Bundesverfassungsgericht

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Erfolglose Verfassungsbeschwerde von Dr. Alexander Schalck-Golodkowski

Pressemitteilung Nr. 37/1999 vom 25. März 1999

Beschluss vom 17. März 1999
2 BvR 1565/97

Die 2. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG hat eine Verfassungsbeschwerde des Dr. Alexander Schalck-Golodkowski nicht zur Entscheidung angenommen. Die Verfassungsbeschwerde betraf seine strafgerichtliche Verurteilung wegen Verstoßes gegen Embargo-Vorschriften.

I.

Im Januar 1996 verurteilte das Landgericht Berlin (LG) den Beschwerdeführer wegen Verstoßes gegen Art. VIII Militärregierungsgesetz Nr. 53 (MRG Nr. 53 Wortlaut s. Anlage) zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr mit Strafaussetzung zur Bewährung. Nach den Feststellungen beschaffte der Beschwerdeführer als Leiter des Bereichs "KoKo" und als Devisenhändler in den Jahren 1986 bis 1989 illegal über einen in der Bundesrepublik ansässigen Waffenhändler 228 Nachtsichtbrillen im Wert von rund 4,8 Millionen DM, die überwiegend für die Luftwaffe der NVA bestimmt waren, sowie Waffen im Wert von rund 50.000,-- DM. Die nach dem MRG Nr. 53 erforderlichen Genehmigungen waren nach den Feststellungen des LG nicht eingeholt worden. Sie wären angesichts des militärischen Charakters der Gegenstände, die unter das COCOM-Embargo der Nato-Staaten gegen Länder des Warschauer Pakt-Systems fielen, auch nicht erteilt worden.

Die vom Beschwerdeführer gegen dieses Urteil eingelegte Revision verwarf der Bundesgerichtshof (BGH) im Juli 1997.

Gegen beide strafgerichtliche Entscheidungen erhob der Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde und rügte insbesondere die Verletzung von Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG ("Die Freiheit der Person ist unverletzlich"). Zur Begründung hat er u.a. vorgetragen, die Vorschriften des MRG Nr. 53 genügten nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Bestimmtheit von Strafnormen. Außerdem stehe der strafrechtlichen Ahndung ein Verfolgungshindernis entgegen. Dies ergebe sich aus der "Spionageentscheidung" des BVerfG vom 15. Mai 1995.

II.

Die Kammer hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Sie hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

1. Das BVerfG hat bereits in der Vergangenheit mehrfach entschieden (zuletzt durch Beschluß des Ersten Senats vom 3. November 1982; BVerfGE 62, 169ff), daß die Voraussetzungen der Stafbarkeit nach Art. VIII MRG Nr. 53 ausreichend bestimmt sind. Die Herstellung der deutschen Einheit läßt die Frage der Tatbestandsbestimmtheit in keinem anderen Licht erscheinen.

2. a) Auch die Rüge der fehlenden Strafgewalt der Bundesrepublik Deutschland greift nicht durch.

Das souveräne Recht der DDR, Handelsbeschränkungen der Bundesrepublik Deutschland zu unterlaufen, engt das souveräne Recht der Bundesrepublik, sich dagegen mit strafrechtlichen Sanktionen zur Wehr zu setzen, nicht ein.

Sowohl die für die NVA der DDR bestimmten Nachtsichtgeräte wie auch die Pistolen und Revolver waren Waffen und Kriegsgerät im Sinne des Außenwirtschaftsgesetzes. Darauf, wie diese Güter tatsächlich eingesetzt wurden, kommt es nicht an. Der Export von solchen Waren, die jedenfalls auch militärisch nutzbar sind, gefährdet sicherheitspolitische Interessen Deutschlands und ist damit geeignet, das friedliche Zusammenleben der Völker zu bedrohen. Das Rechtsgut der Friedensstaatlichkeit (Art. 26 GG) hat Verfassungsrang.

b) Der Bestrafung des Beschwerdeführers steht auch kein Verfolgungshindernis entgegen.

Der BGH hat zu Recht darauf hingewiesen, daß das vom BVerfG im Zusammenhang mit der Spionagetätigkeit statuierte strafrechtliche Verfolgungshindernis (Urteil vom 15. Mai 1995, BVerfGE 92, 277) auf Embargo-Verstöße der vorliegenden Art nicht anwendbar ist. Der Export von militärischen oder militärisch nutzbaren Gütern ist nicht - wie Spionage - rechtlich ambivalent, sondern rechtfertigt im Hinblick auf den bezweckten Schutz des friedlichen Zusammenlebens der Völker unter Verhinderung von Störungen internationaler Beziehungen ein allgemeines sozial-ethisches Unwerturteil.

Anlage zur Pressemitteilung Nr. 37/99 vom 25. März 1999

MRG Nr. 53
Devisenbewirtschaftung und Kontrolle des Güterverkehrs

ARTIKEL I

Verbotene Geschäfte

1. Vorbehaltlich einer von der Militärregierung oder von einer von ihr bestimmten Stelle erteilten Ermächtigung sind alle Geschäfte verboten, die zum Gegenstande haben oder sich beziehen auf:

...

d. Vermögenswerte, gleichgültig, wo sie sich befinden, sofern das Geschäft zwischen Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt, Hauptniederlassung oder Sitz im Gebiet und Personen außerhalb des Gebiets abgeschlossen wird oder sich auf solche Personen bezieht;

...

2. Abgesehen von üblicher persönlicher Habe dürfen Vermögenswerte nur über die zugelassenen Grenzübergangsstellen und nur mit Ermächtigung der Militärregierung oder einer von ihr bestimmten Stelle in das Gebiet oder aus dem Gebiet verbracht werden.

ARTIKEL VIII

Strafen

1. Wer gegen die Bestimmungen dieses Gesetzes oder einer hierzu erlassenen Durchführungsverordnung oder Anordnung verstößt, macht sich strafbar und wird, wenn schuldig befunden, mit Gefängnis bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bis zu DM 25.000,-- oder dem dreifachen Wert der dem Gegenstand der strafbaren Handlung bildenden Vermögenswerte oder mit Gefängnis und Geldstrafe bestraft. Das Gericht kann auch die Einziehung der Vermögenswerte anordnen, die den Gegenstand der strafbaren Handlung bilden.

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