BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvE 5/25 -
Alt-Bundestag III
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Verfahren
über
die Anträge festzustellen,
1. dass die Antragsgegnerin durch die am 6. März 2025 erfolgte Verkündung der Einberufung der außerordentlichen Sitzung des 20. Deutschen Bundestages
a) für den 13. März 2025, 12:00 Uhr (erste Lesung),
b) für den 18. März 2025, 10:00 Uhr (zweite/dritte Lesung)
die Antragstellerin zu 1. und den 20. Deutschen Bundestag jeweils im Beteiligungs- und Mitwirkungsrecht und dem Recht zur Parlamentsautonomie, insbesondere dem Recht über die Bestimmung seiner Verfahrensabläufe und dem Selbstorganisations- und Selbstversammlungsrecht, aus Artikel 20 Absatz 1, Absatz 2, Absatz 3, Artikel 38 Absatz 1, Artikel 39, Artikel 40, Artikel 42 Absatz 2, Artikel 76, Artikel 77 und Artikel 79 Grundgesetz verletzt hat,
2. dass die Antragsgegnerin durch die am 6. März 2025 erfolgte Verkündung der Einberufung der außerordentlichen Sitzung des 20. Deutschen Bundestages
a) für den 13. März 2025, 12:00 Uhr (erste Lesung),
b) für den 18. März 2025, 10:00 Uhr (zweite/dritte Lesung)
den Antragsteller zu 2. in seinem Recht auf das freie Mandat, insbesondere dem Recht auf Teilhabe an der parlamentarischen Willensbildung, aus Artikel 38 Absatz 1 Grundgesetz verletzt hat,
3. dass die Antragsgegnerin
a) durch die am 6. März 2025 erfolgte Verkündung der Einberufung zur außerordentlichen Sitzung des 20. Deutschen Bundestages
aa) für den 13. März 2025, 12:00 Uhr (erste Lesung),
bb) für den 18. März 2025, 10:00 Uhr (zweite/dritte Lesung),
b) hilfsweise durch die bis zum heutigen Tag (10. März 2025), äußerst hilfsweise
bis zum Ablauf des Tages, an dem das amtliche Endergebnis der Bundestagswahl vom 23. Februar 2025 verkündet wird, unterlassene Einberufung des 21. Deutschen Bundestages zur ersten, zusammentretenden Sitzung
den Antragsteller zu 2. und die Antragstellerin zu 3. jeweils in ihren Rechten auf das freie Mandat, insbesondere dem Recht auf Teilhabe an der parlamentarischen Willensbildung, aus Artikel 38 Absatz 1 Grundgesetz verletzt hat,
4. dass den Antragstellern die notwendigen Auslagen des Organstreitverfahrens erstattet werden
Antragstellende:
1. AfD-Fraktion im 20. Deutschen Bundestag,
vertreten durch die Fraktionsvorsitzenden Dr. Alice Weidel, MdB,
und Tino Chrupalla, MdB,
Platz der Republik 1, 11011 Berlin,
2. Stephan Brandner, MdB,
Platz der Republik 1, 11011 Berlin,
3. Dr. Anna Leonore Labitzke Rathert,
Platz der Republik 1, 11011 Berlin,
- Bevollmächtigte: (…) -
Antragsgegnerin:
Präsidentin des Deutschen Bundestages,
Bärbel Bas,
Platz der Republik 1, 11011 Berlin
- Bevollmächtigter: Prof. Dr. Frank Schorkopf -
und Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
hat das Bundesverfassungsgericht - Zweiter Senat -
unter Mitwirkung der Richterinnen und Richter
Vizepräsidentin König,
Maidowski,
Langenfeld,
Wallrabenstein,
Fetzer,
Offenloch,
Frank,
Wöckel
am 13. März 2025 gemäß § 24 BVerfGG einstimmig beschlossen:
1. Die Anträge werden verworfen.
2. Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung werden damit gegenstandslos.
3. Der Antrag auf Erstattung der notwendigen Auslagen wird abgelehnt.
G r ü n d e :
A.
1
Die Antragstellende zu 1. ist eine Fraktion des 20. Deutschen Bundestages. Der Antragstellende zu 2. ist Abgeordneter des 20. Deutschen Bundestages und nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis gewählter Abgeordneter des 21. Deutschen Bundestages. Die Antragstellende zu 3. ist nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis gewählte Abgeordnete des 21. Deutschen Bundestages. Die Antragstellenden wenden sich mit ihrer Organklage und ihren Anträgen auf Erlass einer einstweiligen Anordnung unter anderem gegen die Anberaumung und Durchführung konkreter Sondersitzungen des 20. Deutschen Bundestages zur Änderung des Grundgesetzes nach der bereits erfolgten Wahl zum 21. Deutschen Bundestag, in denen über mögliche Grundgesetzänderungen beraten werden soll (vgl. zum Sachverhalt BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. März 2025 - 2 BvE 3/25 -, Rn. 2 ff. – Alt-Bundestag I).
