundsätzlich zulässige Ergänzung eines fristgerecht gehaltenen Vortrags (vgl. BVerfGE 81, 208 <214 f.>; 109, 279 <305>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 17. Juli 2024 - 1 BvR 2133/22 -, Rn. 75). Vielmehr werden in unzulässiger Weise neue verfassungsrechtliche und fachrechtliche Gesichtspunkte nach Fristablauf erstmals geltend gemacht (vgl. BVerfGE 81, 208 <214 f.>). Die einmonatige Frist zur Begründung der Verfassungsbeschwerde nach § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG ist insoweit nicht gewahrt.
25
Abgesehen davon fehlt es an einer hinreichenden Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach die im Wesentlichen inhaltsgleichen Vorgängerregelungen des § 9 Abs. 4 KAG BW eine taugliche Ermächtigung für die Erhebung örtlicher Verbrauch- und Aufwandsteuern durch die Gemeinden waren (vgl. BVerfGE 161, 1 <31 f. Rn. 62> m.w.N. – Übernachtungsteuer).
C.
26
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht begründet. Zwar greift die Erhebung der als Lenkungsteuer ausgestalteten Verpackungssteuer sowohl durch die Indienstnahme als Zahlstelle als auch durch die Auferlegung einer Geldleistungspflicht in die Berufsfreiheit der Endverkäufer ein (I). Der Eingriff ist jedoch gerechtfertigt, weil die Tübinger Verpackungssteuersatzung, soweit hier zulässig gerügt, formell (II) wie materiell (III) verfassungsmäßig ist. Daher ist auch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, mit dem der Antrag der Beschwerdeführerin auf Ungültigerklärung der Satzung abgelehnt wurde, nicht zu beanstanden.
I.
27
Die den Endverkäufern durch die Verpackungssteuersatzung auferlegten Pflichten greifen in deren Berufsfreiheit ein.
28
1. Art. 12 Abs. 1 GG gewährt allen Deutschen als einheitliches Grundrecht das Recht, den Beruf als Grundlage der persönlichen und wirtschaftlichen Lebensführung frei zu wählen und auszuüben (vgl. BVerfGE 101, 331 <346 f.>). Die Berufsfreiheit steht entsprechend Art. 19 Abs. 3 GG auch inländischen juristischen Personen des Privatrechts zu (vgl. BVerfGE 97, 228 <253>; 161, 63 <89 Rn. 43> – Windenergie-Beteiligungsgesellschaften). „Beruf“ ist jede Tätigkeit, die auf Dauer angelegt ist und der Schaffung und Aufrechterhaltung einer Lebensgrundlage dient (vgl. BVerfGE 155, 238 <276 Rn. 92> – WindseeG; 163, 107 <133 Rn. 71> – Tierarztvorbehalt). Eine Ausprägung der Berufsfreiheit ist die „Unternehmensfreiheit“ im Sinne freier Gründung und Führung von Unternehmen, welche die Freiheit umfasst, die unternehmerische Berufstätigkeit organisatorisch und vertraglich zu gestalten und die beruflich erbrachte Leistung wirtschaftlich zu verwerten (vgl. BVerfGE 161, 63 <89 Rn. 43> m.w.N.). Steuern sind an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen, wenn sie objektiv eine berufsregelnde Tendenz erkennen lassen (vgl. BVerfGE 162, 325 <346 Rn. 79>). Hiervon ist jedenfalls dann auszugehen, wenn steuerliche Lenkungswirkungen darauf abzielen, Einfluss auf die Art und Weise der Berufsausübung zu nehmen (vgl. BVerfGE 16, 147 <163>; 31, 8 <26 f.>; 38, 61 <85>; 162, 325 <346
Rn. 79>).
29
2. Ausgehend davon greifen die den Endverkäufern nach der Verpackungssteuersatzung auferlegten Pflichten wegen deren Lenkungswirkungen unmittelbar in die Berufsfreiheit ein.
30
Die Geldleistungspflicht nach § 5 Abs. 5 VStS ist nicht an der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 161, 1 <34 Rn. 67> zur Übernachtungsteuer ohne Lenkungswirkung), sondern an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen. Sie hat für die Endverkäufer eine objektiv berufsregelnde Tendenz. Denn die Endverkäufer sollen durch die finanziellen Belastungen, die aus der ihnen auferlegten Geldleistungspflicht folgen, zu Änderungen ihrer beruflichen Tätigkeit veranlasst werden, namentlich auf ein Mehrwegsystem umsteigen oder das Einwegmaterial am Verkaufsort zurücknehmen und dasselbe einer stofflichen Verwertung außerhalb der öffentlichen Abfallentsorgung zuführen (§ 3 Nr. 1 VStS). Die aus der Indienstnahme als Zahlstelle folgenden Belastungen durch die Pflichten zur Berechnung, Anmeldung und Abführung der Verpackungssteuer (§§ 2, 5 Abs. 3 VStS) haben an dieser auf eine Änderung der Berufsausübung gerichteten Lenkungswirkung teil. Sie beeinträchtigen die freie Berufsausübung daher ebenfalls.
II.
31
Der Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG ist nur dann gerechtfertigt, wenn er auf einer formell verfassungsmäßigen Grundlage beruht (vgl. zu Art. 2 Abs. 1 GG BVerfGE 161, 1 <34 Rn. 68 m.w.N.>). Diese Voraussetzung liegt vor. Die Verpackungssteuersatzung ist durch die Steuergesetzgebungskompetenz nach Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG gedeckt; bei der hier gegenständlichen Verpackungssteuer handelt es sich um eine den finanzverfassungsrechtlichen Gesetzgebungskompetenzen unterliegende Steuer (1a) in Gestalt einer Verbrauchsteuer (1b), die bundesgesetzlich geregelten Steuern nicht gleichartig ist (1c) und den notwendigen Ortsbezug aufweist (1d). Die Ausübung dieser Kompetenz unterliegt auch keiner aus dem Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung (2a) oder dem Grundsatz der Bundestreue (2b) folgenden Schranke.
