Bundesverfassungsgericht

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Auch zugunsten in ehelicher Gemeinschaft lebender Eltern sind Kinderbetreuungskosten sowie ein Haushaltsfreibetrag steuermindernd zu berücksichtigen

Pressemitteilung Nr. 5/1999 vom 19. Januar 1999

Beschluss vom 10. November 1998
2 BvR 1057/91

Der Zweite Senat des BVerfG hat in drei Verfassungsbeschwerde-Verfahren folgendes entschieden:

1. Der besondere Gleichheitssatz des Art. 6 GG (Wortlaut s. Anlage) verbietet es, in ehelicher Gemeinschaft lebende, unbeschränkt steuerpflichtige Eltern vom steuermindernden Abzug der Kinderbetreuungskosten und eines Haushaltsfreibetrags auszuschließen. Die entsprechenden gesetzlichen Vorschriften des Einkommensteuergesetzes sind mit dem GG unvereinbar.

Diese Entscheidung ist einstimmig ergangen.

2. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, spätestens bis zum 1. Januar 2000 eine Neuregelung hinsichtlich der Abzugsfähigkeit der Kinderbetreuungskosten und spätestens bis zum 1. Januar 2002 hinsichtlich der Gewährung eines Haushaltsfreibetrags zu erlassen. Die Entscheidung zu diesem Punkt ist mit 7:1 Stimmen ergangen.

3. Zum Maßstab hat der Senat insbesondere ausgeführt:

Der Staat hat das Einkommen der Steuerpflichtigen im Umfang des "Existenzminimums" steuerfrei zu belassen. Dies gilt bei Familien für das Existenzminimum sämtlicher Mitglieder, also auch für das der Kinder. Die Leistungsfähigkeit von Eltern wird, über den existentiellen Sachbedarf und den erwerbsbedingten Betreuungsbedarf des Kindes hinaus, generell durch den Betreuungsbedarf gemindert. Dieser ist als Bestandteil des kindbedingten Existenzminimums steuerlich zu verschonen.

I.

Rechtslage

1. Nach § 33c des Einkommensteuergesetzes (EStG) können Alleinstehende (= Unverheiratete, auch wenn sie in außerehelicher Lebensgemeinschaft leben; dauernd getrennt lebende Ehegatten; Geschiedene, deren frühere Ehegatten nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind) wegen Erwerbstätigkeit, Krankheit oder Behinderung entstandene Kinderbetreuungskosten von dem zu versteuernden Einkommen abziehen. Dagegen werden unbeschränkt steuerpflichtige, in ehelicher Gemeinschaft lebende Eltern mit ihren Betreuungskosten wegen Erwerbstätigkeit der Einkommensteuer grundsätzlich unterworfen.

Nur dann, wenn ein in ehelicher Gemeinschaft lebender Elternteil krank oder behindert und der andere entweder erwerbstätig oder ebenfalls krank oder behindert ist, wird der Betreuungsbedarf berücksichtigt.

2. Der Gesetzgeber gewährt den nichtehelichen Erziehungsgemeinschaften einen Haushaltsfreibetrag (§ 32 EStG), und zwar auch dann, wenn jedem Elternteil ein Grundfreibetrag zusteht, während der Haushaltsfreibetrag den Ehegatten grundsätzlich vorenthalten wird.

Der Freibetrag soll die erhöhten Aufwendungen alleinstehender Steuerpflichtiger ausgleichen, die wegen ihrer Kinder zur Erweiterung von Wohnung und Haushalt gezwungen sind. Alleinstehende Personen mit Kindern sollen einen zusätzlichen Freibetrag ähnlich einem weiteren Grundfreibetrag erhalten und damit im Proportionalbereich der Einkommensteuer ebenso besteuert werden wie zusammen veranlagte Ehegatten. Der Haushaltsfreibetrag knüpft allein an den Haushalt des alleinstehenden Steuerpflichtigen an, erhöht sich aber nicht mit der Anzahl der Kinder.

II.

