Bundesverfassungsgericht

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Erfolgloser Antrag von "Mehmet" auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung

Pressemitteilung Nr. 127/1998 vom 13. November 1998

Beschluss vom 12. November 1998
2 BvR 1838/98

Die 1. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG hat den Antrag des türkischen Jungen mit dem behördlichen Decknamen "Mehmet" auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung im Hinblick auf seine Abschiebung abgelehnt. Da die ebenfalls erhobene Verfassungsbeschwerde (Hauptsacheverfahren beim BVerfG) unzulässig ist, kann auch der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung keinen Erfolg haben.

I.

Mit Bescheid vom 24. Juli 1998 und Widerspruchsbescheid vom 7. August 1998 hatte die Stadt München es abgelehnt, die Aufenthaltserlaubnis von "Mehmet" (= Beschwerdeführer) zu verlängern, so daß er zur Ausreise verpflichtet ist. Die nach dem Gesetz sofort vollziehbare Ausreisepflicht des Beschwerdeführers soll durch seine Abschiebung in die Türkei vollzogen werden. Die gegen diese sofortige Vollziehbarkeit gerichteten Anträge des in Untersuchungshaft befindlichen Beschwerdeführers auf Gewährung von Eilrechtsschutz lehnten das Verwaltungsgericht (VG) und der Bayerische Verwaltungsgerichtshof ab.

Daraufhin beantragte der Beschwerdeführer beim BVerfG, die Bescheide der Stadt München einstweilen auszusetzen. Gleichzeitig erhob er Verfassungsbeschwerde gegen die verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen.

Gegenstand des hiesigen Verfahrens ist also nicht die in einem anderen Verfahren erfolgte Ausweisung.

Gegenstand des hiesigen Verfahrens sind auch nicht die in der öffentlichen Diskussion erhobenen Einwände gegen die Abschiebung, die weder vor den Verwaltungsgerichten noch vor dem BVerfG vorgetragen worden sind.

II.

Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung ist unbegründet.

Als Mittel des vorläufigen Rechtsschutzes hat die einstweilige Anordnung auch im verfassungsgerichtlichen Verfahren die Aufgabe, die Schaffung vollendeter Tatsachen zu verhindern; sie soll dazu beitragen, Wirkung und Bedeutung einer erst noch zu erwartenden Entscheidung in der Hauptsache zu sichern und zu erhalten. Gemäß dieser Sicherungsfunktion ist im Rahmen eines Verfassungsbeschwerde-Verfahrens kein Raum für den Erlaß einer einstweiligen Anordnung, wenn die Verfassungsbeschwerde keine Aussicht auf Erfolg hat.

So liegt der Fall hier. Die Annahmevoraussetzungen für die Verfassungsbeschwerde im Sinne des § 93a BVerfGG liegen nicht vor, weil die Verfassungsbeschwerde selbst unzulässig ist.

Da die Monatsfrist für eine weitere Begründung der Verfassungsbeschwerde noch offen ist, erfolgt eine Entscheidung über die Annahme der Verfassungsbeschwerde (= Hauptsache) erst nach Ablauf dieser Frist.

Zur Begründung der Unzulässigkeit heißt es u.a.:

  1. Das Hauptsacheverfahren (= Klage vom 16. August 1998 gegen die Nichtverlängerung der Aufenthaltserlaubnis) ist noch beim VG anhängig. Die Ausführungen des Beschwerdeführers dazu, daß ihm ein Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zustehe, sind zunächst in diesem Verfahren zu prüfen. Insoweit ist der Rechtsweg noch nicht erschöpft und die Verfassungsbeschwerde deshalb unzulässig. Im Eilverfahren vor den Verwaltungsgerichten wurde bisher allein über die sofortige Vollziehbarkeit der mit der Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis verbundenen Ausreisepflicht entschieden. Nur hiergegen kann sich auch die Verfassungsbeschwerde richten.
  2. Soweit sich die - bisherigen - Grundrechtsrügen des Beschwerdeführers auf die verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen im Eilverfahren beziehen, werden diese erstmals im Rahmen der Verfassungsbeschwerde erhoben. Im vorläufigen Rechtsschutzverfahren vor den Verwaltungsgerichten wurden sie nicht geltend gemacht. Der Zulässigkeit dieser Rügen steht also gleichfalls die mangelnde Ausschöpfung des Rechtswegs entgegen. Dies gilt beispielsweise für die Rüge, bei einem in Deutschland geborenen und aufgewachsenen Minderjährigen sei eine besonders gründliche Prüfung geboten, die in einem summarischen Eilverfahren gerade nicht erfolgen könne. Diese Rüge hätte spätestens im Beschwerdezulassungsverfahren beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof vorgebracht werden müssen.

    Auch soweit der Beschwerdeführer rügt, das VG sei bei seiner Eilentscheidung (= Ablehnung vorläufigen Rechtsschutzes) zu Unrecht davon ausgegangen, die Nichtverlängerung der Aufenthaltserlaubnis sei aller Voraussicht nach rechtmäßig, bleibt dieser Einwand der Prüfung im Hauptsacheverfahren bei den Verwaltungsgerichten vorbehalten. In dem für eine Ablehnung vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen Umfang hat das VG die Frage der Rechtmäßigkeit der zugrundeliegenden Bescheide umfassend geprüft.