32
1. Die Stadt Tübingen kann sich für die Verpackungssteuersatzung auf die Steuergesetzgebungskompetenz der Länder für die Erhebung örtlicher Verbrauchsteuern nach Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG berufen. Das Land Baden-Württemberg hat die Gemeinden in § 9 Abs. 4 KAG BW zur Ausübung dieser Kompetenz ermächtigt (vgl. BVerfGE 161, 1 <31 f. Rn. 62> m.w.N. zur Verfassungsmäßigkeit dieser Ermächtigung).
33
a) Bei der nach der Tübinger Verpackungssteuersatzung erhobenen Abgabe handelt es sich um eine den finanzverfassungsrechtlichen Gesetzgebungskompetenzen nach 105, 106 GG unterliegende Steuer.
34
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts knüpft das Grundgesetz für den Begriff der „Steuer“ an die Definition in § 3 Abs. 1 AO an. Danach sind Steuern „Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft“. Kennzeichnend für eine Steuer ist somit, dass sie ohne individuelle Gegenleistung und unabhängig von einem bestimmten Zweck zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs eines öffentlichen Gemeinwesens erhoben wird (vgl. BVerfGE 149, 222 <249 Rn. 53>).
35
Der Gesetzgeber darf zwar seine Steuergesetzgebungskompetenz grundsätzlich auch ausüben, um Lenkungswirkungen zu erzielen. Die finanzverfassungsrechtlichen Steuerkompetenzen bieten dann aber keine ausreichende Rechtsgrundlage, wenn eine steuerliche Lenkung nach Gewicht und Auswirkung einer verbindlichen Verhaltensregel nahekommt. Das ist der Fall, wenn das Steuergesetz dem ihm begrifflich zukommenden Zweck, Einnahmen zu erzielen, geradezu zuwiderläuft, indem es ersichtlich darauf abzielt, die Erfüllung des Steuertatbestands wirtschaftlich unmöglich zu machen, die Finanzfunktion der Steuer also durch eine Verwaltungsfunktion mit Verbotscharakter verdrängt wird (vgl. BVerfGE 16, 147 <161>; 31, 8 <23>; 38, 61 <81>; 98, 106 <117 f.>; 135, 126 <142 Rn. 47>).
36
bb) Danach liegt hier eine Steuer im Rechtssinne vor. Die Verpackungssteuer begründet eine Gemeinlast, die jedem auferlegt wird, der den in der Verpackungssteuersatzung bestimmten Steuertatbestand erfüllt. Sie wird unabhängig von einer individuellen Gegenleistung erhoben und dient der Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs der örtlichen Gemeinschaft (vgl. BVerfGE 98, 106 <123>).
37
Die Verpackungssteuer verfolgt zwar den Lenkungszweck der Vermeidung einer Vermüllung im Stadtgebiet und daher auch der Vermeidung von Einweggeschirr und -besteck. Sie wirkt aber nach ihrer Gestaltung und der Höhe der Steuersätze auch nicht faktisch wie ein Verbot der Abgabe von Einwegartikeln beim Verkauf von Speisen und Getränken. Es ist nicht erkennbar, dass die im Geltungsbereich der Verpackungssteuersatzung tätigen Endverkäufer solcher Speisen und Getränke regelmäßig gezwungen sein könnten, zur Steuervermeidung auf ein Mehrwegsystem umzusteigen oder die von ihnen abgegebenen Einwegartikel zurückzunehmen (§ 3 Nr. 1 VStS), weil ihr Betrieb ansonsten nicht mehr wirtschaftlich sinnvoll weitergeführt werden könnte. Dahingehende Anhaltspunkte wie beispielsweise eine seit Inkrafttreten der Verpackungssteuersatzung stark rückläufige Verwendung von Einwegartikeln wurden nicht vorgetragen. Eine Verbotswirkung der Verpackungssteuer liegt auch schon deshalb nicht nahe, weil sie darauf angelegt ist, dass die Steuerlast auf die Konsumenten als die eigentlichen Steuerträger überwälzt wird (unten Rn. 40). Auf die individuelle Situation des Restaurantbetriebs der Beschwerdeführerin, die darauf verweist, sie sei im niedrigpreisigen Speisen- und Getränkesegment tätig, in dem die Steuerlast nur eingeschränkt durch Preiserhöhung überwälzt werden könne, kommt es für die Gesetzgebungskompetenz nicht an (zur Zumutbarkeit Rn. 75 ff.).
38
b) Die Verpackungssteuer ist eine Verbrauchsteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG.
39
aa) Verbrauchsteuern sind Steuern, die den Verbrauch vertretbarer, regelmäßig zum baldigen Verzehr oder kurzfristigen Verbrauch bestimmter Waren belasten (BVerfGE 98, 106 <123 f.>). Sie sollen die im Verbrauch zu Tage tretende steuerliche Leistungsfähigkeit abschöpfen (vgl. BVerfGE 98, 106 <124>; 145, 171 <214 Rn. 119>). Ein Verbrauch ist dann anzunehmen, wenn die Ware nach Abschluss des konkreten Verwendungsvorgangs als nicht mehr existent anzusehen oder funktions- und wertlos geworden ist (BVerfGE 145, 171 <217 Rn. 129>).
40
Verbrauchsteuern werden regelmäßig aus Gründen der Praktikabilität nicht direkt bei denjenigen erhoben, die die Ware verbrauchen, sondern indirekt bei den Endverkäufern. Gleichwohl sollen letztlich die Verbraucherinnen und Verbraucher die Steuerlast im wirtschaftlichen Ergebnis tragen (Steuerträger). Daher ist die indirekt erhobene Verbrauchsteuer auf eine Abwälzung der Steuerlast auf die Verbraucher angelegt, deren im Verbrauch zu Tage tretende steuerliche Leistungsfähigkeit abgeschöpft werden soll (vgl. BVerfGE 98, 106 <124>; 145, 171 <214 Rn. 119>).
