BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvE 2/25 -
Alt-Bundestag II
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Verfahren
über
die Anträge festzustellen,
1. dass es den Antragsgegnern untersagt ist, am 13. März 2025 und am 18. März 2025 Sondersitzungen des 20. Deutschen Bundestages einzuberufen,
2. hilfsweise: dass es den Antragsgegnern untersagt ist, grundgesetzändernde Anträge in Sitzungen des 20. Deutschen Bundestages auf die Tagesordnung zu setzen
Antragstellende:
1. Dr. Christian Wirth, MdB,
Platz der Republik 1, 11011 Berlin,
2. Knut Meyer-Soltau,
3. Ulrich von Zons,
4. Martin Sichert, MdB,
Platz der Republik 1, 11011 Berlin,
5. Dr. Christina Baum, MdB,
Platz der Republik 1, 11011 Berlin,
Beigetretener: Christoph Grimm
- Bevollmächtigter: (…)
(zu 2., 3., 4., 5. und Beigetretenem) -
Antragsgegner:
1. 20. Deutscher Bundestag,
vertreten durch die Bundestagspräsidentin Bärbel Bas,
Platz der Republik 1, 11011 Berlin,
2. Präsidentin des Deutschen Bundestages
Bärbel Bas,
Platz der Republik 1, 11011 Berlin
- Bevollmächtigter: Prof. Dr. Frank Schorkopf -
und Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
hat das Bundesverfassungsgericht - Zweiter Senat -
unter Mitwirkung der Richterinnen und Richter
Vizepräsidentin König,
Maidowski,
Langenfeld,
Wallrabenstein,
Fetzer,
Offenloch,
Frank,
Wöckel
am 13. März 2025 gemäß § 24 BVerfGG einstimmig beschlossen:
1. Die Anträge werden verworfen.
2. Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung werden damit gegenstandslos.
G r ü n d e :
A.
1
Die Antragstellenden zu 1., 4. und 5. sind Abgeordnete des 20. Deutschen Bundestages und nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis gewählte Abgeordnete des 21. Deutschen Bundestages. Die Antragstellenden zu 2. und 3. sind nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis gewählte Abgeordnete des 21. Deutschen Bundestages. Sie wenden sich mit ihrer Organklage und ihren Anträgen auf Erlass einer einstweiligen Anordnung unter anderem gegen die Anberaumung und Durchführung konkreter Sondersitzungen des 20. Deutschen Bundestages zur Änderung des Grundgesetzes nach der bereits erfolgten Wahl zum 21. Deutschen Bundestag (vgl. zum Sachverhalt BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. März 2025 - 2 BvE 3/25 -, Rn. 2 ff. – Alt-Bundestag I).
I.
2
Zur Begründung ihrer Anträge tragen die Antragstellenden vor, der nach der Auflösung des 20. Deutschen Bundestages neu gewählte 21. Deutsche Bundestag sei allein berufen, den Willen des Volkes durchzusetzen. Der aufgelöste Bundestag bleibe zwar kommissarisch im Amt, sei aber nicht mehr legitimiert und daher auch nicht voll handlungsfähig. Überdies sei die Antragsgegnerin zu 2. verfassungsrechtlich verpflichtet, nicht den 20., sondern den 21. Deutschen Bundestag einzuberufen. Art. 39 Abs. 2 GG setze hierfür nur einen Höchstzeitraum fest. Auch sei der neu gewählte Bundestag jedenfalls nicht weniger funktionsfähig als der teilweise bereits in Abwicklung begriffene alte Bundestag.
3
Die Abgeordneten hätten für das geplante Gesetzgebungsverfahren einen umfangreichen Beratungs- und Bearbeitungsbedarf, dem bis zu den angesetzten Sondersitzungen nicht Genüge getan werden könne. Die beabsichtigten Grundgesetzänderungen hätten weitreichende Folgen. Durch die geplante Verschuldung werde dem 21. Deutschen Bundestag fast jede Möglichkeit genommen, eine vernünftige Haushaltspolitik zu verfolgen. Vor diesem Hintergrund und aus Sorge um zukünftige Generationen sei es Aufgabe der Abgeordneten des 21. Deutschen Bundestages, die Folgen des Gesetzentwurfs zu hinterfragen.
4
Mit der Terminierung der beiden Sondersitzungen werde zudem gegen Art. 39 Abs. 3 Satz 3 GG verstoßen, weil lediglich zwei Fraktionen statt einem Drittel der Abgeordneten des Bundestages dessen Einberufung verlangt hätten.
II.
