Bundesverfassungsgericht

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Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen Haftfortdauerbeschluß

Pressemitteilung Nr. 105/1999 vom 1. Oktober 1999

Beschluss vom 30. September 1999
2 BvR 1775/99

Die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat einer Verfassungsbeschwerde (Vb) gegen einen Haftfortdauerbeschluß gemäß §§ 121 f. StPO stattgegeben.

Gegen den Beschwerdeführer (Bf) bestehen zwei Haftbefehle wegen des Verdachts der Untreue. In einem früheren Beschluß hatte das Oberlandesgericht die Haftfortdauer mit dem Hinweis angeordnet, daß ein Zeitrahmen für die Fertigung aller Teilanklagen von sechs bis acht Wochen ausreiche. Die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts versagte einer dagegen gerichteten Vb mit Beschluß vom 14. Juli 1999 nur unter ausdrücklichem Hinweis auf diese konkreten zeitlichen Vorgaben die hinreichende Erfolgsaussicht. Die Staatsanwaltschaft erhob die letzte Teilanklage aber erst sechs Wochen nach Ablauf der vom Oberlandesgericht gesetzten Frist.

Mit dem angefochtenen Beschluß ordnete das Oberlandesgericht dennoch erneut die Fortdauer der Untersuchungshaft an. Diese Entscheidung verstößt gegen das Grundrecht des Bf auf Freiheit der Person nach Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG, das eine Beschleunigung des Verfahrens eines inhaftierten Beschuldigten fordert und mit wachsender Haftdauer zunehmend an Gewicht gewinnt. Die konkreten zeitlichen Vorgaben, die das Oberlandesgericht selbst als Voraussetzung für die Anordnung der Haftfortdauer in dem früheren Beschluß verstanden hat, hat die Staatsanwaltschaft nicht erfüllt. Durch die weitere Verzögerung von nahezu sechs Wochen ist angesichts der Dauer der bisher vollzogenen Untersuchungshaft von fast 18 Monaten das Freiheitsgrundrecht in einer Weise verletzt, daß der weitere Vollzug der Untersuchungshaft gegenwärtig nicht mehr gerechtfertigt ist.

Zudem weist die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts auf eine frühere Entscheidung des Landgerichts hin, das einen Haftbefehl nach persönlicher Anhörung des Bf insbesondere mit Hinweis auf seine Erkrankung gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt hat. Diese früheren Erwägungen zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz würdigen die persönliche Betroffenheit des Bf sachgerecht und berücksichtigen den verfassungsrechtlichen Maßstab des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG angemessen.