Bundesverfassungsgericht

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Landesorganstreit zur Überprüfung der Mitarbeiter von Abgeordneten und Fraktionen des Sächsischen Landtags ist unzulässig

Pressemitteilung Nr. 15/1999 vom 11. Februar 1999

Beschluss vom 25. November 1998
2 BvH 1/92

Der Zweite Senat des BVerfG hat einen Antrag der Fraktion LINKE LISTE/PDS und eines Abgeordneten des Sächsischen Landtags verworfen, mit dem diese die Feststellung begehrt hatten, § 6 Abs. 4 des Sächsischen Abgeordnetengesetzes in der Fassung vom 8. Januar 1992 verstoße gegen Art. 38 Abs. 1 S. 2 und Art. 48 Abs. 3 S. 1 GG.

I.

1. Durch die Gesetzesnovelle vom 8. Januar 1992 wurde die Zahlung der Aufwandsentschädigung für die Beschäftigung von Mitarbeitern der Fraktionen und Abgeordneten (§ 6 Abs. 4 Sächs. AbgG) davon abhängig gemacht, daß die Mitarbeiter eine "Persönliche Erklärung" über ihre Kontakte zum Ministerium für Staatssicherheit der DDR abgeben und sich keine Erkenntnisse ergeben, die im öffentlichen Dienst eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen würden.

2. Die Fraktion LINKE LISTE/PDS und ein Abgeordneter machten mit ihrem Antrag im wesentlichen geltend, die Regelung verletzte einerseits ihr Recht, über Auswahl, Einstellung und Weiterbeschäftigung von Mitarbeitern frei zu entscheiden (Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG), und andererseits ihren Anspruch auf eine angemessene, die Unabhängigkeit sichernde Entschädigung (Art. 48 Abs. 3 S. 1 GG).

II.

Der Senat hält die Anträge für unzulässig, weil es an dem für solche Organstreitverfahren notwendigen Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Ein solches objektives Interesse an der Klärung der Frage, ob der Erlaß des § 6 Abs. 4 Sächs. AbgG die Antragsteller in ihren verfassungsmäßigen Rechten verletzt hat, besteht aus zwei Gründen nicht mehr:

1. Seit dem Erlaß des zu überprüfenden Gesetzes hat sich der verfassungsrechtliche Maßstab verändert, denn mittlerweile ist das sogenannte Vorschaltgesetz, das sich Sachsen als vorläufiges Organisationsstatut gegeben hatte, durch die am 6. Juni 1992 in Kraft getretene Sächsische Verfassung abgelöst worden.

2. Der Erlaß des § 6 Abs. 4 Sächs. AbgG kann nur aus seinem damaligen historischen Zusammenhang und im Hinblick auf den dem Gesetzgeber zustehenden Wertungs- und Gestaltungsspielraum beurteilt werden. Vor dem damaligen Hintergrund des Übergangs von der Diktatur zu dem freiheitlich verfaßten Staat hat der Gesetzgeber eine Regelung erlassen, die durch Unsicherheit und Unkenntnis über das Fortwirken der alten Strukturen und Denkweisen des SED-Regimes in den ersten Jahren nach der Wiedervereinigung veranlaßt war. Diese besondere Situation des politischen Umbruchs besteht heute nicht mehr und wird sich nicht unter denselben Bedingungen wiederholen. Deshalb besteht heute kein objektives Interesse, die Verfassungsmäßigkeit des damaligen Gesetzes zu beurteilen.