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Erfolglose Verfassungsbeschwerden ehemaliger DDR-Politiker gegen Vermögenseinziehung

Pressemitteilung Nr. 87/1999 vom 13. August 1999

Beschluss vom 28. Juli 1999, Beschluss vom 28. Juli 1999, Beschluss vom 28. Juli 1999, Beschluss vom 28. Juli 1999
1 BvR 282/99
1 BvR 124/99
1 BvR 542/99
1 BvR 1398/98

Die 2. Kammer des Ersten Senats des BVerfG hat Verfassungsbeschwerden (Vb) früherer DDR-Politiker bzw. ihrer Erben im Zusammenhang mit dem noch von der DDR-Volkskammer erlassenen Gesetz über den Nachweis der Rechtmäßigkeit des Erwerbs von Umstellungsguthaben vom 29. Juni 1990 (UGG) nicht zur Entscheidung angenommen. Beschwerdeführer (Bf) waren u.a. der ehemalige Minister für Staatssicherheit Erich Mielke, der mittlerweile verstorbene frühere DDR-Minister und Staatsratsvorsitzende Willi Stoph, die Erben des mittlerweile ebenfalls verstorbenen früheren Mitglieds des SED-Politbüros Hermann Axen, sowie ein früheres Mitglied des ZK der SED.

Die Vb betrafen verwaltungsgerichtliche Entscheidungen zum UGG. Nach § 5 Abs. 5 dieses Gesetzes wird unrechtmäßig erworbenes Vermögen eingezogen. Darunter fällt nach § 5 Abs. 2 UGG u.a. auch Vermögen, das durch grob sittenwidriges Handeln oder den Mißbrauch einer staatlichen oder gesellschaftlichen Befugnis zum Nachteil des Gemeinwohls erworben wurde. Alle Bf sind (waren) von der Einziehung ihrer Ersparnisse betroffen. In den Verfahren wurden von den Bf insbesondere die Verletzung der Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) und die der Rechtsweggarantie (Art. 19 Abs. 4 GG) gerügt. Hierzu hat die 2. Kammer des Ersten Senats u.a. ausgeführt:

1. Art. 14 Abs. 1 GG

Das Grundrecht ist nicht verletzt.

Zwar liegt ein Eingriff in Art. 14 Abs. 1 GG vor, dieser ist jedoch verhältnismäßig. Der Gesetzgeber konnte bei der Umstellung von DDR-Guthaben in DM, die einer erheblichen Aufwertung gleichkamen, Beträge außer acht lassen, die in grob sittenwidriger Weise oder durch Mißbrauch staatlicher oder gesellschaftlicher Befugnisse zum Nachteil des Gemeinwohls erlangt waren und insofern nicht auf eigener Leistung beruhten. Daß die Fachgerichte bei der Anwendung von § 5 Abs. 2 UGG Bedeutung und Tragweite von Art. 14 Abs. 1 GG grundlegend verkannt hätten, läßt sich nicht feststellen.

Das gilt auch für die Auffassung, daß regulär erworbenes Geldvermögen eingezogen werden konnte, soweit es infolge grob sittenwidrig oder mißbräuchlich erlangter Vorteile angespart worden war. Inwieweit dies bei den einzelnen Bf bzw. dem Erblasser tatsächlich zutraf, kann das BVerfG nicht im einzelnen nachprüfen. Die Würdigung der Tatsachen ist grundsätzlich Sache der Fachgerichte.

2. Art. 19 Abs. 4 GG

Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG; Beschluß vom 5. Juni 1998 - Az. 3 B 258.97), der sich die übrigen Verwaltungsgerichte angeschlossen haben, entscheidet das Verwaltungsgericht in erster und letzter Instanz über die Rechtmäßigkeit der von einem Sonderausschuß der DDR-Volkskammer verfügten Einziehung. Der weitere Instanzenzug (Oberverwaltungsgericht, Bundesverwaltungsgericht) sei vom UGG und der Durchführungsvereinbarung vom 18. September 1990 zum Einigungsvertrag nicht eröffnet worden. Der Gesetzgeber habe in der Umbruchsituation der bevorstehenden Wiedervereinigung eine schnelle, endgültige und fristabhängige Abwicklung gewünscht.

Diese verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Auffassung des BVerwG verletzt Art. 19 Abs. 4 GG nicht. Das Grundrecht garantiert zwar die Möglichkeit, Gerichte anzurufen, eröffnet jedoch keinen Instanzenzug. Die Frage, ob der Rechtsmittelausschluß mit Art. 19 Abs. 4 GG auch dann vereinbar ist, wenn das Verwaltungsgericht wie in einem der Fälle aufgrund besonderer Zuweisung geschehen die Einziehung selbst erstmalig verfügt, hat das BVerfG aus prozessualen Gründen unbeantwortet gelassen.