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Information zur mündlichen Verhandlung "Rentenüberleitung"

Pressemitteilung Nr. 83/1998 vom 16. Juli 1998

Im Hinblick auf die mündliche Verhandlung des Ersten Senats des BVerfG am 21. Juli 1998 zum Komplex "Rentenüberleitung" wird folgendes mitgeteilt:

I.

Zur Rechtslage:

Die fünf gerichtlichen Vorlagen und die vier Verfassungsbeschwerden beziehen sich auf gesetzliche Regelungen nach der Wiedervereinigung zur Schaffung eines einheitlichen Rentenrechts in den neuen und alten Bundesländern.

  1. In der DDR bestand eine umfassende Sozialpflichtversicherung für "Werktätige", Selbständige und Genossenschaftsmitglieder. Für Empfänger von Einkommen oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze (600,-- Mark) bestand ergänzend die Möglichkeit, eine Freiwillige Zusatzrentenversicherung (FZR) abzuschließen.

    Für bestimmte Gruppen gab es neben diesen oder statt dieser beiden Versicherungen Zusatz- und Sonderversorgungssysteme. Alle neun Verfahren betreffen diese Versorgungssysteme.

    a) Die Zusatzversorgung sollte den Berechtigten einen prozentualen Teil des zuletzt erzielten Nettoentgelts (in der Regel 90%) unter Anrechnung der gesetzlichen Altersrente (Sozialpflichtversicherung und FZR) sichern. Eine Beitragspflicht, die allerdings nicht für alle Gruppen galt, wurde 1971 eingeführt. Angehörige der zahlreichen Zusatzversorgungssysteme waren nicht nur Mitglieder des Staatsapparates sowie gesellschaftlicher Organisationen, sondern auch die sogenannte wissenschaftliche und technische Intelligenz, ferner Künstler und Ballettmitglieder. Die einzelnen Versorgungsordnungen waren unterschiedlich ausgestaltet.

    b) Die Sonderversorgung stellte eine von der Sozialpflichtversicherung unabhängige, also eigenständige, der Beamtenversorgung ähnliche Altersversorgung für Armeeangehörige, Polizisten, Feuerwehrleute, Strafvollzugsbedienstete, Zöllner und Beschäftigte des MfS dar. Die Rentenhöhe betrug grundsätzlich 90% der letzten Nettobesoldung. Dafür hatten die Berechtigten 10% ihrer Bruttobezüge als Beitrag zu entrichten.

  2. Im Einigungsvertrag (EV) wurde vereinbart, daß die Ansprüche aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen der DDR in die gesetzliche Rentenversicherung zu überführen sind. Dabei seien "ungerechtfertigte Leistungen abzuschaffen und überhöhte Leistungen abzubauen". Es dürfe keine "Besserstellung gegenüber vergleichbaren Ansprüchen und Anwartschaften aus anderen öffentlichen Versorgungssystemen" erfolgen. Zu kürzen oder abzuerkennen seien darüber hinaus Versorgungen, "wenn der Berechtigte gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen oder in schwerwiegendem Maße seine Stellung zum eigenen Vorteil oder zum Nachteil anderer mißbraucht" habe. Ferner wurde eine "Zahlbetragsgarantie" (Garantie einer bestimmten Rentenhöhe für Bestandsrentner und rentennahe Jahrgänge) aufgenommen.
  3. Mit dem bereits viermal geänderten Gesetz zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebietes (AAÜG) wurden diese Vorgaben wie folgt umgesetzt:

    a) Die Versorgungsansprüche gegen die ehemaligen Zusatz- und Sonderversorgungseinrichtungen werden in Rentenansprüche gegen die (bundesdeutschen) Träger der gesetzlichen Rentenversicherung umgewandelt und entsprechend der Anzahl der Arbeitsjahre und der Höhe des Arbeitseinkommens - also unabhängig von den Beitragsleistungen - bewertet. Die Arbeitseinkommen werden dabei höchstens bis zur Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 6 Abs. 1 AAÜG i.V.m. Anlage 3) berücksichtigt (sog. Systementscheidung).

