Bundesverfassungsgericht

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Kammerentscheidung zur Werbung durch Rechtsanwälte

Pressemitteilung Nr. 136/1999 vom 8. Dezember 1999

Beschluss vom 29. November 1999
1 BvR 2284/98

Eine aus acht Rechtsanwälten bestehende Hamburger Rechtsanwaltskanzlei hatte Verfassungsbeschwerde (Vb) gegen eine Rüge wegen unzulässiger Werbung erhoben. Der Rüge lag ein nach Auffassung des Anwaltsgerichts marktschreierischer und die Anwaltssozietät der Beschwerdeführer (Bf) anpreisender Artikel der Hamburger Morgenpost von Juni 1997 zugrunde, an dem die Anwälte durch Überlassen eines "Gruppenfotos" mitgewirkt hätten. Die 2. Kammer des Ersten Senats des BVerfG hat zwar die Vb der insgesamt acht Rechtsanwälte nicht zur Entscheidung angenommen, weil ein möglicher Grundrechtseingriff kein erhebliches Gewicht hat und den Bf auch kein schwerer und unabwendbarer Nachteil droht.

Sie hat jedoch darauf hingewiesen, daß die Rüge im konkreten Fall im Hinblick auf die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) bedenklich war, weil allein mit dem Überlassen eines Fotos noch keine Verantwortung für den redaktionellen Teil der Berichterstattung übernommen wird.

I.

Zu den Bf gehört der Hamburger Rechtsanwalt Dr. Matthias Prinz. Die Sozietät stellte der Hamburger Morgenpost auf Anfrage ein Gruppenfoto für einen Bericht über einen Sitzungstag der Pressekammer des Landgerichts Hamburg zur Verfügung. Dieses wurde am 27. Juni 1997 veröffentlicht. Der dazugehörige Artikel unter der Überschrift "Prinz der Anwälte" wurde eingeleitet mit den Worten: "Die einzigartige Karriere des Dr. Matthias Prinz ...". Die Sozietät "Prinz Neidhardt Engelschall" wurde als "prominente Medien-Kanzlei" bezeichnet. Außerdem enthielt der Artikel Angaben von Tätigkeitsgebieten und Kenntnissen der einzelnen Bf.

Eine hierfür den Bf erteilte Rüge der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer hielt das Hamburgische Anwaltsgericht aufrecht. Zur Begründung hieß es u.a., die Bf hätten an der unsachlichen Werbung für ihre Kanzlei durch die vorbehaltlose Überlassung des Fotos mitgewirkt. Sie hätten es schuldhaft versäumt, den Artikel samt Foto vorab zu kontrollieren oder sich eine ausdrückliche Zustimmung vor der Veröffentlichung vorzubehalten.

Hiergegen erhoben die Bf Vb zum BVerfG und rügten eine Verletzung ihrer Berufsfreiheit.

II.

Im Ergebnis hat die Kammer des Ersten Senats die Vb nicht zur Entscheidung angenommen.

Zwar ist nicht ausgeschlossen, daß die angegriffenen Entscheidungen eine unverhältnismäßige Beschränkung der Berufsausübungsfreiheit bedeuten. Denn bis auf wenige Passagen enthält der Zeitungsartikel im großen und ganzen Informationen, die heute in Praxisbroschüren nicht ganz unbedeutender Kanzleien anzutreffen sind. Informationen mit Werbeeffekt sind aber auch in Presseerzeugnissen zulässig. Wird einem solchen Artikel von einer Zeitung eine Überschrift oder ein moderierender Einleitungstext beigegeben, so bedarf es einer sorgfältigen Abwägung, bevor daraus auf eine Vernachlässigung von Berufspflichten geschlossen werden kann. Wer zur Bebilderung ein seriöses Gruppenfoto der Anwaltskanzlei erlaubt oder zur Verfügung stellt, übernimmt noch keine Verantwortung für den redaktionellen Teil der Presseberichterstattung. Die Vb war jedoch nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil der mögliche Grundrechtseingriff nicht so gewichtig ist, daß er auf eine generelle Vernachlässigung von Grundrechten hindeutet. Darüber hinaus entsteht den Bf durch die Versagung einer Entscheidung auch kein schwerer und unabwendbarer Nachteil. Denn es ist nichts dafür ersichtlich, daß das einmalige Verbot, ein Foto für einen werbenden Artikel der vorliegenden Art zur Verfügung zu stellen, sie in existentieller oder auch sonst schwerwiegender Weise beeinträchtigt.