I.
2
Zur Begründung ihrer Anträge tragen die Antragstellenden vor, die Antragsgegnerin dürfe sich nicht über die Auflösung des 20. Deutschen Bundestages durch den Bundespräsidenten hinwegsetzen. Ihr Einberufungsrecht aus Art. 39 Abs. 3 Sätze 2 und 3 GG gehe allenfalls dahin, den 21. Deutschen Bundestag einzuberufen. Dies sei aus Gründen der Legitimität notwendig, sobald es – wie hier – technisch möglich sei.
3
Die Einberufung des 20. Deutschen Bundestages verletze dessen Selbstversammlungsrecht. Sie sei auch deswegen unzulässig, weil das Quorum für ein Einberufungsverlangen nach Art. 39 Abs. 3 Satz 3 GG durch das lediglich von zwei Fraktionen geäußerte Ersuchen nicht erfüllt werde.
4
Es stehe dem 20. Deutschen Bundestag generell nicht mehr zu, ohne besondere Eilbedürftigkeit über Änderungen des Grundgesetzes zu beschließen. Dies verstoße gegen das Demokratieprinzip in seiner besonderen Ausformung der Wahrung der sachlichen und personellen Diskontinuität, jedenfalls im Fall einer Auflösung des Parlaments nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 GG.
5
Die nach Ansicht der Antragstellenden verfassungswidrig einberufenen Sondersitzungen des 20. Deutschen Bundestages brächten dessen Abgeordnete in einen Gewissenskonflikt und verletzten ihre Rechte aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG. Die unterlassene Einberufung des 21. Deutschen Bundestages hindere dessen Abgeordnete an der Ausübung ihrer entsprechenden Rechte.
II.
6
Die Antragsgegnerin und die Bundesregierung haben Stellung genommen. Der Bundespräsident und der Bundesrat hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
B.
7
Die Anträge im Organklageverfahren sind offensichtlich unbegründet.
8
Weder einzelne Abgeordnete noch Fraktionen des 20. Deutschen Bundestages noch – soweit dessen Rechte im Wege der Prozessstandschaft geltend gemacht werden sollten – der 20. Deutsche Bundestag selbst können sich auf ein verfassungsmäßiges Recht berufen, dass der Bundestag nicht zu Sitzungen zusammentritt (vgl. dazu BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. März 2025 - 2 BvE 2/25 -, Rn. 9 – Alt-Bundestag II).
9
Soweit die Antragstellenden zu 2. und 3. Rechtsverletzungen dadurch geltend machen, dass die Antragsgegnerin nicht den 21. Deutschen Bundestag einberufe, wird auf den Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 13. März 2025 - 2 BvE 3/25 -, Rn. 15, verwiesen.
10
Dem 20. Deutschen Bundestag fehlt es nicht an verfassungsrechtlicher Legitimation. Nach Art. 39 Abs. 1 Satz 2 GG endet die Wahlperiode mit dem Zusammentritt des neuen Bundestages. Damit wird sichergestellt, dass die Wahlperioden lückenlos aneinander anschließen und der Staat zu keinem Zeitpunkt ohne ein handlungsfähiges Parlament ist (vgl. Schliesky, in: Huber/Voßkuhle, GG, Bd. 2, 8. Aufl. 2024, Art. 39 Rn. 3; Groh, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2021, Art. 39 Rn. 13). Bis zum Zusammentritt des neuen Bundestages, der nach Art. 39 Abs. 2 GG spätestens am 30. Tag nach der Wahl erfolgen muss, ist der alte Bundestag in seinen Handlungsmöglichkeiten nicht beschränkt (vgl. Kochsiek, Der Alt-Bundestag, 2002, S. 167 f.; Kluth, in: Schmidt-Bleibtreu, GG, 15. Aufl. 2022, Art. 39 Rn. 19; Brocker, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Art. 39 Rn. 10 <Dez. 2024>). Dies gilt auch bei einer Auflösung des Parlaments nach Art. 68 Abs. 1 GG (vgl. Groh, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2021, Art. 39 Rn. 12).
C.
11
Mit der Ablehnung der Anträge im Organklageverfahren werden die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenstandslos.
D.
12
Der Antrag auf Erstattung der notwendigen Auslagen ist abzulehnen. Die Auslagenerstattung richtet sich im Organstreitverfahren nach § 34a Abs. 3 BVerfGG und kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn besondere Billigkeitsgründe vorliegen (vgl. BVerfGE 20, 119 <133 f.>; 162, 207 <269 Rn. 186> – Äußerungsbefugnisse der Bundeskanzlerin; stRspr). Solche Gründe liegen hier nicht vor.
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