BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 418/25 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
1. des Herrn (…),
2. des Herrn (…),
3. des Herrn (…),
4. der Frau (…),
5. des Herrn (…),
6. des Herrn (…),
7. des Herrn (…),
8. des Herrn (…),
9. des Herrn (…),
10. des Herrn (…),
11. der Frau (…),
12. des Herrn (…),
13. des Herrn (…),
14. des Herrn (…),
15. des Herrn (…),
16. des Herrn (…),
17. des Herrn (…),
18. des Herrn (…),
19. des Herrn (…),
- Bevollmächtigte: (…) -
gegen
a) den Beschluss des Landgerichts Stuttgart
vom 21. Januar 2025 - 1 T 12/24 -,
b) den Beschluss des Amtsgerichts Stuttgart
vom 11. Dezember 2024 - 6 RES 1243/24 -
und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
die Richter Christ,
Wolff
und die Richterin Meßling
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung
vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)
am 28. Februar 2025 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Mit der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenstandslos (§ 40 Abs. 3 GOBVerfG).
G r ü n d e :
I.
1
Die 19 Beschwerdeführer sind Aktionäre einer börsennotierten Aktiengesellschaft. Sie wenden sich mit der Verfassungsbeschwerde gegen zwei gerichtliche Beschlüsse in Zusammenhang mit einem Restrukturierungsverfahren auf Grundlage des Gesetzes über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen vom 22. Dezember 2020, das zum 1. Januar 2021 in Kraft getreten ist (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG, BGBl I 2020 S. 3256, zuletzt geändert durch Art. 7 des Gesetzes zur Modernisierung des Postrechts vom 15. Juli 2024, BGBl I Nr. 236).
2
1. Die Aktiengesellschaft zeigte mit Schriftsatz vom 21. Juli 2024 beim Amtsgericht ein Restrukturierungsvorhaben nach § 31 StaRUG an. Mit Beschluss vom 25. Juli 2024 wurde ein Rechtsanwalt zum Restrukturierungsbeauftragten bestellt.
3
Am 31. Oktober 2024 legte die Aktiengesellschaft als Schuldnerin dem Amtsgericht als Restrukturierungsgericht einen Restrukturierungsplan vor. Dieser sieht eine Kapitalherabsetzung auf Null und für die Beschwerdeführer und die weiteren Streubesitzaktionäre darüber hinaus einen Bezugsrechtsausschluss vor. Infolge dieses Bezugsrechtsausschlusses nehmen an der anschließend vorgesehenen Kapitalerhöhung im Ergebnis ausschließlich der bisherige Mehrheitsaktionär, der 50,1 % des Grundkapitals hält, und ein strategischer Investor teil, und zwar jeweils hälftig. Die Beschwerdeführer und die weiteren Streubesitzaktionäre (insgesamt 49,9 %) scheiden durch den Restrukturierungsplan entschädigungslos aus der Aktiengesellschaft aus.
4
Am 25. November 2024 fand ein Erörterungs- und Abstimmungstermin vor dem Amtsgericht statt, in dem die in dem Restrukturierungsplan bestimmten Gruppen Nr. 1 bis 6 der Planbetroffenen mehrheitlich für den Plan stimmten, während von der Gruppe Nr. 7, den Streubesitzaktionären, zu denen auch die 19 Beschwerdeführer zählen, niemand dem Plan zustimmte.
5
2. Mit dem angegriffenen Beschluss vom 11. Dezember 2024 bestätigte das Amtsgericht den am 31. Oktober 2024 vorgelegten und im Erörterungs- und Abstimmungstermin vom 25. November 2024 geänderten Restrukturierungsplan gerichtlich und wies die Anträge auf Versagung der Planbestätigung zurück.
6
Mit dem weiteren angegriffenen Beschluss vom 21. Januar 2025 verwarf das Landgericht die gegen den amtsgerichtlichen Beschluss gerichteten sofortigen Beschwerden als unzulässig.
7
Das Landgericht führt zur Begründung aus, eine sofortige Beschwerde gegen die Bestätigung des Restrukturierungsplans sei nach § 66 Abs. 2 Nr. 3 StaRUG nur zulässig, wenn der Beschwerdeführer glaubhaft mache, dass er durch den Plan wesentlich schlechter gestellt werde als er ohne den Plan stünde und dass dieser Nachteil nicht durch eine Zahlung aus den in § 64 Abs. 3 StaRUG genannten Mitteln ausgeglichen werden könne. Der Beschwerdeführer müsse im Rahmen der Glaubhaftmachung realistische Alternativszenarien zu dem Restrukturierungsplan konkret darstellen und sich mindestens mit der im Restrukturierungsplan enthaltenen Vergleichsberechnung auseinandersetzen.
8
Auf Grundlage dieser Maßstäbe setzt sich das Landgericht in seinem Beschluss mit dem Vorbringen der dortigen Beschwerdeführer – neben den 19 Beschwerdeführern der Verfassungsbeschwerde sind dies noch weitere Beschwerdeführer – auseinander.