41
bb) Die Verpackungssteuer ist eine Verbrauchsteuer (vgl. bereits BVerfGE 98, 106 <123 f.>). Steuergegenstand ist der Verbrauch von Einwegartikeln, die nicht dauerhaft gebraucht oder gehalten werden, sondern zu einer einmaligen Verwendung bestimmt sind (§ 1 Abs. 2 Satz 2 VStS). Entgegen der Auffassung der Stadt Tübingen erfolgt der für die Besteuerung maßgebliche Verbrauch nicht bereits mit der Abgabe der Einwegartikel an die Käufer der Speisen und Getränke. Zwar verlieren die nicht wiederverwendbaren Einwegverpackungen mit der Abgabe endgültig ihre Funktion, dem Endverkäufer die Übergabe der Speisen und Getränke an die Kunden zu ermöglichen (Verkaufsfunktion). Das gilt jedoch nicht für die Funktion, den Kunden den Transport und anschließenden Verzehr der Speisen und Getränke zu ermöglichen. Dem ebenfalls der Steuer unterliegenden Einwegbesteck kommt ohnehin keine Verkaufsfunktion zu. Der maßgebliche Verbrauchsvorgang liegt daher im Verzehr der Speisen und Getränke. Die Einwegartikel verlieren nach diesem Zeitpunkt endgültig jede Funktion. Sie werden zu Abfall, der jedenfalls für die Endverbraucher ohne wirtschaftlichen Wert ist (vgl. BVerfGE 98, 106 <124>).
42
c) Die Verpackungssteuer ist keiner bundesgesetzlich geregelten Steuer gleichartig.
43
aa) Das Gleichartigkeitsverbot des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG gilt von vornherein nicht für die zur Zeit des 21. Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 12. Mai 1969 (BGBl I S. 359 - Finanzreformgesetz -) üblichen Verbrauch- und Aufwandsteuern (vgl. BVerfGE 40, 56 <64>; 65, 325 <351>; 98, 106 <125>; 161, 1 <42 Rn. 93>). Handelt es sich hingegen – wie hier bei der Verpackungssteuer – um eine neue Verbrauch- oder Aufwandsteuer, so verstößt diese jedenfalls dann nicht gegen das Gleichartigkeitsverbot, wenn sie nach dem traditionellen Gleichartigkeitsbegriff keiner Bundessteuer gleichartig ist (vgl. BVerfGE 65, 325 <351>). Unzulässig ist danach eine Doppelbelastung derselben Steuerquelle. Der steuerbegründende Tatbestand darf nicht denselben Belastungsgrund erfassen wie eine Bundessteuer; er muss sich also in Gegenstand, Bemessungsgrundlage, Erhebungstechnik und wirtschaftlicher Auswirkung von der Bundessteuer unterscheiden (vgl. BVerfGE 65, 325 <351>; 98, 106 <125>; 161, 1 <42 Rn. 93>).
44
Nach dem eindeutigen Wortlaut des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG bezieht sich das Gleichartigkeitsverbot nur auf bundesgesetzliche Abgaben, die den Steuerbegriff erfüllen. Nichtsteuerlichen, auf die Sachgesetzgebungskompetenz des Bundes gestützten Abgaben kommt damit gegenüber Verbrauch- und Aufwandsteuern kein Vorrang bei der Erfassung derselben Quelle steuerlicher Belastbarkeit zu. Dies entspricht der bundesstaatlichen Finanzverfassung, die dem Gesetzgeber kein „Wahlrecht“ zwischen der Einführung von Steuern und nichtsteuerlichen, auf die Sachgesetzgebungskompetenz gestützten Abgaben einräumt, sondern grundsätzlich davon ausgeht, dass die Gemeinlasten insbesondere aus Steuern gemäß der insoweit detailliert nach Art. 105 ff. GG geregelten Aufteilung der Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und Ertragskompetenzen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden finanziert werden (vgl. BVerfGE 55, 274 <300 ff.>; 78, 249 <266 f.>; 92, 91 <113>; 124, 235 <243>; 135, 155 <206>). Eine erweiternde, auch nichtsteuerliche Abgaben des Bundes einbeziehende Auslegung des Gleichartigkeitsverbots kommt daher nicht in Betracht.
45
bb) Danach steht das Gleichartigkeitsverbot der Erhebung einer Verpackungssteuer nicht entgegen.
46
(1) Die Verpackungssteuer schöpft nicht dieselbe Quelle steuerlicher Belastbarkeit aus wie die Umsatzsteuer. Die Verpackungssteuer belastet die Verwendung von Verpackungen jeweils in ihrer Stückzahl, die Umsatzsteuer die unternehmerische Leistung im Entgelt. Belastungsgrund für die Umsatzsteuer ist dementsprechend die Nachfrage in einer bestimmten, im Preis ausgedrückten Werthöhe, während Belastungsgrund der Verpackungssteuer der Verbrauch von Einwegartikeln in einer bestimmten Stückzahl ist. Verpackungssteuer und Umsatzsteuer haben deshalb einen je verschiedenen Belastungsgrund (vgl. BVerfGE 98, 106 <124 f.>).
47
(2) Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist die Verpackungssteuer auch nicht danach zu beurteilen, ob sie der bundesgesetzlichen Einwegkunststoffabgabe nach § 12 Einwegkunststofffondsgesetz (EWKFondsG) gleichartig ist. Die von den Herstellern von Einwegkunststoffprodukten erhobene Einwegkunststoffabgabe ist keine bundesgesetzliche Steuer, die der Erhebung einer Verpackungssteuer als Verbrauchsteuer wegen Gleichartigkeit entgegenstehen könnte. Die Einwegkunststoffabgabe wird nicht unabhängig von einem bestimmten Zweck zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs des Bundes erhoben (zum Steuerbegriff Rn. 34). Vielmehr fließt ihr Aufkommen in den vom Umweltbundesamt verwalteten Einwegkunststofffonds, der einem bestimmten Zweck dient, nämlich der Deckung von Kosten, die bei der Bewältigung der nachteiligen Auswirkungen einer Verwendung von Einwegkunststoffprodukten auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit entstehen (§ 1, § 3 Nr. 12 bis 16, § 4 Abs. 1, §§ 5, 14, 15, 16 EWKFondsG). Die genaue Einordnung der Einwegkunststoffabgabe als nichtsteuerliche Abgabe spielt im vorliegenden Zusammenhang keine Rolle.