    b) Im Falle der Zugehörigkeit zu "staats- und systemnahen" Versorgungssystemen (vgl. § 6 Abs. 2 AAÜG - "bereichsspezifische" Zuordnung) sowie der Ausübung "systemnaher" Funktionen (vgl. § 6 Abs. 3 AAÜG -"funktionsspezifische" Zuordnung) wird das bei der Bemessung der Höhe der Rente berücksichtigungsfähige Einkommen, sofern es zwischen 140% und 160% des Durchschnittseinkommens liegt, auf 140% des Durchschnittseinkommens begrenzt. Sofern es über 160% liegt, kann es degressiv bis auf das Durchschnittseinkommen (100%) abgesenkt werden.

    c) Das Einkommen aus einer Tätigkeit beim MfS/AfNS wird vor der Überleitung in die Rentenversicherung auf höchstens 70% des Durchschnittsentgelts abgesenkt (vgl. § 7 Abs. 1 AAÜG).

    d) Die vor der Rentenüberleitung und für eine Übergangszeit nach DDR-Recht gezahlten Beträge werden aus Bestandsschutzgründen weitergezahlt, wenn die Rentenberechnung nach neuem Recht (SGB VI) einen niedrigeren Betrag ergibt. Diese geschützten Zahlbeträge werden für Mitglieder bestimmter Zusatzversorgungssysteme auf 2.700,-- DM monatlich (vgl. § 10 Abs. 1 S. 2 AAÜG), für Personen, die in "staats- und systemnahen" Bereichen oder Funktionen gearbeitet haben, auf 2.010,-- DM (vgl. § 10 Abs. 1 S. 1 AAÜG) und für ehemalige Angehörige des MfS/AfNS auf 802,-- DM monatlich (vgl. § 10 Abs. 2 S. 1 AAÜG) begrenzt.

  4. Die Überleitung der "normalen" (gesetzlichen) Rente Ost, die nicht Gegenstand der Verfahren ist, führte für die Empfänger überwiegend zu einer finanziellen Verbesserung (Umstellung 1:1; Umwertung der in der DDR erzielten Verdienste auf Westniveau; Dynamisierung). Dies gilt in vielen Fällen nicht für die ehemals Zusatz- bzw. Sonderversorgten. Schon die Grundentscheidung ("Systementscheidung") führt dazu, daß allen Betroffenen Ansprüche nur im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung zustehen. Wegen der insoweit geltenden Beitragsbemessungsgrenze können hohe Renten nicht erreicht werden.

    Neben dieser Grundentscheidung ergeben sich weitere Rentenkürzungen aufgrund von Sondertatbeständen. Durch das AAÜG werden ohne Individualprüfung Renten bei Tätigkeit in "staatsnahen" Systemen und Funktionen herabgesetzt.

    Von diesen Kürzungen Betroffene wenden ein, daß erworbene und durch die Rentenüberleitung vom gesamtdeutschen Gesetzgeber grundsätzlich anerkannte Ansprüche auf Altersversorgung in dieser Weise nicht zur Disposition stehen können. Auch seien die durch das AAÜG vorgenommenen Rentenkürzungen mit dem GG (u.a. im Hinblick auf den Gleichheitssatz und die Eigentumsgarantie) nicht vereinbar.

II.

Zu den einzelnen, zur gemeinsamen mündlichen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Verfahren:

  1. 1 BvR 2105/95 (Verfassungsbeschwerde-Verfahren); 1 BvL 32/95 (Vorlage des Bundessozialgerichts; BSG)

    Der Beschwerdeführer war ordentlicher Professor an der Humboldt-Universität in Berlin und zuletzt Direktor der Urologischen Klinik und Poliklinik sowie Leiter der wissenschaftlichen Forschungsabteilung der Charit‰.