9
So führt das Landgericht zu einer Beschwerde aus, der Beschwerdeführer gehe von dem im Restrukturierungsplan zugrunde gelegten Alternativszenario eines Regelinsolvenzverfahrens aus. Er greife aber nicht die Ausführung im Restrukturierungsplan an, dass im Falle eines Regelinsolvenzverfahrens letztlich von einem Verlust der Aktien und einer Erlöserwartung der Aktionäre von 0 % auszugehen sei. Eine Schlechterstellung hinsichtlich der Endzustände beider Szenarien (Restrukturierungsplan und Regelinsolvenzverfahren) habe der Beschwerdeführer damit nicht dargelegt.
10
Bezüglich weiterer Beschwerden, unter anderem der von den vorliegenden 19 Beschwerdeführern erhobenen, geht das Landgericht davon aus, dass das heranzuziehende Alternativszenario nicht ein Regelinsolvenzverfahren, sondern eine Sanierung unter Beteiligung der Aktionäre in der Gestalt eines zunächst vorzunehmenden Kapitalschnitts und in der Folge einer Beteiligung der Aktionäre über eine eigene Gesellschaft wäre, wodurch eine Prospektpflicht vermieden würde. Das Landgericht hält es nicht für überwiegend wahrscheinlich, dass eine solche Sanierung zeitnah möglich wäre. Es werde bereits nicht näher ausgeführt, welche Aktionäre konkret zu Kapitalerhöhungen welchen Umfangs bereit wären und dass sich damit allein der erhebliche Kapitalbedarf der Schuldnerin decken lasse. Es fehle auch am Vortrag konkreter Umstände, aufgrund derer von einer Bereitschaft der beiden Investoren zur Erbringung substantieller Beiträge bei fortbestehenden Bezugsrechten der Streubesitzaktionäre auszugehen wäre. Darüber hinaus lägen mehrere Dokumente vor, die gegen eine Realisierbarkeit des Alternativszenarios sprächen, unter anderem eine Mitteilung des Restrukturierungsbeauftragten, der zufolge er sich im Verlauf des Restrukturierungsverfahrens mehrfach, aber letztlich vergeblich, um die Entwicklung eines Restrukturierungskonzepts unter Beteiligung der Aktionäre bemüht habe. Das sogenannte Lock-Up-Agreement, das zwischen der Schuldnerin und wesentlichen Fremdkapitalgebern zum Erhalt einer Brückenfinanzierung und der Vermeidung einer Zahlungsunfähigkeit abgeschlossen worden sei, sehe außerdem ein ausdrückliches Verbot der Verfolgung anderweitiger Restrukturierungs- oder Insolvenzpläne und ein Verbot etwaiger Kapitalerhöhungen außerhalb des abgesprochenen Restrukturierungsverfahrens vor.
II.
11
Die Beschwerdeführer rügen Verletzungen ihrer verfassungsmäßigen Rechte aus Art. 14 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit 20 Abs. 3 und Art. 19 Abs. 4 GG durch die beiden genannten Beschlüsse.
12
1. Die gerichtlichen Entscheidungen griffen in durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Positionen der Beschwerdeführer als Aktionäre ein, nämlich in ihre vermögensrechtliche und mitgliedschaftliche Stellung. Die Eingriffe seien nicht gerechtfertigt. Die Ermächtigung zu gesellschaftsrechtlichen Regelungen gemäß § 7 Abs. 4 StaRUG möge zwar aufgrund ihrer Zielrichtung (noch) legitim sein. Die Fachgerichte hätten aber die Ausstrahlungswirkung des Art. 14 GG nicht berücksichtigt. Die im Plan festgelegten Maßnahmen dienten teilweise einem illegitimen Zweck, nämlich dem Hauptaktionär, der bisher 50,1 % der Aktien vertrete, die Möglichkeit zu verschaffen, Aktionär der Gesellschaft zu bleiben, während die übrigen Aktionäre (49,9 %) aus der Gesellschaft ausscheiden müssten. Die Maßnahmen seien auch nicht erforderlich. Die Beschlüsse wie auch der Restrukturierungsplan seien darüber hinaus unangemessen, unter anderem im Hinblick auf aktienrechtliche und wertpapierrechtliche Regelungen.
13
2. Die angegriffenen Beschlüsse verstießen gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil der Mehrheitsaktionär (Gruppe Nr. 6 im Restrukturierungsplan) und die sonstigen Aktionäre (Gruppe Nr. 7 im Restrukturierungsplan) sachwidrig ungleich behandelt und der Mehrheitsaktionär unlauter begünstigt werde.
14
3. Darüber hinaus liege ein Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (effektiver Rechtsschutz) vor. Es habe eine Informationsasymmetrie zulasten der sonstigen Aktionäre bestanden, mit der Vorlage von Unterlagen sei zugewartet worden und seitens der Fachgerichte seien die Anforderungen an die Glaubhaftmachung einer Schlechterstellung überdehnt worden.
15
4. Durch die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde habe das Landgericht gegen Art. 19 Abs. 4 GG verstoßen.
III.
16
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen (§ 93a Abs. 2 BVerfGG), weil sie den gesetzlichen Begründungsanforderungen nicht genügt und daher unzulässig ist.