5
Die Antragsgegner und die Bundesregierung haben Stellung genommen. Der Bundespräsident und der Bundesrat hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
III.
6
Der nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis gewählte Abgeordnete des 21. Deutschen Bundestages Grimm hat den Beitritt zum Verfahren erklärt. Er sieht sich durch das beabsichtigte Vorgehen der Antragsgegner in seinen verfassungsmäßig garantierten Rechten als Organ des Parlaments verletzt.
B.
7
Die Anträge im Organklageverfahren haben keinen Erfolg.
I.
8
Soweit die Antragstellenden vortragen, dass ihrem umfangreichen Beratungs- und Bearbeitungsbedarf bis zu den angesetzten Sondersitzungen nicht Genüge getan werden könne, sind die Anträge unzulässig. Denn sie legen eine etwaige Verletzung ihres Rechts auf informierte Beratung und Beschlussfassung aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. BVerfGE 166, 304 <329 Rn. 88> – Gebäudeenergiegesetzänderungsgesetz – eA) nicht hinreichend substantiiert (vgl. BVerfGE 157, 300 <310 Rn. 25> – Unterschriftenquoren Bundestagswahl, m.w.N.) dar.
II.
9
Im Übrigen sind die Anträge jedenfalls offensichtlich unbegründet. Ungeachtet dessen, dass Abgeordnete bereits nicht befugt sind, in Prozessstandschaft für den Bundestag dessen Rechte geltend zu machen (vgl. BVerfGE 90, 286 <343 f.>; 117, 359 <366 ff.>; 123, 267 <337>; 134, 141 <198 Rn. 172>; stRspr), können sich weder der Bundestag noch einzelne Abgeordnete auf ein verfassungsmäßiges Recht berufen, dass der Bundestag nicht zu Sitzungen zusammentritt.
10
Insbesondere benötigt die Präsidentin des Deutschen Bundestages keine spezifischen Gründe, um eine Sitzung des Bundestages gemäß Art. 39 Abs. 3 Satz 2 GG einzuberufen (vgl. Klein/Schwarz, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 39 Rn. 77 <Aug. 2024>; a.A. Schliesky, in: Huber/Voßkuhle, GG, Bd. 2, 8. Aufl. 2024, Art. 39 Rn. 41; Groh, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2021, Art. 39 Rn. 43). Denn die Abhaltung einer Sitzung liegt letztlich in der Entscheidung des Deutschen Bundestages im Rahmen seines Selbstversammlungsrechts. So muss die Präsidentin zu Beginn der nach Art. 39 Abs. 3 Satz 2 GG anberaumten Sitzung die Genehmigung des Bundestages einholen (vgl. Dicke, in: Umbach/Clemens, GG, Bd. 2, 2002, Art. 39 Rn. 48) und der Bundestag kann die Sitzung auch direkt wieder vertagen (vgl. Schliesky, in: Huber/Voßkuhle, GG, Bd. 2, 8. Aufl. 2024, Art. 39 Rn. 41 m.w.N.).
11
Es ist daher ohne Belang, unter welchen Voraussetzungen nach Art. 39 Abs. 3 Satz 3 GG eine Verpflichtung zur Einberufung des Bundestages besteht und ob diese vorliegend erfüllt sind. Überdies gibt das Grundgesetz nicht vor, wie das Erreichen des Quorums des Art. 39 Abs. 3 Satz 3 GG in der parlamentarischen Praxis festzustellen ist (vgl. Ritzel/Bücker/Schreiner, Handbuch für die Parlamentarische Praxis, § 21 GO-BT, II a) aa) <Dez. 1997>). Dass hierfür die Unterschrift der Zeichnungsberechtigten einer Fraktion oder mehrerer Fraktionen mit dem entsprechenden Quorum als ausreichend angesehen wird, ist daher von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden (vgl. Hölscheidt, in: Bonner Kommentar, Art. 39 Rn. 186 <Juli 2019>).
12
Soweit die Antragstellenden geltend machen, die Präsidentin des Deutschen Bundestages habe bei der Einberufung zu den Sitzungen des 20. Bundestages ihre Rechte als gewählte Abgeordnete des 21. Bundestages oder die Möglichkeit des 21. Bundestages, sich zu konstituieren, zu berücksichtigen, wird auf den Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 13. März 2025 - 2 BvE 3/25 -, Rn. 15 – Alt-Bundestag I, verwiesen.
C.
13
Mit der Ablehnung der Anträge im Organklageverfahren werden die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenstandslos.
- König
- Maidowski
- Langenfeld
- Wallrabenstein
- Fetzer
- Offenloch
- Frank
- Wöckel