    Er erhielt in der DDR nach seiner Emeritierung neben seiner Rente aus der Sozialversicherung eine Alterszusatzversorgung. Der Beschwerdeführer verlangt mit seiner Verfassungsbeschwerde u.a., daß der bis zum 31. Juli 1991 geleistete Rentenzahlbetrag dynamisiert wird.

    Das BSG hat mit Beschluß vom 14. Juni 1995 (4 RA 28/94) dem BVerfG die Frage vorgelegt, ob § 10 Abs. 1 S. 2 AAÜG insoweit mit Art. 14 Abs. 1 S. 1 (Eigentumsgarantie) und dem Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 GG vereinbar ist, als die Summe der Zahlbeträge auf 2.700,-- DM begrenzt worden ist. Beide Verfahren (Verfassungsbeschwerde-Verfahren und Vorlageverfahren), die unterschiedliche Rentenbezugszeiten betreffen, sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

  2. 1 BvL 34/95 (Vorlage des BSG)

    Der Kläger des Ausgangsverfahrens war zuletzt Oberstleutnant in der Deutschen Volkspolizei.

    Er wendet sich dagegen, daß sein letztes Arbeitseinkommen wegen der "staatsnahen" Funktion gemäß § 6 Abs. 2 AAÜG nur begrenzt der Berechnung seiner Versichertenrente zugrunde gelegt wurde.

    Das BSG hat mit Beschluß vom 14. Juni 1995 (4 RA 98/94) dem BVerfG die Frage vorgelegt, ob § 6 Abs. 2 S. 1 und 2 AAÜG mit Art. 3 Abs. 1 GG (allgemeiner Gleichheitssatz) vereinbar ist.

  3. 1 BvL 22/95 (Vorlage des Sozialgerichts Gotha (SG))

    Der Kläger des Ausgangsverfahrens war in der DDR als Zivilrichter beim Bezirksgericht tätig. Nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik wurde er in den Justizdienst des Freistaates Thüringen übernommen und schied aus diesem im August 1993 aus Altersgründen aus.

    Auch er wendet sich dagegen, daß bei der erstmaligen Berechnung seiner Versichertenrente nach dem SGB VI lediglich ein begrenzter Betrag seines letzten Bruttoarbeitsentgelts zugrunde gelegt worden ist.

    Das SG hat mit Beschluß vom 9. Juni 1995 (S 5/An-649/94) dem BVerfG die Frage vorgelegt, ob § 6 Abs. 2 und § 6 Abs. 3 Nr. 7 AAÜG mit dem GG vereinbar sind.

  4. 1 BvR 1926/96 (Vb-Verfahren)

    Der Beschwerdeführer war niedergelassener Facharzt für Urologie und erhielt nach Erreichen der Altersgrenze eine Rente aus der Sozialpflichtversicherung und aus der Zusatzversorgung.

    Er wendet sich dagegen, daß die Berechnung seiner Versichertenrente für die Zeit ab Januar 1992 bisher lediglich vorläufig erfolgt ist. Er habe Anspruch auf die für ihn günstigere endgültige Berechnung.

  5. 1 BvR 485/97 (Verfassungsbeschwerde-Verfahren)

    Die Beschwerdeführerin war als Oberärztin/Abteilungsleiterin bei dem Krankenhaus Berlin-Buch tätig. Nach Erreichen der Altersgrenze erhielt sie eine Rente sowohl aus der Sozialpflichtversicherung als auch aus der Zusatzversorgung.

    Sie wendet sich gegen die ab Juli 1990 gültige Neuberechnung ihrer Rente und verlangt, bei der Rentenneuberechnung wie Versicherte in den alten Bundesländern behandelt zu werden oder jedenfalls wie solche "Bestandsrentner" in der DDR, die nur der Sozialpflichtversicherung und der FZR angehörten.

  6. 1 BvR 1560/97 (Verfassungsbeschwerde-Verfahren)

    Der Beschwerdeführer war als Oberst des MfS zuletzt vornehmlich in der Hauptabteilung Aufklärung beschäftigt.

