Bundesverfassungsgericht

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Erfolgloser Ablehnungsantrag gegen Bundesverfassungsrichter Kirchhof im Verfahren "Länderfinanzausgleich"

Pressemitteilung Nr. 73/1999 vom 9. Juli 1999

Beschluss vom 06. Juli 1999
2 BvF 2/98

Der Zweite Senat des BVerfG hat im Verfahren "Länderfinanzausgleich" einstimmig - ohne Richter Kirchhof - festgestellt, daß der von Richter Kirchhof mit dienstlicher Erklärung vom 22. Juni 1999 angezeigte Sachverhalt nicht die Besorgnis der Befangenheit begründet. Aus demselben Grund hat der Senat den Antrag der Länder Bremen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein, Richter Kirchhof als befangen abzulehnen, zurückgewiesen.

I.

Der Freistaat Bayern und die Länder Baden-Württemberg und Hessen haben beim Bundesverfassungsgericht Normenkontrollanträge im Hinblick auf den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern gestellt (Az. 2 BvF 2/98 u.a.). Sie halten verschiedene Vorschriften des Gesetzes für verfassungswidrig.

Die Länder Bremen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein begehren die Feststellung, daß diese Vorschriften mit dem GG vereinbar sind (Az. 2 BvF 2/99). Sie haben außerdem Richter Kirchhof wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Begründet wird dieser Antrag insbesondere damit, daß Richter Kirchhof 1981 für das "Zahlerland" Baden-Württemberg ein Gutachten zum Finanzausgleich erstellt und das Land später 1983 im Verfahren vor dem BVerfG als Prozeßbevollmächtigter vertreten habe.

Richter Kirchhof hat am 22. Juni 1999 eine dienstliche Erklärung abgegeben und bei dem Zweiten Senat beantragt, eine Entscheidung über die Frage der Besorgnis seiner Befangenheit herbeizuführen.

II.

Der Zweite Senat hat einstimmig festgestellt, daß der von Richter Kirchhof mit seiner dienstlichen Erklärung angezeigte Sachverhalt nicht die Besorgnis seiner Befangenheit begründet.

Zur Begründung heißt es u.a.:

Es besteht kein Anlaß, an der Unvoreingenommenheit des Richters Kirchhof zu zweifeln.

  1. Es kommt nicht darauf an, ob der Richter tatsächlich "parteilich" oder "befangen" ist, sondern nur darauf, ob ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlaß hat, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln. Wissenschaftliche Äußerungen zu den betreffenden Rechtsfragen allein sind noch kein Befangenheitsgrund. Es muß etwas Zusätzliches gegeben sein, was die Sorge, der Richter werde die streitige Rechtsfrage nicht mehr offen und unbefangen beurteilen, bei lebensnaher Betrachtung verständlich sein läßt. Das gilt etwa, wenn die Nähe wissenschaftlicher Äußerungen zu der von einem Beteiligten vertretenen Rechtsauffassung bei einer Gesamtbetrachtung nicht zu übersehen ist und überdies die wissenschaftliche Tätigkeit des Richters vom Standpunkt anderer aus die Unterstützung dieses Beteiligten bezweckte.
  2. Gemessen daran ist bei verständiger Würdigung eine Besorgnis der Befangenheit des Richters Kirchhof nicht begründet.

    Es fehlt sowohl in zeitlicher als auch in sachlicher Hinsicht an einer Beziehung des Richters zum Land Baden-Württemberg, die sich als Übernahme einer "Gewährfunktion" für den vom antragstellenden Land vertretenen verfassungsrechtlichen Standpunkt verstehen ließe. Es bestehen insbesondere keine Anhaltspunkte dafür, daß der Richter Kirchhof allein durch sein Gutachten aus dem Jahre 1981 und mit seiner Prozeßvertretung für das Land Baden-Württemberg im Jahre 1983 dieses 1998 eingeleitete Normenkontrollverfahren zum inzwischen neu geregelten Länderfinanzausgleich veranlaßt haben könnte. Andere "Mitwirkungshandlungen" des Richters, die im nunmehr gestellten Antrag ihren Niederschlag gefunden haben könnten, sind ebenfalls nicht ersichtlich. Allein schon der zeitliche Abstand von rund 18 Jahren läßt bei verständiger Würdigung nicht den Schluß zu, Richter Kirchhof habe die Landesregierung Baden-Württemberg damit beeinflußt, das 1998 eingeleitete Normenkontrollverfahren anzustrengen.

    Auch der Umstand, daß die Landesregierung Baden-Württemberg in ihrem Normenkontrollantrag wiederholt auf das seinerzeitige Gutachten des Richters Kichhof Bezug nimmt, rechtfertigt keine andere Beurteilung.