Sachverhalt

In den streitigen Veranlagungsjahren 1983, 1984, 1986 und 1987 lebten die insgesamt fünf Beschwerdeführer in einer ehelichen Familiengemeinschaft mit ihren Kindern unter 16 Jahren. In dieser Zeit waren jeweils beide Elternteile zumindest vorübergehend erwerbstätig und wurden steuerlich zusammen veranlagt. Anträge, die Aufwendungen, die in diesen Zeiträumen für die Betreuung ihrer Kinder entstanden waren, zu berücksichtigen, blieben erfolglos. Auf ihre Klagen entschieden die Finanzgerichte, die Beschwerdeführer könnten in die Regelung über den Abzug von Kinderbetreuungskosten und in die Regelung des Haushaltsfreibetrags nicht einbezogen werden, weil diese Bestimmungen jeweils ausschließlich alleinstehende Eltern mit Kindern berechtigten. Auch die hiergegen gerichtete Revision einer Beschwerdeführerin sowie die Beschwerde der übrigen Beschwerdeführer gegen die Nichtzulassung der Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) hatten keinen Erfolg.

Gegen diese gerichtlichen Entscheidungen sowie mittelbar gegen die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen in den seinerzeit geltenden Fassungen erhoben die Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde. Sie rügten insbesondere eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG. Der Gesetzgeber dürfe bei der steuerlichen Berücksichtigung zwangsläufiger Kinderbetreuungsaufwendungen Alleinstehende nicht gegenüber den in ehelicher Gemeinschaft lebenden Eltern bevorzugen.

III.

Der Zweite Senat hat den Beschwerdeführern recht gegeben und die angegriffenen gesetzlichen Vorschriften (§ 33c Abs. 1 bis 4 des EStG von Dezember 1984, § 32 Abs. 3 und 4 des EStG von Januar 1984, § 32 Abs. 7 EStG von April 1986) sowie alle nachfolgenden Fassungen für verfassungswidrig erklärt. Die gerichtlichen Entscheidungen wurden aufgehoben und die Verfahren an den BFH zurückverwiesen.

Zur Begründung heißt es u.a.:

  1. Verfassungsrechtlicher Maßstab

    a) Die Erziehungspflicht (Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG) trifft die Eltern als höchstpersönliche Verantwortung, die von ihnen jedoch nicht ausschließlich in eigener Person wahrgenommen werden muß. Art. 6 Abs. 1 GG garantiert als Abwehrrecht die Freiheit, über die Art und Weise der Gestaltung des ehelichen und familiären Zusammenlebens selbst zu entscheiden. Eltern dürfen ihr familiäres Leben nach ihren Vorstellungen planen und verwirklichen und insbesondere in ihrer Erziehungsverantwortung entscheiden, ob und in welchem Entwicklungsstadium das Kind überwiegend von einem Elternteil allein, von beiden Eltern in wechselseitiger Ergänzung oder von einem Dritten betreut werden soll.

    Das sich aus Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG ergebende Wächteramt des Staates berechtigt diesen nicht, die Eltern zu einer bestimmten Art und Weise der Erziehung ihrer Kinder zu drängen. Das GG überläßt die Entscheidung über das Leitbild der Erziehung den Eltern, die über die Art und Weise der Betreuung des Kindes, seine Begegnungs- und Erlebnismöglichkeiten sowie den Inhalt seiner Ausbildung bestimmen. Diese primäre Entscheidungsverantwortlichkeit der Eltern beruht auf der Erwägung, daß die Interessen des Kindes in aller Regel am besten von den Eltern wahrgenommen werden.

    b) Art. 6 Abs. 1 GG enthält einen besonderen Gleichheitssatz. Er verbietet, Ehe und Familie gegenüber anderen Lebens- und Erziehungsgemeinschaften schlechter zu stellen. Dieses Benachteiligungsverbot steht jeder belastenden Differenzierung entgegen, die an die Existenz einer Ehe oder die Wahrnehmung des Elternrechts in ehelicher Erziehungsgemeinschaft (Art. 6 Abs. 1 und 2 GG) anknüpft.