    Er wendet sich dagegen, daß auf der Grundlage des Aufhebungsgesetzes der DDR (Gesetz über die Aufhebung der Versorgungsordnung des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit/Amtes für Nationale Sicherheit vom 29. Juni 1990) seine (Invaliden-)Rente auf 990,-- DM gekürzt wurde.

  7. 1 BvL 11/94 (Vorlage des BSG)

    Der Kläger des Ausgangsverfahrens war hauptberuflich im Dienst des MfS tätig, zuletzt im Range eines Oberstleutnants.

    Er wendet sich dagegen, daß seine (Invaliden-)Rente gemäß § 10 Abs. 2 S. 1 AAÜG auf 802,-- DM monatlich gekürzt wurde.

    Das BSG hat mit Beschluß vom 30. März 1994 (4 RA 33/92) dem BVerfG die Frage vorgelegt, ob diese Vorschrift insoweit mit Art. 14 Abs. 1 S. 1 und Art. 20 Abs. 1 GG vereinbar ist, als der Höchstbetrag der Versichertenrenten des Sonderversorgungssystems des ehemaligen MfS auf 802,-- DM begrenzt worden ist.

  8. 1 BvL 33/95 (Vorlage des BSG)

    Die Klägerin des Ausgangsverfahrens war als Berufssoldatin in der Diensteinheit Hauptabteilung Kader und Schulung beim MfS - zuletzt im Range eines Hauptmanns - beschäftigt.

    Sie wendet sich dagegen, daß gemäß § 7 Abs. 1 S. 1 AAÜG bei der Berechnung ihrer Versichertenrente lediglich ein Betrag von 70% des durchschnittlichen Arbeitsentgelts zugrunde gelegt wurde.

    Das BSG hat mit Beschluß vom 14. Juni 1995 (4 RA 54/94) dem BVerfG die Frage vorgelegt, ob diese Vorschrift mit Art. 3 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 GG vereinbar ist.

III.

Der Fragenkatalog für die mündliche Verhandlung lautet:

I. Zur sogenannten Systementscheidung

  1. Aus welchen Elementen besteht die sogenannte Systementscheidung? Welche Funktion kommt der "Zahlbetragsgarantie" des Einigungsvertrages im Hinblick auf die für die Betroffenen nachteiligen Auswirkungen dieser Entscheidung zu?
  2. Inwieweit war die sogenannte Systementscheidung bereits im Staatsvertrag und im Rentenversicherungsrecht der DDR (Gesetz über die Sozialversicherung, Rentenangleichungsgsetz, Gesetz über die Aufhebung der Versorgungsordnung des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit/ Amtes für Nationale Sicherheit) angelegt?
  3. Welche Probleme hätten sich bei einer rentenrechtlichen Berücksichtigung tatsächlich erzielter Verdienste von Zusatz- und Sonderversorgungsberechtigten über die Beitragsbemessungsgrenze hinaus, bei einer Eingliederung der Altersversorgung von Zusatz- und Sonderversorgungsberechtigten in die Versorgungssysteme der entsprechenden Berufsgruppen in den alten Bundesländern oder bei Schaffung zusätzlicher "ergänzender Sicherungen" ergeben?

II. Rentenansprüche und Anwartschaften aus Versorgungssystemen der Deutschen Demokratischen Republik als Eigentumspositionen im Sinne des Art. 14 GG

  1. Erstreckt sich die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG auf den Erwerb von Ansprüchen und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen der Deutschen Demokratischen Republik?
  2. Hat der Gesetzgeber mit der "Zahlbetragsgarantie" in Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr. 9 Buchst. b S. 4 und 5 des Einigungsvertrages konkrete sozialrechtliche Ansprüche gegen bundesdeutsche Rentenversicherungsträger begründet und sie dem Schutz des Art. 14 GG unterstellt?