48
d) Bei der Tübinger Verpackungssteuer handelt es sich um eine „örtliche“ Verbrauch-steuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG. § 1 Abs. 1 VStS knüpft die Steuerpflicht der Endverkäufer an Verkaufsvorgänge, bei denen die Örtlichkeit des Verbrauchs der mit den Speisen und Getränken abgegebenen Einwegartikel normativ hinreichend sichergestellt ist; dabei ist für das vorliegende Verfassungsbeschwerdeverfahren von der Auslegung des Steuertatbestandes durch das Bundesverwaltungsgericht auszugehen (unten Rn. 54).
49
aa) Die „Örtlichkeit“ einer nicht direkt an den Verbrauch, sondern indirekt an den Verkauf von Waren anknüpfenden Verbrauchsteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG ist nur gegeben, wenn der Steuertatbestand den typischen Fall des Verbrauchs der verkauften Ware innerhalb des Gemeindegebiets realitätsgerecht erfasst. Dem genügt jedenfalls eine tatbestandliche Anknüpfung der Steuerpflicht an den Verkauf von Waren „zum Verbrauch an Ort und Stelle“ (vgl. BVerfGE 16, 306 <327 f.>; 98, 106 <125>).
50
Die Örtlichkeit kann aber auch bei Waren gegeben sein, die nicht „zum Verbrauch an Ort und Stelle“ des Verkaufs bestimmt sind, wenn der Verbrauch typischerweise im Gemeindegebiet erfolgt. Hierfür kann insbesondere die Beschaffenheit der Ware sprechen und sind die weiteren Gegebenheiten zu berücksichtigen wie etwa die Versorgungsstruktur oder die Größe der Gemeinde. Eine darauf bezogene Steuerpflicht setzt voraus, dass im Steuertatbestand diejenigen Waren benannt oder aufgrund konkreter Kriterien bestimmbar sind, die im Anschluss an den Verkauf typischerweise noch innerhalb der Grenzen der jeweiligen Gemeinde verbraucht werden; dem Normgeber kommt hierbei ein Einschätzungsspielraum zu.
51
bb) Ausgehend davon wahrt die Verpackungssteuersatzung der Stadt Tübingen in der vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommenen Auslegung noch die gebotene Örtlichkeit.
52
(1) Nach § 1 Abs. 1 Alt. 1 VStS knüpft die Steuerpflicht an die Abgabe von Einwegmaterial an, das beim Verkauf von Speisen und Getränken „für den unmittelbaren Verzehr an Ort und Stelle“ Verwendung findet. Insoweit stellt der Steuertatbestand den notwendigen Ortsbezug des Verbrauchs ohne weiteres her. Es sind dann im Rahmen des Vollzugs diejenigen Verkaufsvorgänge zu bestimmen, bei denen nach den Umständen auf einen Verzehr unmittelbar am Ort des Verkaufs geschlossen werden kann; einer tatbestandlichen Benennung weiterer Kriterien bedarf es insoweit nicht. Danach ist zwar nicht ausgeschlossen, dass Speisen und Getränke in atypischen Fällen bestimmungswidrig in räumlicher Entfernung vom Verkaufsort außerhalb des Gemeindegebiets verzehrt werden und damit dort auch das Einwegmaterial verbraucht wird. Solche atypischen Verhaltensweisen stellen jedoch nicht in Frage, dass mit der Tatbestandsvoraussetzung eines Verkaufs „zum Verbrauch an Ort und Stelle“ der typische Fall des örtlichen Verbrauchs erfasst ist (vgl. BVerfGE 98, 106 <124>).
53
(2) Für die Anknüpfung der Steuerpflicht an die Abgabe von Einwegmaterial beim Verkauf von „mitnehmbaren take-away-Gerichten oder -Getränken“ nach § 1 Abs. 1 Alt. 2 VStS ist hier im Verfassungsbeschwerdeverfahren die Auslegung durch das Bundesverwaltungsgericht zugrunde zu legen (a). Nach dieser Auslegung (b) ist die Örtlichkeit im Sinne von Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG ebenfalls gewahrt (c).
54
(a) Die verfassungskonforme Auslegung durch das Bundesverwaltungsgericht ist im vorliegenden Verfassungsbeschwerdeverfahren maßgeblich. Mit der Verfassungsbeschwerde wird nicht substantiiert geltend gemacht, dass diese Auslegung diejenigen Grenzen überschreitet, die ihr nach dem Wortlaut der Vorschrift und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers vorgegeben sind (vgl. BVerfGE 138, 64 <94 Rn. 86>; 149, 126 <154 f. Rn. 72 ff.>).
55
(b) Das Bundesverwaltungsgericht nimmt an, bei verfassungskonformer Auslegung von § 1 Abs. 1 Alt. 2 VStS sei nur der Verkauf von nach ihrer Zubereitung und Verpackung zum sofortigen Verbrauch bestimmter Speisen und Getränke erfasst, nicht jedoch der Verkauf von Speisen und Getränken in fest verschlossenen oder fabrikmäßig abgepackten Behältnissen. Erfasst werde das Einwegzubehör für solche Speisen und Getränke, die zumindest in einem näheren räumlichen Umkreis verzehrt würden.
56
(c) Bei dieser Auslegung knüpft der Steuertatbestand normativ noch an hinreichend konkrete Kriterien zur Bestimmung des der Steuer unterliegenden ortsbezogenen Verbrauchs an (aa); es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Steuerpflicht danach nicht auf typischerweise im Gebiet der Stadt Tübingen verbrauchtes Einwegzubehör beschränkt (bb).