    Eine Benachteiligung liegt auch vor, wenn Ehepartner oder Eltern wegen ihrer Ehe und Familie und deren Gestaltung von Steuerentlastungen ausgeschlossen werden. Das Gebot der Steuergleichheit fordert zumindest für die direkten Steuern eine Belastung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit.

    c) Der Staat hat das Einkommen der Steuerpflichtigen im Umfang des "Existenzminimums" steuerfrei zu belassen. Dies gilt bei Familien für das Existenzminimum sämtlicher Mitglieder, also auch für das der Kinder. Die Leistungsfähigkeit von Eltern wird, über den existentiellen Sachbedarf und den erwerbsbedingten Betreuungsbedarf des Kindes hinaus, generell durch den Betreuungsbedarf gemindert. Dieser ist als Bestandteil des kindbedingten Existenzminimums steuerlich zu verschonen. Steuerpflichtige mit Kindern sind wegen ihrer Betreuungspflichten, die ihre Arbeitskraft oder ihre Zahlungsfähigkeit beanspruchen, im Vergleich zu Steuerpflichtigen ohne Kinder steuerlich weniger leistungsfähig. Würde dieser auf der elterlichen Pflicht zur Erziehung und Betreuung ihrer Kinder beruhende Bedarf bei der Bemessung der Einkommensteuer außer Betracht gelassen, wären die Eltern gegenüber kinderlosen Steuerpflichtigen benachteiligt, deren Leistungsfähigkeit nicht durch die Erfüllung elterlicher Pflichten gemindert wird.

    In diesem Zusammenhang darf nicht danach unterschieden werden, in welcher Weise der Bedarf des Kindes gedeckt wird. Das Einkommensteuergesetz hat den Betreuungsbedarf eines Kindes stets zu verschonen, mögen die Eltern das Kind persönlich betreuen, mögen sie eine zeitweilige Fremdbetreuung des Kindes, z.B. im Kindergarten, pädagogisch für richtig halten oder mögen sich beide Eltern für eine Erwerbstätigkeit entscheiden und deshalb eine Fremdbetreuung in Anspruch nehmen. Dieser Bedarf ist deshalb - anders als der erwerbsbedingte Bedarf - unabhängig von tatsächlich gezahlten Aufwendungen zu berücksichtigen.

    d) Aus der Schutzpflicht des Staates aus Art. 6 Abs. 1 GG ergibt sich auch die Aufgabe des Staates, die Kinderbetreuung in der jeweils von den Eltern gewählten Form in ihren tatsächlichen Voraussetzungen zu ermöglichen und zu fördern. Die Kinderbetreuung ist eine Leistung, die auch im Interesse der Gemeinschaft liegt und deren Anerkennung verlangt. Der Staat hat dementsprechend dafür Sorge zu tragen, daß es Eltern gleichermaßen möglich ist, teilweise und zeitweise auf eine eigene Erwerbstätigkeit zugunsten der persönlichen Betreuung ihrer Kinder zu verzichten wie auch Familientätigkeit und Erwerbstätigkeit miteinander zu verbinden.

  2. Anwendung des Maßstabs auf die Verfassungsbeschwerde-Verfahren

    Nach diesem Maßstab verletzen die gesetzlichen Vorschriften über die steuerliche Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten (a) und über den Abzug eines Haushaltsfreibetrags (b) die Beschwerdeführer in ihren Rechten aus Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG.

    a) Kinderbetreuungskosten

    Die gesetzliche Bestimmung des Abzugsberechtigten greift über die Gruppe der ausschließlich auf sich selbst angewiesenen Alleinstehenden hinaus (s.o. Ziffer I. 1). Lediglich unbeschränkt steuerpflichtige, in ehelicher Gemeinschaft lebende Eltern werden mit ihren Betreuungskosten wegen Erwerbstätigkeit der Einkommensteuer unterworfen. Dabei führt zunächst der Ausschluß von der Pauschbetragsregelung, die nicht auf notwendige Aufwendungen begrenzt ist, zu einer mit Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG nicht zu vereinbarenden Benachteiligung.

    Der Senat führt aus, daß dies auch für die Möglichkeit gilt, über den Pauschbetrag hinausgehende notwendige Aufwendungen geltend machen zu können. Auch insoweit dürfen alleinstehende Steuerpflichtige im Sinne des § 33c Abs. 2 EStG aber Kinderbetreuungskosten von der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage selbst dann abziehen, wenn sie nicht zur Erwerbstätigkeit gezwungen sind, weil sie für ihren eigenen Unterhalt Leistungen von dem anderen Elternteil in ausreichender Höhe erhalten. Die Kinderbetreuungskosten solcher "Alleinstehender" sind jedoch nicht mehr oder weniger zwangsläufig als diejenigen der in ehelicher Gemeinschaft lebenden Eltern.