III. Verfassungsrechtliche Beurteilung der sogenannten Systementscheidung

  1. Welche Bedeutung kommt der Umstellung der in der DDR gezahlten Renten auf DM, der Umwertung in der DDR erzielter Verdienste auf Westniveau und den regelmäßigen Rentenanpassungen im Hinblick auf das Ziel der Herstellung der Gleichwertigkeit mit Versichertenrenten in den alten Bundesländern zu?
  2. Kann es aufgrund der "Zahlbetragsgarantie" des Einigungsvertrages zu einer unterschiedlichen Behandlung von Rentnern im Beitrittsgebiet gegenüber Pflichtversicherten in den alten Bundesländern kommen?
  3. Unterstellt, die sich aus der sogenannten Systementscheidung ergebenden Nachteile für Berechtigte aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen würden (zunächst) als verfassungsmäßig beurteilt, wäre die sogenannte Systementscheidung in ihrer ursprünglichen Ausgestaltung nach Ablauf einer Übergangszeit verfassungswidrig?

IV. Verfassungsrechtliche Beurteilung der Sonderregelungen des § 6 Abs. 2 und 3 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) in seiner bis zum 31. Dezember 1996 geltenden Fassung und des § 7 Abs. 1 AAÜG über die Begrenzung des berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts oder -einkommens

  1. Welchen Zweck verfolgte der Gesetzgeber mit der Regelung des § 6 Abs. 2 und 3 AAÜG?
  2. Welchen Zweck verfolgt die Regelung des § 7 Abs. 1 AAÜG? Muß aus dem Umstand, daß bei Berechtigten aus dem Sonderversorgungssystem des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) für die Berücksichtigungsfähigkeit von Arbeitsentgelt oder -einkommen eine Kappung unterhalb des Durchschnittsentgelts erfolgt ist, geschlossen werden, daß § 7 Abs. 1 AAÜG nicht nur dem Abbau überhöhter Arbeitsverdienste dient?
  3. Hat der Gesetzgeber mit den Vorschriften über die Rentenüberleitung (auch) den in Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr. 9 Buchst. b S. 3 Nr. 2 des Einigungsvertrages geregelten Kürzungsvorbehalt umgesetzt?
  4. Beruhen die in § 6 Abs. 2 und 3 und § 7 Abs. 1 AAÜG vorgenommenen Typisierungen auf empirischen Untersuchungen über die Lohn- und Gehalts-(gruppen-)struktur und die Methoden der Arbeitsbewertung in der DDR? Wenn nicht, hätte es solcher Untersuchungen von Verfassungs wegen bedurft?

    Im einzelnen:

    a) Auf welchen empirisch gesicherten Erkenntnissen oder Vorstellungen beruht die Annahme, daß Arbeitsentgelte oder -einkommen von Personen, die den in § 6 Abs. 2 AAÜG genannten Versorgungssystemen angehörten, prinzipiell aus politischen Gründen überhöht waren? Welche Erkenntnisse belegen darüber hinaus, daß nur in den in § 6 Abs. 3 AAÜG enumerativ aufgezählten Funktionen Arbeitsentgelte oder -einkommen erzielt wurden, die ausnahmslos oder jedenfalls ganz überwiegend aus politischen Gründen überhöht waren?

    b) Auf welchen empirisch gesicherten Erkenntnissen oder Vorstellungen beruht die Annahme, daß Arbeitsentgelte oder -einkommen von Personen mit Ansprüchen aus dem Sonderversorgungssystem des MfS prinzipiell in (noch) stärkerem Maße aus politischen Gründen überhöht waren als Arbeitsverdienste von Personen, die in den Versorgungssystemen nach § 6 Abs. 2 AAÜG erfaßt waren?

    c) Warum kommt gerade einem Verdienst in Höhe von 140 vom Hundert des Durchschnittsentgelts Aussagekraft für die Frage zu, ob ein Arbeitsentgelt oder -einkommen wegen politischer Begünstigung überhöht war?

