Bundesverfassungsgericht

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Zeitlich befristeter Preisabschlag im Gesundheitsstrukturgesetz von 1992 verstieß gegen die Berufsfreiheit/Verfassungsbeschwerden dennoch erfolglos

Pressemitteilung Nr. 107/1999 vom 19. Oktober 1999

Beschluss vom 01. September 1999
1 BvR 264/95

Die 2. Kammer des Ersten Senats des BVerfG hat Verfassungsbeschwerden (Vb) mehrerer Arzneimittelhersteller gegen die im Gesundheitsstrukturgesetz von 1992 für die Jahre 1993 und 1994 geregelten Preisabschläge auf apothekenpflichtige Arzneimittel nicht zur Entscheidung angenommen. Zwar stellten die angegriffenen gesetzlichen Regelungen einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) der Beschwerdeführer (Bf) dar. Die Annahme der Vb war jedoch nicht zur Durchsetzung der Grundrechte der Bf angezeigt, weil eine verfassungsrechtliche Beanstandung der Norm würde sie noch gelten nur Wirkung für die Zukunft hätte.

I.

Das Gesundheitsstrukturgesetz von 1992 schrieb für die Jahre 1993 und 1994 für apothekenpflichtige, nicht preisgebundene Arzneimittel Abschläge in Höhe von 5% (verschreibungspflich tige Medikamente) bzw. 2% (nicht verschreibungspflichtige Medikamente) auf die Herstellerabgabepreise vor. Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber eine finanzielle Entlastung der gesetzlichen Krankenversicherung erreichen.

Gegen die gesetzliche Regelung erhoben die Bf Vb: Sie stellten Arzneimittel her, die nicht oder nur sehr eingeschränkt zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen verordnet werden könnten. Daß auch diese Arzneimittel vom Preisabschlag erfasst würden, verletze sie in ihrem Grundrecht auf Berufsausübungsfreiheit.

II.

Die Vb blieben im Ergebnis erfolglos.

1. Allerdings bewirkte die angegriffene Regelung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der Bf. Es war ihnen nicht zuzumuten, daß auch solche Arzneimittel schematisch dem Preisabschlag unterworfen wurden, die gar nicht oder nur teilweise zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden konnten. Da die Abgabe solcher Arzneimittel die Haushalte der gesetzlichen Krankenkassen nicht oder nur zu einem geringen Teil belastet, steht ihre generelle Einbeziehung in den Preisabschlag für die Jahre 1993 und 1994 außer Verhältnis zu dem vom Gesetzgeber verfolgten Zweck.

Dies gilt insbesondere für orale Kontrazeptiva ("Antibabypille"). Dieser Eingriff kann auch nicht mit dem Argument gerechtfertigt werden, es sei aus praktischen Gründen nicht möglich gewesen, den Preisabschlag nur auf solche Medikamente zu begrenzen, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen verordnet würden. Dem Gesetzgeber ist zwar zuzugeben, daß die Verrechnung unterschiedlicher Abgabepreise mit einem besonderen Aufwand verbunden gewesen wäre. Steht ihm aber ein verhältnismäßiges Mittel zur Erreichung seiner Ziele nicht zur Verfügung, so muss der Gesetzgeber von dem entsprechenden Eingriff Abstand nehmen.

2. Die Vb waren dennoch nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil dies nicht zur Durchsetzung der Grundrechte der Bf angezeigt war.

Die Beseitigung der Verletzung der Grundrechte der Bf in den Jahren 1993 und 1994 durch Rückabwicklung ist nicht oder nur mit einem unverhältnismäßigen Aufwand möglich. Deshalb hätte auch eine verfassungsgerichtliche Feststellung der Unvereinbarkeit der Norm würde sie noch gelten mit dem GG nur Wirkung für die Zukunft.