    Der Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 GG gebietet zudem, den Betreuungsaufwand für Kinder bei allen Eltern steuerlich zu berücksichtigen. Er entsteht unabhängig davon, ob und, wenn ja, in welchem zeitlichen Rahmen die Kindesbetreuung durch Dritte wahrgenommen wird.

    b) Haushaltsfreibetrag

    Die Abzugsmöglichkeit eines Haushaltsfreibetrags für unverheiratete Eltern ist mit Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG nicht vereinbar, weil sie der ehelichen Erziehungsgemeinschaft vorenthalten, unverheirateten Eltern dagegen auch dann gewährt wird, wenn sie eine Erziehungsgemeinschaft bilden und beide steuerpflichtig sind.

    Diese unterschiedliche Behandlung läßt sich auch nicht auf eine größere kindbedingte Verteuerung der Haushaltsführung der abzugsberechtigten außerehelichen Erziehungsgemeinschaft gegenüber einer ehelichen Erziehungsgemeinschaft zurückführen. Grundsätzlich erhöht das Hinzutreten eines Kindes den Haushaltsführungsaufwand der Eltern. Dieser ist für jeden gemeinsamen Haushalt der Eltern gleich.

    c) Die Benachteiligung der in ehelicher Gemeinschaft lebenden Eltern wird auch nicht durch die Möglichkeit der steuerlichen Zusammenveranlagung gerechtfertigt. Die Zusammenveranlagung kann von allen Ehegatten in Anspruch genommen werden, unabhängig davon, ob sie unterhaltsberechtigte Kinder haben oder nicht. Sie kommt also zur Kompensation der steuerlichen Schlechterstellung schon deshalb nicht in Betracht, weil sie verheiratete Eltern gegenüber Ehegatten ohne unterhaltsberechtigte Kinder benachteiligen würde. Im übrigen hängt die Entlastungswirkung der Zusammenveranlagung von der Höhe der jeweiligen Einkünfte beider Ehegatten und vom Progressionssatz ab. Die Zusammenveranlagung wirkt sich kaum aus, wenn beide Ehegatten erwerbstätig sind und Einkünfte in ähnlicher Höhe erzielen.

  3. Benachteiligung gegenüber kinderlosen Steuerpflichtigen

    Um dem Gesetzgeber für den sich aus dieser Entscheidung ergebenden Neuregelungsauftrag die weitergehende verfassungsrechtliche Problematik zu verdeutlichen, weist der Senat darauf hin, daß die mangelnde steuerliche Berücksichtigung verminderter Leistungsfähigkeit von Eltern - unabhängig davon, ob sie verheiratet sind - diese weiterhin im Verhältnis zu kinderlosen Steuerpflichtigen benachteiligt. Der festgestellte Verstoß gegen den besonderen Gleichheitssatz des Art. 6 Abs. 1 GG (s.o.) kann also nicht dadurch beseitigt werden, daß auch "unechten" Alleinerziehenden im Sinne des § 33c EStG die steuerlichen Vergünstigungen gestrichen werden.

    a) Betreuungsbedarf

    Die - gleichheitswidrige (s.o. Ziff. 2a) - Regelung über den Betreuungsbedarf genügt nicht der Tatsache, daß der Betreuungsbedarf des Kindes unabhängig von Krankheit, Behinderung oder Erwerbstätigkeit der Eltern (s.o. Ziff. I 1) besteht und auch nicht von der Art und Weise der Erbringung der Betreuungsleistungen abhängt. Bei der Neuregelung der einkommensteuerlichen Verschonung des Betreuungsbedarfs wird der Gesetzgeber daher eine gleiche betreuungsbedingte Minderung der steuerlichen Leistungsfähigkeit bei allen Eltern zu berücksichtigen und dementsprechend den Kinderfreibetrag oder das Kindergeld zu erhöhen haben.

    b) Erziehungsbedarf ("Haushaltsfreibetrag")

    Ebenso wie der Betreuungsbedarf wird auch der Erziehungsbedarf (im Gesetz unter der unzutreffenden Bezeichnung "Haushaltsfreibetrag" berücksichtigt) durch Kinderfreibetrag und Kindergeld nicht ausreichend befriedigt. Denn im Rahmen des "Existenzminimums" werden die allgemeinen Kosten, die Eltern aufzubringen haben, um dem Kind eine Entwicklung zu ermöglichen, die es zu einem verantwortlichen Leben in dieser Gesellschaft befähigt, nicht hinreichend berücksichtigt. Hierzu gehören - entgegen den gesetzlichen Regelungen - die Mitgliedschaft in Vereinen sowie sonstige Formen der Begegnung mit anderen Kindern oder Jugendlichen außerhalb des räumlichen Bereichs, das Erlernen und Erproben moderner Kommunikationstechniken, der Zugang zu Kultur- und Sprachfertigkeit, die verantwortliche Nutzung der Freizeit und die Gestaltung der Ferien.

