Bundesverfassungsgericht

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Für die Frage der Umsatzsteuerbefreiung kommt es nicht auf die Rechtsform des Unternehmers an

Pressemitteilung Nr. 122/1999 vom 18. November 1999

Beschluss vom 10. November 1999
2 BvR 2861/93

Der Zweite Senat des BVerfG hat in einem Verfassungsbeschwerde (VB)-Verfahren einstimmig entschieden, daß es gegen das Gleichbehandlungsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG) verstößt, wenn die Umsatzsteuerbefreiung für ärztliche Leistungen nur deshalb versagt wird, weil die Leistung von einer GmbH & Co.KG erbracht wird.

I.

1. Das Umsatzsteuergesetz (UStG) sieht vor, daß die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt steuerfrei sind. Streitig war, ob ärztliche Leistungen, die von einem Krankenhaus in der Rechtsform einer GmbH & Co.KG erbracht werden, im Gegensatz zu ärztlichen Leistungen, die von einem Arzt selbst erbracht werden, von der Umsatzsteuerbefreiung ausgenommen werden dürfen.

2. Die Beschwerdeführerin (Bf) betreibt als GmbH & Co.KG ein Sanatorium. Ihr Antrag, für das Jahr 1986 die ärztlichen Leistungen umsatzsteuerfrei zu belassen, wurde rechtskräftig in letzter Instanz durch Beschluß des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 27. September 1993 abgewiesen.

Hiergegen erhob die Bf Vb und rügte eine verfassungswidrige Auslegung der Vorschriften des UStG. Es müsse für die Steuerbefreiung unerheblich sein, ob das Krankenhaus im Rahmen einer freiberuflichen Arzttätigkeit oder im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit betrieben werde.

II.

Die Vb ist begründet. Die angegriffenen finanzgerichtlichen Entscheidungen verstoßen gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG. Die einschlägige Vorschrift des UStG ist verfassungskonform dahingehend auszulegen, daß es für die Steuerbefreiung nicht darauf ankommt, in welcher Rechtsform der Unternehmer handelt.

Die gerichtlichen Entscheidungen führen im Ergebnis dazu, daß die Bf allein deshalb von der Umsatzsteuerbefreiung in Bezug auf die von ihr erbrachten ärztlichen Leistungen ausgenommen ist, weil sie diese in der Rechtsform einer GmbH & Co.KG erbringt. Der umsatzsteuerliche Belastungsgrund zielt jedoch auf die umsatzsteuerliche Erfassung jedes Unternehmers, sei er eine juristische Person, eine Personengesellschaft oder ein freiberuflich Tätiger. Die unterschiedliche umsatzsteuerliche Behandlung eines Arztes gegenüber einer Krankenhaus-GmbH findet im Belastungsgrund keine ausreichende Grundlage. Auch der umsatzsteuerliche Entlastungszweck, die Sozialversicherungsträger von Leistungen zu befreien, hat keinen Bezug zur jeweiligen Rechtsform.

Es gibt also keinen sachlich rechtfertigenden Grund, der Bf mit Hinweis auf die Rechtsform die Steuerbefreiung zu versagen. Der BFH wird in dem an ihn zurückgewiesenen Verfahren zu prüfen haben, ob es andere, außerhalb der Rechtsform einer gewerblich tätigen Gesellschaft liegende Gründe gibt, die Leistungen der Bf von der Umsatzsteuerbefreiung auszunehmen.