17
1. Die Begründung von Verfassungsbeschwerden erfordert nach § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG eine substantiierte Auseinandersetzung mit dem zugrundeliegenden einfachen Recht und mit der verfassungsrechtlichen Beurteilung des vorgetragenen Sachverhalts; darzulegen ist, dass eine Grundrechtsverletzung möglich erscheint. Soweit das Bundesverfassungsgericht bereits verfassungsrechtliche Maßstäbe entwickelt hat, ist anhand dieser Maßstäbe aufzuzeigen, inwieweit Grundrechte verletzt sein könnten (BVerfGK 20, 327 <329> m.w.N.). Bei einer gegen eine gerichtliche Entscheidung gerichteten Verfassungsbeschwerde hat der Beschwerdeführer sich mit dieser inhaltlich auseinanderzusetzen. Es muss deutlich werden, inwieweit durch die angegriffene Maßnahme das bezeichnete Grundrecht verletzt sein soll (BVerfGE 130, 1 <21> m.w.N.).
18
2. Die Verfassungsbeschwerde legt nicht hinreichend in Auseinandersetzung mit den angegriffenen Beschlüssen dar, dass die behaupteten Verfassungsverstöße gegeben sein können.
19
a) Sie wendet sich nicht gegen die gesetzlichen Vorschriften des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes, insbesondere nicht gegen die Vorschrift des § 66 Abs. 2 Nr. 3 StaRUG. Danach ist eine sofortige Beschwerde gegen die Bestätigung des Restrukturierungsplans nur zulässig, wenn der Beschwerdeführer glaubhaft macht, dass er durch den Plan wesentlich schlechter gestellt wird als er ohne den Plan stünde und dass dieser Nachteil nicht durch eine Zahlung aus den in § 64 Abs. 3 StaRUG genannten Mitteln ausgeglichen werden kann. Darauf hat das Landgericht entscheidend abgestellt und eine Zulässigkeit der sofortigen Beschwerden verneint, weil die Beschwerdeführer nicht glaubhaft gemacht hätten, dass sie durch den Restrukturierungsplan wesentlich schlechter gestellt würden, als sie ohne den Plan stünden. Es ist dabei auf Alternativszenarien zum Restrukturierungsplan eingegangen und hat diese ausführlich gewürdigt.
20
b) Mit diesen Ausführungen, die auch auf das Vorbringen der vorliegenden Beschwerdeführer eingehen, setzen die Rügen der Verfassungsbeschwerde sich nicht auseinander. Sie besitzen inhaltlich keinen ausreichenden Bezug zum Beschluss des Landgerichts. Sie greifen die gesetzlichen Regelungen über den Minderheitenschutz im Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz und insbesondere die Anknüpfung dieser Regelungen an eine Schlechterstellung der Planbetroffenen nicht an. Die Verfassungsbeschwerde geht auch davon aus, dass die Regelung des § 7 Abs. 4 StaRUG, auf die sich die gesellschaftsrechtlichen Regelungen im Restrukturierungsplan stützen, (noch) legitim sein möge. Mit der maßgeblichen Würdigung des Landgerichts in seinem Beschluss, dass eine wesentliche Schlechterstellung der Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 2 Nr. 3 StaRUG nicht dargelegt sei, setzt sich die Verfassungsbeschwerde jedoch nicht hinreichend auseinander. Sie geht speziell in ihrer Rüge der Verletzung des Art. 14 Abs. 1 GG nicht näher darauf ein, sondern behandelt losgelöst davon illegitime Ziele, Geeignetheit, fehlende Erforderlichkeit und fehlende Angemessenheit des Restrukturierungsplans. Auch soweit die Verfassungsbeschwerde beanstandet, die Gerichte hätten die Rechtsschutzanforderungen überdehnt, indem sie pauschal den von der Schuldnerin vertretenen Standpunkt eingenommen hätten, dass eine Schlechterstellung der Aktionäre dem Grunde nach nicht gegeben und nicht glaubhaft gemacht sei, setzt sie sich nicht hinreichend mit den Gründen des angegriffenen Beschlusses des Landgerichts auseinander.
IV.
21
Die von den Beschwerdeführern angekündigte Ergänzung der Begründung ihrer Verfassungsbeschwerde nach Ablauf der Frist des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG kann das Fehlen einer fristgerechten hinreichenden Begründung der Verfassungsbeschwerde nicht heilen. Zwar ist eine spätere Ergänzung der Beschwerdebegründung nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Voraussetzung ist aber stets, dass bereits bei Fristablauf eine ausreichend begründete und damit zulässige Verfassungsbeschwerde vorlag (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 20. März 2007 - 2 BvR 295/07 -, juris, Rn. 4 m.w.N).
V.
22
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
23
Im Zusammenhang mit dem vorliegenden Planbestätigungsverfahren als Ausgangsverfahren liegt noch eine weitere Verfassungsbeschwerde vor, über deren Annahme noch nicht entschieden ist.
24
Von einer weiteren Begründung der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
- Christ
- Wolff
- Meßling