    Für die Bemessung dieses Erziehungsbedarfs gibt der bisherige Haushaltsfreibetrag eine zahlenmäßige Orientierung, die allerdings je nach Kinderzahl abzustufen ist.

  4. Folgen der Entscheidung

    a) Kinderbetreuungskosten

    Die für verfassungswidrig erkannten Regelungen sind bis zum 31. Dezember 1999 weiterhin anzuwenden. Die dann gebotene Neuregelung hat den Betreuungsbedarf auf alle Eltern auszudehnen, unabhängig davon, in welcher Weise sie diesen Bedarf ihrer Kinder decken.

    Sollte der Gesetzgeber eine solche Regelung nicht bis zum 1. Januar 2000 in Kraft gesetzt haben, sind ab diesem Zeitpunkt von Verfassungs wegen 4.000,-- DM im Jahr (vgl. § 33c Abs. 3 S. 1 EStG) bei der Feststellung des zu versteuernden Einkommens - als Erhöhung des Kinderfreibetrags - vom Einkommen abzuziehen, wenn der Steuerpflichtige für ein Kind einen Kinderfreibetrag oder Kindergeld erhält. Der Betrag erhöht sich pro Veranlagungsjahr um 2.000,-- DM für jedes weitere Kind (vgl. § 33c Abs. 3 S. 2 EStG), für das der Steuerpflichtige einen Kinderfreibetrag oder Kindergeld erhält. Entsprechendes gilt für die Leistungen nach §§ 62ff. EStG (Kindergeld).

    b) Haushaltsfreibetrag

    Die gesetzliche Regelung bleibt bis zum 31. Dezember 2001 weiterhin anwendbar. Bis zu diesem Zeitpunkt hat der Gesetzgeber die Diskriminierung der ehelichen Erziehungsgemeinschaft durch den Ausschluß vom Abzug eines Haushaltsfreibetrags zu korrigieren.

    Sollte die Neuregelung nicht fristgemäß in Kraft sein, so fehlt aufgrund der festgestellten Unvereinbarkeit der Regelung über den Haushaltsfreibetrag mit dem GG für die Besteuerung des Einkommens der Eltern, denen ein Kinderfreibetrag oder Kindergeld für ein oder mehrere Kinder zusteht, in Höhe von 5.616,-- DM (derzeit gültige Höhe des Haushaltsfreibetrags) die gesetzliche Grundlage.

    c) Ausgestaltung der notwendigen gesetzlichen Reform

    Das rechtsstaatliche Gebot der Voraussehbarkeit und Berechenbarkeit der Steuerlasten und die Besteuerungsgleichheit fordern eine einfache und klare gesetzliche Regelung. Da die kindbedingte Minderung der einkommensteuerlichen Leistungsfähigkeit von konkreten Aufwendungen unabhängig ist, sie auch unabhängig von Anträgen und sonstigen formalen Voraussetzungen gewährt werden kann, ist es möglich, die gesamte kindbedingte Minderung der steuerlichen Leistungsfähigkeit in einem Grundtatbestand zu erfassen, der alle kinderbezogenen Entlastungen umfaßt und dessen Voraussetzungen allein durch die Angabe familienbezogener Daten erlangt werden können.

    d) Verfassungsbeschwerde-Verfahren

    Die Verfahren waren an den BFH zurückzuverwiesen. Dieser hat zu prüfen, ob es rechtlich möglich ist, in den konkreten Fällen den Beschwerdeführern die verfassungsrechtlich gebotenen Entlastungen zu gewähren. Anderenfalls müßte der Gesetzgeber insoweit eine rückwirkende Regelung treffen.

Anlage zur Pressemitteilung Nr. 5/99 vom 19. Januar 1999

Artikel 6 (Ehe und Familie; nichteheliche Kinder)

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.