57
(aa) Steuerpflichtig ist nach der Auslegung durch das Bundesverwaltungsgericht die Abgabe des Einwegzubehörs für solche Speisen und Getränke, die in der Regel unmittelbar nach dem Erwerb verbraucht werden, weil sich ihre für die Verzehrqualität maßgebliche Temperatur, Konsistenz oder Frische schon nach kurzer Zeit nachteilig verändert (vgl. BVerwGE 179, 1 <7 f. Rn. 21>). Anhand dieser Kriterien können diejenigen „mitnehmbaren take-away-Gerichte oder -Getränke“ noch hinreichend sicher bestimmt werden, deren Verkauf die Besteuerung des dabei verwendeten Einwegzubehörs auslöst.
58
(bb) Die auf den Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg beruhende, mindestens implizite Annahme des Bundesverwaltungsgerichts, die Satzung bilde mit diesen Kriterien die Örtlichkeit realitätsgerecht ab, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
59
Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg ist davon ausgegangen, dass der Verzehr von take-away-Gerichten und -Getränken „auf die Schnelle“ am häufigsten im Stadtgebiet erfolge (vgl. Urteil vom 29. März 2022 - 2 S 3814/20 -, Rn. 112). Das Bundesverwaltungsgericht hat daran anknüpfend jedenfalls vertretbar angenommen, dass der Konsum solcher Speisen und Getränke zeitnah und damit regelmäßig ortsnah innerhalb des Gemeindegebiets erfolge. Die Beschwerdeführerin hat keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte vorgetragen, die diese Annahme erschüttern könnten. Insbesondere ist für die Typik des Verbrauchs der steuerpflichtigen Waren nicht auf die Situation jeder einzelnen Verkaufsstelle, sondern auf alle Verkaufsvorgänge im Gemeindegebiet abzustellen (vgl. BVerfGE 98, 106 <124>).
60
2. Die Ausübung der sonach gegebenen Steuergesetzgebungskompetenz nach Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG durch den Erlass der Verpackungssteuersatzung verletzt auch keine sich aus dem Grundsatz der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung (a) oder aus dem Grundsatz der Bundestreue (b) abzuleitenden Schranken.
61
a) Die Verpackungssteuer der Stadt Tübingen steht in Einklang mit dem rechtsstaatlichen Grundsatz der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung.
62
aa) Aus dem rechtsstaatlichen Grundsatz der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung werden im Rahmen der bundesstaatlichen Ordnung der Gesetzgebungskompetenzen zugleich Schranken der Kompetenzausübung abgeleitet, nach denen die Ausübung der Steuergesetzgebungskompetenz zur Lenkung in einem sachgesetzlich geregelten Bereich nur zulässig ist, wenn dadurch die Rechtsordnung nicht widersprüchlich wird. Greift die steuerliche Lenkung auf eine Sachmaterie über, darf der Steuergesetzgeber nicht Regelungen schaffen, die den vom zuständigen Sachgesetzgeber getroffenen Regelungen widersprechen. Der Gesetzgeber darf deshalb aufgrund einer Steuergesetzgebungskompetenz nur insoweit lenkend und damit mittelbar gestaltend in den Kompetenzbereich eines Sachgesetzgebers übergreifen, als die Lenkung weder der Gesamtkonzeption der sachlichen Regelung noch konkreten Einzelregelungen zuwiderläuft (vgl. BVerfGE 98, 106 <118 f.>).
63
bb) Für das vorliegende Verfahren kann offenbleiben, welche Reichweite oder konkrete Bedeutung dieser in der Literatur kritisierten (vgl. Sendler NJW 1998, S. 2875 ff. Rodi, StuW 1999, S. 105 <108 ff.>; Kloepfer/Bröcker, DÖV 2001, S. 1 ff.; Jarass, AöR 126 <2001>, S. 588 ff.; vgl. auch BVerwGE 179, 1 <9 f. Rn. 26>) Ausprägung des Grundsatzes der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung zukommt (vgl. auch bereits BVerfGE 141, 1 <35 Rn. 81>). Denn die mit der Verpackungssteuer verfolgten Lenkungszwecke, die Endverkäufer zu einem Umstieg auf Mehrwegsysteme oder zu einer Rücknahme der abgegebenen Einwegartikel und deren stofflicher Verwertung außerhalb der öffentlichen Abfallentsorgung (§ 3 Nr. 1 VStS) zu veranlassen, stehen zu dem seit Inkrafttreten der Verpackungssteuersatzung am 1. Januar 2022 geltenden Abfallrecht des Bundes (zum maßgeblichen Zeitraum vgl. BVerwGE 179, 1 <10 Rn. 28>) weder hinsichtlich dessen Gesamtkonzeption noch hinsichtlich konkreter Einzelregelungen in Widerspruch.
64
(1) Die Lenkungswirkungen der Verpackungssteuer widersprechen jedenfalls keiner seit ihrem Inkrafttreten maßgeblichen abfallrechtlichen Gesamtkonzeption.