    d) Welche empirischen Erkenntnisse belegen oder welche Vorstellung ist dafür maßgebend, daß bei Verdiensten zwischen 140 vom Hundert und 160 vom Hundert des Durchschnittsentgelts nur eine mäßige Überhöhung, bei solchen über 160 vom Hundert hingegen eine außerordentliche Überhöhung der Verdienste vorlag, die in jedem Fall eine schrittweise Absenkung des (rentenwirksamen) Arbeitsentgelts oder -einkommens bis hin zum Durchschnittsentgelt erforderlich macht?

    e) Warum kommt gerade einem Verdienst in Höhe von 70 vom Hundert des Durchschnittsentgelts Aussagekraft für die Frage zu, ob ein für Tätigkeiten beim MfS erzieltes Arbeitsentgelt oder -einkommen wegen politischer Begünstigung überhöht war?

  5. Besteht von Verfassungs wegen ein Gebot, bei der Überführung von Ansprüchen und Anwartschaften aus dem Sonderversorgungssystem des MfS in die gesetzliche Rentenversicherung in jedem Fall einen Leistungsrest aufrechtzuerhalten, der für Personen mit Ansprüchen aus diesem Versorgungssystem eine soziale Mindestsicherung gewährleistet und andere Sozialleistungen entbehrlich macht, die an die Bedürftigkeit anknüpfen?
  6. Bedarf es der Schaffung einer gesetzlichen Möglichkeit zur individuellen Überprüfung von Rentenfällen ("Härteklausel") für solche Personen, bei denen die Anwendung der Regelungen über die Begrenzung des berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts oder -einkommens nach § 6 Abs. 2 und 3 und § 7 Abs. 1 AAÜG unbillig erscheint?

    a) Wenn ja: Welche Art von Härten wären auszugleichen?

    b) Ständen der Vermeidung dieser Härten durch die Schaffung einer solchen Überprüfungsmöglichkeit praktische Erfordernisse der Verwaltung und des Gesetzesvollzugs entgegen? In welchem Verfahren könnte eine solche Einzelfallprüfung vorgenommen werden? In welchem Umfang wären Überprüfungsanträge zu erwarten?

V. Verfassungsrechtliche Beurteilung der Regelungen über die "vorläufige" Zahlbetragsbegrenzung nach § 10 Abs. 1 S. 2 und § 10 Abs. 2 S. 1 AAÜG

  1. Welches gesetzgeberische Anliegen soll mit den Regelungen über die "vorläufige" Zahlbetragsbegrenzung verwirklicht werden?
  2. In welchem Verhältnis stehen die Regelungen über die "vorläufige" Zahlbetragsbegrenzung zur "Zahlbetragsgarantie" des Einigungsvertrages? Hat die nachträgliche Absenkung des "garantierten" Zahlbetrags eine Beeinträchtigung der Ausgewogenheit der sogenannten Systementscheidung zur Folge?
  3. Welche Gründe sind dafür maßgebend, daß nach § 10 Abs. 1 S. 2 AAÜG auch Angehörige solcher Zusatzversorgungssysteme einer "vorläufigen" Zahlbetragsbegrenzung unterliegen, deren Arbeitsentgelte oder -einkommen (lediglich) auf die Beitragsbemessungsgrenze (§ 6 Abs. 1 AAÜG i.V.m. Anlage 3) begrenzt werden?
  4. Welche Bedeutung kommt dem Umstand zu, daß mit der Regelung des § 10 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AAÜG eine nochmalige Absenkung der bereits vom Gesetzgeber der DDR 1990 gekürzten Versorgungsleistung stattgefunden hat? Wie ist zu bewerten, daß der Höchstbetrag von 802,-- DM monatlich nur zu Beginn (1. Juli 1991) dem Betrag einer durchschnittlichen Altersrente im Beitrittsgebiet entsprach, in der Folgezeit aber darunterlag?