Bundesverfassungsgericht

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Vorläufige Entscheidung im Fall der "gegenläufigen Kindesentführung"

Pressemitteilung Nr. 30/1999 vom 12. März 1999

Beschluss vom 11. März 1999, Beschluss vom 11. März 1999
2 BvQ 4/99
2 BvR 1206/98

A.

Die 3. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG hat im Fall der "gegenläufigen Kindesentführung" (vgl. Pressemitteilung Nr. 131/98 vom 25. November 1998) im Wege der einstweiligen Anordnung auf Antrag des Vaters folgendes beschlossen:

Soweit eine abschließende Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle (OLG) die Übergabe der beiden Kinder an die Mutter aussprechen sollte, wird die Vollstreckung dieser Entscheidung bis zur Entscheidung des BVerfG in einem Verfassungsbeschwerde-Verfahren, längstens bis zwei Wochen nach Zugang der Gründe der OLG-Entscheidung, insoweit ausgesetzt, als sie eine Rückführung der Kinder nach Frankreich ermöglicht.

I.

Das OLG hat für den 12. März 1999 Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt und das persönliche Erscheinen der Eltern und der Kinder angeordnet.

Daraufhin hat der Vater mit Schriftsatz vom 10. März 1999 beim BVerfG beantragt, im Falle einer für ihn nachteiligen OLG-Entscheidung die Vollstreckung derselben bis zu einer Entscheidung über eine unverzüglich zu erhebende Verfassungsbeschwerde zu untersagen. Es drohe eine unmittelbar vollstreckbare Entscheidung des OLG mit sofortiger Übergabe der Kinder an die Mutter. Ihm - dem Antragsteller - sei dann die Möglichkeit genommen, Verfassungsbeschwerde einzulegen oder auch nur einstweiligen Rechtsschutz gegen die Rückführung zu erlangen.

II.

Die 3. Kammer des Zweiten Senats hat dem Antrag stattgegeben.

  1. Rückführungsentscheidungen nach dem Haager Kindesentführungsübereinkommen werden unmittelbar von den Familiengerichten angeordnet. Abschließende OLG-Entscheidungen in diesen Verfahren sind sofort vollstreckbar, bedürfen also in der Regel keiner Vollzugshandlung durch die Verwaltung. Diese Besonderheit kann es ausnahmsweise rechtfertigen, daß das BVerfG vorbeugenden Rechtsschutz gegen eine noch nicht ergangene fachgerichtliche Entscheidung gewährt, um eine Entscheidung in den angekündigten Verfassungsbeschwerde-Verfahren zu ermöglichen.
  2. Ein solcher Ausnahmefall ist vorliegend gegeben.

    Sollte das OLG eine unmittelbar vollstreckbare Entscheidung zugunsten der Mutter treffen, so würde dem Antragsteller die Möglichkeit genommen, hiergegen effektiven verfassungsgerichtlichen Rechtsschutz zu suchen. Haben die Kinder das deutsche Hoheitsgebiet verlassen, können die Wirkungen der OLG-Entscheidung nicht mehr rückgängig gemacht werden.

  3. Durch diese einstweilige Anordnung wird weder die Entscheidung des OLG materiell vorbestimmt noch wird ihre Vollstreckung ausgeschlossen. Es bleibt dem OLG unbenommen, eine Vollstreckungsanordnung zu wählen, die sicherstellt, daß - sollte dies der Inhalt der Entscheidung sein - die Kinder an die Mutter herausgegeben werden, gleichwohl aber zunächst eine Ausreise nach Frankreich unterbleibt.

B.

Die weiteren Anträge des Vaters und der Pflegerin der Kinder, die Sache an das OLG eines anderen Bundeslandes zu verweisen, hat der Zweite Senat als unzulässig verworfen.