65
Das Bundesverfassungsgericht ist in der Entscheidung zur Kasseler Verpackungssteuersatzung davon ausgegangen, der von der Steuer ausgehende Anreiz gegenüber den einzelnen Endverkäufern, einer Besteuerung durch Umstellung auf ein Mehrwegsystem oder durch die Rücknahme und stoffliche Verwertung des Einwegmaterials außerhalb der öffentlich-rechtlichen Entsorgung auszuweichen, stehe in Widerspruch zum für das seinerzeitige Abfallrecht angenommenen Kooperationsprinzip, wonach die abfallrechtlich festgelegten Ziele der Vermeidung, Verringerung und Verwertung von Abfällen nicht ordnungsrechtlich oder durch individuelle Maßnahmen, sondern vorrangig durch die Wirtschaft in eigenverantwortlichem Zusammenwirken umgesetzt werden sollten. Dabei wurde Bezug genommen auf § 14 Abs. 2 Abfallgesetz 1986 (AbfG 1986), nach dem die abfallrechtlichen Ziele erst bei einem Scheitern der kooperativen Bemühungen ordnungsrechtlich durchgesetzt werden durften (vgl. BVerfGE 98, 106 <128 ff.>). Eine vergleichbare Subsidiaritätsklausel, die durch individuelle „Insellösungen“ zur Eindämmung des Verpackungsabfalls beeinträchtigt werden könnte, enthält das Abfallrecht im hier maßgeblichen Zeitraum seit Inkrafttreten der Tübinger Verpackungssteuersatzung am 1. Januar 2022 jedoch nicht mehr; insbesondere bezieht sich die mit § 14 Abs. 2 AbfG 1986 vergleichbare Bestimmung des § 26 Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) nur auf eine Kooperation bei der Abfallverwertung und damit gerade nicht mehr auf das von der Tübinger Verpackungssteuer vorrangig in den Blick genommene Ziel der Abfallvermeidung (vgl. BVerwGE 179, 1 <13 f. Rn. 37 m.w.N.>). Damit kann aus dem Abfallrecht auch kein Kooperationsprinzip mehr hergeleitet werden, wie es der damaligen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zugrunde lag.
66
Das übergreifende abfallrechtliche Kooperationsprinzip ist durch ein ergänzendes Nebeneinander von Kooperation, Ordnungsrecht und wirtschaftlichen Anreizen zur Verwirklichung der abfallrechtlichen Ziele abgelöst worden, zu dem die auf das Verhalten einzelner Endverkäufer zielenden Lenkungswirkungen der Verpackungssteuer nicht in Widerspruch treten können. Ordnungsrechtlich wirkt etwa die zur Umsetzung der Art. 5 und 14 der Einwegkunststoffrichtlinie (Richtlinie <EU> 2019/904 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juni 2019 über die Verringerung der Auswirkungen bestimmter Kunststoffprodukte auf die Umwelt) von der Bundesregierung am 24. Juni 2020 beschlossene „Verordnung über das Verbot des Inverkehrbringens von bestimmten Einwegkunststoffprodukten und von Produkten aus oxo-abbaubarem Kunststoff“ (Einwegkunststoffverbotsverordnung - EWKVerbotsV), die nach § 3 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 7 EWKVerbotsV das Inverkehrbringen von bestimmten Einwegkunststoffprodukten wie Besteck, Teller und Lebensmittelbehälter verbietet. Vor allem kennt das Abfallrecht nunmehr auch das den Lenkungswirkungen der Verpackungssteuer vergleichbare Instrument der Setzung wirtschaftlicher Anreize zur Verminderung von Verpackungsabfall. So zählen zu den in Anlage 5 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes aufgeführten Maßnahmen „zur Schaffung von Anreizen für die Anwendung der Abfallhierarchie“, auf die § 6 Abs. 3 KrWG Bezug nimmt, auch „steuerliche Anreize“ (Nr. 3) und „steuerliche Maßnahmen“ (Nr. 9). Möglicher Bestandteil des nach § 33 Abs. 1 KrWG vom Bund zu erstellenden Abfallvermeidungsprogramms sind auch „Wirtschaftliche Instrumente wie zum Beispiel Anreize für einen umweltfreundlichen Einkauf oder die Einführung eines vom Verbraucher zu zahlenden Aufpreises für einen Verpackungsartikel oder Verpackungsteil, der sonst unentgeltlich bereitgestellt werden würde“ (Nr. 3 Buchstabe a der Anlage 4 zu § 33 KrWG). Zu den danach möglichen Maßnahmen dürfte auch die Einführung einer bundesrechtlichen Verpackungssteuer zählen (vgl. BVerwGE 179, 1 <14 Rn. 40 m.w.N.>; vgl. auch Abfallvermeidungsprogramm des Bundes unter Beteiligung der Länder, Juli 2013, S. 58 f.: „Steuern auf abfallintensive Produkte“). Zudem werden in Art. 4 Abs. 1 UAbs. 1 Richtlinie (EU) 2019/904 als Maßnahmen, die von den Mitgliedstaaten ergriffen werden können, um den Verbrauch von Einwegkunststoffartikeln zu mindern, auch „wirtschaftliche Instrumente wie die Sicherstellung, dass diese Einwegkunststoffartikel an der Verkaufsstelle nicht kostenlos an den Endverbraucher abgegeben werden“, aufgeführt.
67
(2) Die Lenkungswirkungen der Verpackungssteuer stehen auch nicht in Widerspruch zu abfallrechtlichen Einzelregelungen (vgl. im Einzelnen BVerwGE 179, 1 <14 ff. Rn. 39 ff.>). Dies folgt bereits daraus, dass sich der mit der Verpackungssteuer verfolgte Zweck der Vermeidung von Abfällen mit den Zielen des Abfallrechts des Bundes deckt und der steuerliche Anreiz zu einem solchen Verhalten auch kein einer bundesrechtlichen Konzeption zuwiderlaufendes Mittel ist. Angesichts dieser Ausgangslage liegt ein Widerspruch zu abfallrechtlichen Einzelregelungen von vornherein fern.
