Bundesverfassungsgericht

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Erfolglose Verfassungsbeschwerde des ZDF zum "Titel-Merchandising"

Pressemitteilung Nr. 124/1998 vom 13. November 1998

Beschluss vom 28. Oktober 1998
1 BvR 341/93

Die 1. Kammer des Ersten Senats des BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde des ZDF gegen ein zivilgerichtliches Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) nicht zur Entscheidung angenommen. Das Urteil gestattet es dem Eigentümer des Schlosses Wotersen ("Guldenburg"), das Warenzeichen "Guldenburg" für verschiedene Produkte zu verwenden.

I.

1987 strahlte das ZDF die Fernsehserie "Das Erbe der Guldenburgs" aus. Schauplatz war u.a. das Schloß Wotersen in Schleswig-Holstein. Noch vor Abschluß der Dreharbeiten, Mitte 1986, sowie im September 1987 ließ der Schloßeigentümer das Warenzeichen "Guldenburg" für verschiedene Produkte, u.a. Getränke, Nahrungsmittel und Schmuck, beim deutschen Patentamt eintragen. Hiergegen wendete sich das ZDF. Das Landgericht Hamburg und das Hanseatische Oberlandesgericht in Hamburg gaben ihm recht. Auf die Revision des Schloßeigentümers hob der BGH (I ZR 254/90) diese Urteile auf.

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügte das ZDF insbesondere eine Verletzung der Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG. Die Rundfunkfreiheit erfasse nicht nur die Programminhalte selbst, sondern auch deren Darstellung und Vermittlung in der Öffentlichkeit sowie Maßnahmen, die eine aktive Zuschauerbindung bewirkten und intensivierten. Hierzu zähle auch der Vertrieb von Produkten unter Verwendung programmgeprägter Bezeichnungen.

II.

Die 1. Kammer des Ersten Senats hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Weder kommt ihr grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu noch ist sie zur Durchsetzung der als verletzt bezeichneten Verfassungsrechte angezeigt.

Bedeutung und Tragweite der Rundfunkfreiheit werden in dem Urteil des BGH nicht verkannt. Andere Grundrechte stehen dem ZDF als öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt nicht zur Verfügung.

Zur Begründung heißt es u.a.:

  1. Die Rundfunkfreiheit ist vor allem Programmfreiheit. Sie gewährleistet, daß Auswahl, Inhalt und Gestaltung des Programms Sache des Rundfunks bleiben und sich an publizistischen Kriterien ausrichten können. Eine Indienstnahme des Rundfunks für außerpublizistische Zwecke ist damit unvereinbar.

    Die Programmfreiheit in diesem Sinne wird durch die angegriffene Entscheidung nicht berührt. Sie wirkt sich vielmehr nur in finanzieller Hinsicht nachteilig aus. Soweit das ZDF eine Beeinträchtigung seiner Programmfreiheit dadurch befürchtet, daß Dritte Sendetitel in einer Weise für Produkte nutzen könnten, die den journalistischen Ruf der Rundfunkanstalten gefährden, bietet die Rechtsprechung des BGH zur Verwechslungsgefahr im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb davor ausreichenden Schutz. Daß der BGH im Ausgangsverfahren eine Verwechslungsgefahr verneint hat, entzieht sich als Würdigung des Sachverhalts und Anwendung einfachen Rechts der Nachprüfung durch das BVerfG.

  2. Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG folgt aus der Rundfunkfreiheit ferner eine Bestands- und Entwicklungsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, die die Gewährleistung einer funktionsgerechten Finanzierung einschließt. Der Gesetzgeber hat demnach auch die Pflicht, den Rundfunkanstalten die zur Erfüllung ihrer Aufgabe erforderlichen finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen.

    Auch angesichts dieser Pflicht begegnet es jedoch verfassungsrechtlich keinen Bedenken, daß der BGH das Titel-Merchandising für gänzlich rundfunkferne Produkte wie Lebens- und Genußmittel sowie Schmuck nicht mehr als von der Rundfunkfreiheit gesichert angesehen hat. Seine Weigerung, dem ZDF das von ihm beanspruchte Recht auf alleinige und umfassende kommerzielle Verwertung von Titeln seiner Fernsehsendungen im konkreten Fall zuzuerkennen, berührt daher die Rundfunkfreiheit auch nicht in ihrer Eigenschaft als Gewährleistung funktionsgerechter Finanzausstattung. Sollte die Funktionserfüllung gerade durch den Wegfall dieser Einnahmequelle gefährdet werden, so hätte der Gesetzgeber für entsprechenden Ausgleich zu sorgen. Von einer solchen Notwendigkeit kann allerdings angesichts des vom ZDF dargestellten Umfangs der Einnahmen aus dieser Quelle nicht die Rede sein.

  3. Von der Rundfunkfreiheit wird schließlich auch die weitere Verwertung eigener Rundfunkproduktionen sowie die darauf gerichtete Zusammenarbeit mit und Beteiligung an dritten Unternehmen erfaßt. Ob die gesetzgeberische Befugnis zur Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit es erlaubt, den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten wirtschaftliche Betätigungen aller Art einzuräumen, hat das BVerfG bisher offengelassen. Das bedarf auch im vorliegenden Fall keiner Klärung. Jedenfalls ist die wirtschaftliche Betätigung von öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten stets durch den Rundfunkauftrag bedingt und begrenzt.

    Im Ergebnis ist es deshalb verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, daß der BGH dem ZDF außerhalb des Verwechslungsbereichs eine schützenswerte Rechtsposition zum Titel-Merchandising für fernliegende Warenbereiche gerade unter Berufung auf die Rundfunkfreiheit nicht zugebilligt hat. Der BGH hat vielmehr mit plausiblen Erwägungen dargelegt, daß vom Titel-Merchandising eine Gefahr für die Rundfunkfreiheit als Freiheit, das Programm nach publizistischen Kriterien zu gestalten und weder von politischen noch wirtschaftlichen Bedingungen abhängig zu machen, ausgehen kann.