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Erfolglose Verfassungsbeschwerden gegen das Mauergrundstücksgesetz

Pressemitteilung Nr. 88/1999 vom 17. August 1999

Beschluss vom 03. August 1999
1 BvR 1892/96

Die 1. Kammer des Ersten Senats des BVerfG hat Verfassungsbeschwerden (Vb) gegen das Gesetz über den Verkauf von Mauer- und Grenzgrundstücken an die früheren Eigentümer (Mauergrundstücksgesetz) vom 15. Juli 1996 einstimmig nicht zur Entscheidung angenommen.

I.

Die insgesamt fünf Beschwerdeführer (Bf) sind frühere Eigentümer, Rechtsnachfolger bzw. Vermächtnisnehmer der früheren Eigentümer von sogenannten Mauergrundstücken. Die Grundstücke wurden durch das DDR-Vermögensgesetz von 1961 zum Zwecke des Mauerbaus in Berlin enteignet oder im Vorfeld veräußert. Die Bf wenden sich gegen § 2 Abs. 1 Mauergrundstücksgesetz. Diese Vorschrift regelt, daß die früheren Eigentümer oder deren Rechtsnachfolger die jetzt bundeseigenen Grundstücke zu 25% des Verkehrswerts erwerben können, sofern der Bund sie nicht für dringende eigene öffentliche Zwecke verwenden oder im öffentlichen Interesse an Dritte veräußern will. Die Bf sind der Ansicht, die Enteignungen seien völkerrechtswidrig gewesen (Art. 25 GG). Sie seien deshalb in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG) verletzt. Hilfsweise rügen sie eine Verletzung der Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG).

II.

Die 1. Kammer des Ersten Senats hat die Vb, die keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung haben, mangels Erfolgsaussicht nicht zur Entscheidung angenommen.

1.a) Soweit eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 25 GG gerügt wird, genügt die Begründung nicht den gesetzlichen Anforderungen. Die Bf haben nur ausgeführt, daß die Enteignungen der fraglichen Grundstücke völkerrechtswidrig gewesen seien, nicht aber auch dargetan, daß für die durch die Bundesrepublik im Mauergrundstücksgesetz getroffene Wiedergutmachungsregelung das gleiche zutrifft.

Diese Regelung geht zwar von der Aufrechterhaltung des eigentumsrechtlichen status quo aus, räumt den Betroffenen aber dadurch eine Wiedergutmachung in Höhe von 75% des Verkehrswerts des jeweils enteigneten Grundstücks ein, daß sie entweder dieses zu einem Kaufpreis in Höhe von 25% des Verkehrswert erwerben oder eine Entschädigung in Höhe von 75% des Verkehrswerts verlangen können. Weshalb dies gegen allgemeine Regeln des Völkerrechts im Sinne des Art. 25 GG verstoßen soll, ist in den Vb nicht dargelegt worden.

b) Daß der Gesetzgeber die Bf mit dem Mauergrundstücksgesetz in ihrem Eigentumsgrundrecht (Art. 14 GG) verletzt haben könnte, wenn sie oder ihre Rechtsvorgänger ihr Eigentum wegen Nichtigkeit der Enteignungen tatsächlich nie verloren hätten, haben die Bf nicht geltend gemacht. Im übrigen stünde der Zulässigkeit einer solchen Rüge auch der Grundsatz der Subsidiarität der Vb entgegen. Die Frage zu beantworten, ob die Enteignungen nach dem Verteidigungsgesetz der DDR wirksam waren und die betroffenen Eigentümer ihr Eigentum deshalb verloren haben oder ob diese wegen Nichtigkeit der Enteignungen Eigentümer geblieben sind, ist zunächst Sache der dafür zuständigen allgemeinen Gerichte und nicht Aufgabe des BVerfG.

2. Die hilfsweise erhobene Rüge, das Mauergrundstücksgesetz verletze die Eigentumsgarantie, weil es keine Regelungen über eine Rückenteignung enthalte, ist jedenfalls unbegründet.

Die Kammer nimmt insoweit u.a. Bezug auf den Beschluß des Ersten Senats vom 9. Dezember 1997 (Pressemitteilung Nr. 6/98 vom 27. Januar 1998; die Mitteilung wird auf Anfrage übersandt). Hierin wird u.a. ausgeführt:

Art. 14 GG begründet keinen Rückübertragungsanspruch für Fälle, in denen vor dem Inkrafttreten des GG oder außerhalb seines räumlichen Geltungsbereichs eine dem GG nicht verpflichtete Staatsgewalt auf vermögenswerte Rechte zugegriffen hat. Ein solcher Anspruch kommt allein in Betracht, wenn bereits die Enteignung im Zeitpunkt ihrer Vornahme den Anforderungen des GG unterlag. Dies war jedoch bei Enteignungen, die in der DDR durchgeführt worden, nicht der Fall. Der Geltungsbereich des GG erstreckte sich nicht auf das Gebiet der DDR, und das GG ist für dieses Gebiet auch nicht rückwirkend in Kraft getreten.