68
Dementsprechend steht etwa das an Letztvertreiber von Einwegkunststofflebensmittelverpackungen und von Einweggetränkebechern gerichtete Gebot nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Verpackungsgesetz (VerpackG), die in diesen Einwegverpackungen angebotenen Waren am Ort des Inverkehrbringens jeweils auch in Mehrwegverpackungen zum Verkauf anzubieten, einer weitergehenden Umstellung auf ein Mehrwegsystem, bei der zur Steuervermeidung auch die Verwendung von Einwegverpackungen aus anderen Materialien oder Einweggeschirr und -besteck beendet wird, nicht entgegen. In beiden Fällen geht es um dasselbe Ziel, eine möglichst weitgehende Verwendung von Mehrwegmaterialien zu fördern (vgl. BVerwGE 179, 1 <16 Rn. 42>). Daher kann § 33 Abs. 1 Satz 1 VerpackG offenkundig kein Gebot entnommen werden, weiterhin Einweglebensmittelverpackungen zu verwenden, sofern sie nicht aus Kunststoff bestehen. Das Gleiche gilt mit Blick auf die abfallrechtliche Pflicht zur (finanziellen) Beteiligung an einem kollektiven System zur flächendeckenden Rücknahme von Einwegverpackungen („Duales System“) mit dem Ziel, das Material vorrangig innerhalb des Systems wieder zu verwenden oder zu recyceln (§ 7 Abs. 1 und 2 VerpackG). Diese Systembeteiligungspflicht begründet für die Endverkäufer im Sinne des § 2 VStS offenkundig weder ein Verbot der Umstellung auf ein Mehrwegsystem noch ein Verbot, verbrauchte Einwegartikel zurückzunehmen und außerhalb der öffentlichen Abfallentsorgung stofflich zu verwerten (vgl. BVerwGE 179, 1 <16 f. Rn. 44 ff.>). Dass die Pflicht von Herstellern bestimmter Einwegkunststoffprodukte zur Entrichtung einer Abgabe an den Einwegkunststofffonds (§ 12 EWKFondsG; oben Rn. 47) als solche kein Verbot der genannten steuerlichen Ausweichreaktionen umfasst, liegt ebenfalls auf der Hand.
69
b) Der Erhebung der Verpackungssteuer steht auch nicht mit Blick auf die Erhebung der Einwegkunststoffabgabe nach der bundesgesetzlichen Regelung des § 12 EWKFondsG (Rn. 47) der Grundsatz der Bundestreue in seiner Ausprägung als Kompetenzausübungsschranke entgegen (vgl. auch BVerfGE 106, 225 <243>; 160, 1 <26 Rn. 73>; 161, 1 <50 f. Rn. 116>).
70
aa) Der Bund und die Länder müssen nach der aus dem Bundesstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG folgenden wechselseitigen Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten in ihrer Bedeutung als Kompetenzausübungsschranke bei der Wahrnehmung ihrer Gesetzgebungskompetenzen die gebotene und ihnen zumutbare Rücksicht auf das Gesamtinteresse des Bundesstaates nehmen. Diese Pflicht greift auch dann, wenn die Länder – wie hier – ihre Kompetenz aus Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG zur Erhebung örtlicher Verbrauch- und Aufwandsteuern durch eine landesgesetzliche Regelung auf die Gemeinden übertragen haben (vgl. BVerfGE 161, 1 <50 Rn. 116> zum Verhältnis von gemeindlicher Übernachtungsteuer und bundesrechtlicher Umsatzsteuer; Herbst, Gesetzgebungskompetenzen im Bundesstaat, 2014, S. 299 f.). Der Grundsatz der Bundestreue ist nur im Falle eines offenbaren Missbrauchs des Gesetzgebungsrechts verletzt (vgl. BVerfGE 106, 225 <243>; 160, 1 <26 Rn. 73>; 161, 1 <50 f. Rn. 116>).
71
bb) Danach steht der Grundsatz der Bundestreue einer Ausübung der Gesetzgebungskompetenz aus Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG durch Begründung einer örtlichen Verbrauchsteuer in Gestalt einer Verpackungssteuer nicht entgegen. Das gilt auch, soweit die bundesgesetzliche Regelung des § 12 EWKFondsG die Erhebung einer Einwegkunststoffabgabe vorsieht. Dabei kann dahinstehen, ob mit Blick auf die finanzverfassungsrechtliche Vorgabe, dass die staatlichen Aufgaben in erster Linie durch Steuern zu finanzieren sind (Rn. 44), nicht umgekehrt eine sachgesetzlich begründete nichtsteuerliche Abgabe wie die Einwegkunststoffabgabe den Grundsatz der Bundestreue verletzt, wenn sie die Ausübung einer Steuergesetzgebungskompetenz hindert. Denn jedenfalls entzieht die Verpackungssteuer dem Einwegkunststofffonds (vgl. §§ 4 ff. EWKFondsG) nicht missbräuchlich die finanzielle Grundlage. Der Einwegkunststofffonds und die Verpackungssteuer knüpfen schon nicht an dieselbe Ertragsquelle an (vgl. BVerfGE 161, 1 <42 Rn. 93> zur Gleichartigkeit). Zur Entrichtung der Verpackungssteuer sind die Endverkäufer von Speisen und Getränken verpflichtet (§ 2 VStS), während § 12 EWKFondsG die Hersteller (§ 3 Nr. 3 Buchstabe a EWKFondsG) von Einwegkunststoffprodukten zur Entrichtung einer Abgabe zur Deckung der Kosten des Einwegkunststofffonds heranzieht. Zudem bezieht sich die Einwegkunststoffabgabe auch auf Produkte, die – wie etwa Feuchttücher, Luftballons oder Tabakprodukte – nicht Gegenstand der Verpackungssteuer sind. Abgesehen davon erschwert der Zweck der Verpackungssteuer, die Endverkäufer von Speisen und Getränken zur steuervermeidenden Umstellung auf Mehrwegartikel oder durch Rücknahme und stoffliche Verwertung der verbrauchten Einwegartikel zu bewegen, nicht das Ziel des Einwegkunststofffonds, über die Finanzierung von Maßnahmen zur Bewältigung der nachteiligen Auswirkungen einer Verwendung von Einwegkunststoffprodukten zum Schutz der Umwelt, insbesondere der Meeresumwelt, und der menschlichen Gesundheit beizutragen (§ 1 EWKFondsG). Denn soweit solche Maßnahmen von vornherein nicht notwendig werden, weil die Endverkäufer von Speisen und Getränken die steuervermeidenden Verhaltenserwartungen erfüllen, besteht kein Bedarf zur Finanzierung nachträglicher Schutzmaßnahmen.
III.
72
Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die zur Erzielung von Einnahmen geeignete und erforderliche Verpackungssteuer der Stadt Tübingen die nach Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit unzumutbar beeinträchtigt (1). Auch die Indienstnahme der Endverkäufer als Zahlstelle ist verhältnismäßig (2).
