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Erfolglose Verfassungsbeschwerde der Freien Universität Berlin gegen Mittelkürzung

Pressemitteilung Nr. 85/1999 vom 11. August 1999

Beschluss vom 22. Juli 1999
1 BvR 709/97

Die 1. Kammer des Ersten Senats des BVerfG hat auf eine Verfassungsbeschwerde (Vb) der Freien Universität Berlin (FU) entschieden, daß die im Haushaltsstrukturgesetz 1996 des Landes Berlin vorgesehene Herabsetzung der Soll-Aufnahmekapazität für Studienanfänger im Fachbereich Veterinärmedizin und die Verringerung des Landeszuschusses für diesen Fachbereich nicht gegen die Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) verstoßen.

I.

Im Haushaltsstrukturgesetz 1996 des Landes Berlin, das nach seiner Präambel der Haushaltskonsolidierung dienen soll, ist u.a. folgendes geregelt: "Für die Freie Universität Berlin gilt: Im Fachbereich Veterinärmedizin wird nach planmäßigem Abbau der Fusionsüberhangkapazität die Soll-Aufnahmekapazität auf jährlich 150 Studienanfänger festgesetzt. Der Landeszuschuß im Kapitel 14 des Haushaltsplans der Freien Universität Berlin wird mittelfristig um 15 Millionen Deutsche Mark abgesenkt."

Die erste Kürzung um 1 Million DM erfolgte 1997. Die weiteren Kürzungen sollen bis Ende 2002 stufenweise vollzogen werden. Gegen diese gesetzliche Vorschriften erhob die FU Vb und rügte u.a. eine Verletzung von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Die Regelungen verstießen gegen dieses Grundrecht, weil sie in die Organisations- und Fächerstruktur der Beschwerdeführerin (Bf) in einer Weise eingriffen, die einer freien wissenschaftlichen Betätigung abträglich sei.

II.

Die Vb wurde nicht zur Entscheidung angenommen. Sie hat in der Sache keinen Erfolg, weil die angegriffenen Vorschriften das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit der Bf nicht verletzen.

Zur Begründung heißt es u.a.:

1. Wissenschaft und Forschung sind in weiten Bereichen von staatlicher Förderung abhängig. Der Staat muß für funktionsfähige Institutionen eines freien Wissenschaftsbetriebs sorgen und durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherstellen, daß das individuelle Grundrecht der freien wissenschaftlichen Betätigung so weit unangetastet bleibt, wie das unter Berücksichtigung der anderen legitimen Aufgaben der Wissenschaftseinrichtung und der Grundrechte der verschiedenen Beteiligten möglich ist. Dabei kann der Gesetzgeber die Organisation der Hochschulen nach seinem Ermessen ordnen, solange gewährleistet ist, daß der Kernbereich wissenschaftlicher Betätigung der Selbstbestimmung des einzelnen Grundrechtsträgers vorbehalten bleibt. Entsprechendes gilt für die finanzielle Förderung der Universitäten und der ihnen anvertrauten Forschung und Lehre. Auch insoweit hat der Gesetzgeber einen breiten Gestaltungsspielraum, der es ihm grundsätzlich gestattet, bei wirtschaftlichen Förderungsmaßnahmen auch wirtschafts- und finanzpolitische Gesichtspunkte zu beachten.

2. Gemessen daran wird Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG durch die angegriffenen Regelungen nicht verletzt. Im Kern geht es bei diesen Regelungen um die Reduzierung von Landeszuschüssen, mit der Kapazitätssenkungen im Hinblick auf die Aufnahme neuer Studenten einhergehen. Durch die infolge der Mittelkürzung notwendig werdenden Umstrukturierungsmaßnahmen im Fachbereich Veterinärmedizin wird die freie wissenschaftliche Betätigung in diesem Bereich nicht unmöglich gemacht, sondern nur den verfügbaren personellen und sachlichen Ressourcen angepaßt. Auch ist, soweit die Bf geltend macht, daß wegen der Reduzierung des Zuschusses nahezu ein Drittel des wissenschaftlichen Lehrpersonals abgebaut werden müsse, während die Aufnahmekapazität nur um ein Viertel reduziert worden sei, nicht erkennbar, daß im Zusammenhang damit das Maß einer unerläßlichen staatlichen Mindestförderung unterschritten sein könnte.

3. Auch das Bedenken, der Gesetzgeber habe keine ausreichende Abwägung mit den Grundrechten der Studienbewerber aus Art. 12 Abs. 1 GG (Berufsfreiheit) vorgenommen, greift nicht durch. Selbst wenn man davon ausginge, daß sich für den Staat ein objektiver sozialstaatlicher Auftrag zur Bereitstellung ausreichender Ausbildungskapazitäten für das Fach Veterinärmedizin ergibt, und wenn aus einem solchen Verfassungsauftrag ein grundrechtlicher Anspruch der Studienbewerber auf Beibehaltung der bisherigen Studienplatzzahl ableitbar wäre, kämen verfassungsrechtliche Konsequenzen erst bei evidenter Verletzung jenes Verfassungsauftrags in Betracht. Für eine derartige Verletzung ist aber von der Bf nichts vorgebracht worden und auch sonst nichts ersichtlich.