73
1. a) Art. 12 Abs. 1 GG ist verletzt, wenn eine Steuer mit berufsregelnder Tendenz (Rn. 27 f.) es ihrer Gestaltung und Höhe nach für sich genommen den betroffenen Unternehmen in aller Regel unmöglich macht, den gewählten Beruf ganz oder teilweise zur Grundlage ihrer Lebensführung oder unternehmerischen Erwerbstätigkeit zu machen (vgl. BVerfGE 13, 181 <186 f.>, 31, 8 <23, 29>; 38, 61 <85 f.>; 135, 126 <143 Rn. 49>). Dies ist nur dann der Fall, wenn die Gefährdung der beruflichen Existenz unmittelbare Folge der Steuerlast ist und nicht auch auf anderen Ursachen wie etwa einer unwirtschaftlichen Betriebsführung oder unterlassenen Ausweichmöglichkeiten beruht. Maßgeblich ist daher, ob ein durchschnittlich ertragsstarkes, dem jeweiligen Berufszweig oder einer in spezifischer Weise betroffenen Gruppe desselben zugehöriges Unternehmen nach Abzug der notwendigen Aufwendungen wegen der Steuer keinen angemessenen Gewinn erzielen kann (vgl. BVerfGE 16, 147 <165 ff.>; 31, 8 <27 ff.>; 38, 61 <85 f.>; 123, 1 <36>; vgl. auch BVerwGE 153, 116 <120 f. Rn. 16 f.>).
74
b) Danach ist die Verpackungssteuer der Stadt Tübingen nicht zu beanstanden.
75
aa) Das Bundesverwaltungsgericht hat festgestellt, es gebe keine Anhaltspunkte für eine die Geschäftsaufgabe erzwingende Wirkung der Verpackungssteuer in Bezug auf durchschnittlich ertragsstarke Betriebe im Gebiet der Stadt Tübingen (vgl. BVerwGE 179, 1 <20 f. Rn. 56>). Das wird von der Beschwerdeführerin nicht in Abrede gestellt. Auch im Verfassungsbeschwerdeverfahren sind keine Anhaltspunkte für verstärkte Geschäftsaufgaben betroffener Unternehmen im Anschluss an das Inkrafttreten der Verpackungssteuersatzung vorgebracht worden.
76
bb) Im vorliegenden Zusammenhang kann offenbleiben, ob es im Anwendungsbereich der angegriffenen Verpackungssteuersatzung abgrenzbare Gruppen steuerpflichtiger Verkäufer von Speisen und Getränken wie etwa Betreiber kleiner Kioske gibt, die in spezifischer Weise von der Verpackungssteuer betroffen sind, weil sie weder die – nach den Steuersätzen (§ 4 Abs. 1 VStS) nicht geringen – Steuerbeträge auf ihre wenig zahlungskräftigen Kunden abwälzen noch angesichts ihrer Betriebsstruktur der Besteuerung durch den Umstieg auf ein Mehrwegsystem oder durch die Rücknahme und Eigenverwertung der Einwegartikel entgehen können, und wie sich die Verpackungssteuer auf durchschnittlich ertragsstarke Unternehmen dieser Gruppe auswirkt. Hinsichtlich der Beschwerdeführerin fehlt es jedenfalls an Anhaltspunkten dafür, dass es einem durchschnittlich ertragsstarken Unternehmen mit einem vergleichbaren Restaurantbetrieb allein wegen der Verpackungssteuer unmöglich ist, diesen Betrieb wirtschaftlich sinnvoll weiterzuführen. Sie macht zwar geltend, die Steuerlast sei existenzvernichtend, weil sie ihre Einnahmen übersteige und in dem von ihr betriebenen niedrigpreisigen Speisen- und Getränkesegment nicht durch entsprechende Preiserhöhungen auf die Kunden mit niedrigeren Einkommen überwälzt werden könne. Es ist aber nicht erkennbar, weshalb es bei einem Restaurantbetrieb des Zuschnitts, wie er von der Beschwerdeführerin betrieben wurde, nicht möglich sein sollte, einer existenzgefährdenden Besteuerung durch Umstellung auf ein Mehrwegsystem oder durch Rücknahme der abgegebenen Einwegartikel und deren stoffliche Verwertung außerhalb der öffentlichen Abfallentsorgung (§ 3 Nr. 1 VStS) auszuweichen. Die Beschwerdeführerin hat im Übrigen auch keine Angaben dazu gemacht, ob das von ihr zum 1. April 2024 veräußerte (…) Schnellrestaurant als solches fortgeführt wird. Dazu hätte mit Blick auf ihr Vorbringen Anlass bestanden, die Verpackungssteuer mache den weiteren Betrieb auf Dauer unmöglich.
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2. Auch der Eingriff in die Berufsfreiheit der Endverkäufer durch ihre Indienstnahme als Zahlstelle nach den §§ 2, 5 VStS (Feststellung, Anmeldung und Zahlung der Steuerschuld) ist verhältnismäßig (vgl. BVerfGE 161, 1 <61 ff. Rn. 147 ff.>). Die Indienstnahme ist geeignet und erforderlich, um die Verpackungssteuer vereinnahmen zu können. Die mildere Alternative einer nicht indirekt an den Verkauf, sondern direkt an den Verbrauch der Einwegartikel durch die Endverbraucher als dem eigentlichen Steuergegenstand anknüpfenden Steuerpflicht wäre nicht praktikabel und daher kein gleich geeignetes Mittel zur Zielerreichung (vgl. BVerfGE 161, 1 <62 Rn. 150>). Wegen der ansonsten fehlenden Praktikabilität steht die größere Wirksamkeit einer indirekten, bei der Abgabe der Einwegartikel ansetzenden Steuerpflicht auch nicht außer Verhältnis zu den damit verbundenen administrativen Lasten der Endverkäufer (vgl. auch BVerfGE 163, 107 <158 Rn. 135>).
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