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Verhängung einer Mißbrauchsgebühr

Pressemitteilung Nr. 145/1999 vom 23. Dezember 1999

Beschluss vom 01. Dezember 1999

Die 1. Kammer des Ersten Senats des BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde (Vb) gegen ein Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg (VG) nicht zur Entscheidung angenommen und der Beschwerdeführerin (Bf) eine Mißbrauchsgebühr in Höhe von 1.000,- DM auferlegt.

Das VG hatte die Klage der Bf abgewiesen, eine Richterin zu einer Entschuldigung gegenüber der Bf und der Abgabe einer Unterlassungserklärung zu verurteilen.

I.

Die Richterin hatte in einem u.a. gegen die Bf gerichteten Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluß die Bf als "formelle Geschäftsführerin" einer GmbH bezeichnet. Hierdurch fühlte sich die Bf in ihrer Ehre verletzt. Sie erhob Klage mit dem Ziel, daß sich die Richterin entschuldigen und eine Wiederholung dieser Behauptung unterlassen solle. Das VG wies die Klage ab. Zur Begründung hieß es u.a., die Richterin habe sich bei der Abfassung des Beschlusses im Kernbereich richterlicher Tätigkeit bewegt, der durch Art. 97 Abs. 1 GG (Richterliche Unabhängigkeit) geschützt sei. Sie habe erkennbar und zweifelsfrei juristisch argumentiert und bewertet. Die Bezeichnung "formelle Geschäftsführerin" sei in Rechtsprechung und Literatur gebräuchlich und diene lediglich der Abgrenzung zum sogenannten faktischen Geschäftsführer. Die Richterin habe diesen wertfreien Abgrenzungsbegriff mit keinerlei persönlicher Wertung verbunden. Die Bf erhob Vb und machte insbesondere geltend: Es gehe darum, ob die richterliche Unabhängigkeit so weit gehe, daß ein nicht im öffentlichen Dienst stehender Bürger sich eine schwere Beleidigung durch eine Richterin gefallen lassen müsse, wohingegen jeder Bürger auf Unterlassung einer Beleidigung verklagt werden könne und sogar strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werde. Daher werde die Verletzung von Art. 3 GG, hilfsweise Art. 2 GG gerügt. Es widerspreche dem Gleichheitsgrundsatz, wenn ein Amtsrichter eine Ehrverletzung eines Richters oder Polizisten mit einem Urteil ahnde, sich aber in der Sache für nicht zuständig halte, wenn es um eine von einem Richter begangene Ehrverletzung handele.

II.

1. Die Vb war nicht zur Entscheidung anzunehmen. Sie ist unzulässig. Der Vortrag entspricht trotz anwaltlicher Vertretung der Bf nicht den Mindestanforderungen an eine substantiierte Begründung. Die Bf setzt sich nicht einmal ansatzweise mit den Erwägungen des angegriffenen Urteils auseinander. Ihr Vorbringen ist ohne jede verfassungsrechtliche Substanz und erschöpft sich in einer breiten Darlegung des Sachverhalts sowie der schlichten Behauptung von Grundrechtsverletzungen.

2. Die Vb ist mißbräuchlich eingelegt (§ 34 Abs. 2 BVerfGG). Die Bf benutzte das BVerfG lediglich als (weitere) Rechtsmittelinstanz, ohne sich auch nur ansatzweise mit Fragen von verfassungsrechtlicher Relevanz zu befassen. Das BVerfG muß es jedoch nicht hinnehmen, daß es in der Erfüllung seiner Aufgaben, nämlich grundsätzliche Verfassungsfragen zu entscheiden, die für das Staatsleben und die Allgemeinheit wichtig sind, und wenn nötig die Grundrechte des Einzelnen durchzusetzen, durch substanzlose Vb behindert wird.

III.

In der Vergangenheit sind wie folgt Mißbrauchsgebühren verhängt worden:

1996: 31 Fälle (= 0,60% aller Vb-Verfahren); insgesamt 26.900,- DM (höchster Betrag 3.500,- DM).

1997: 21 Fälle (= 0,42 % aller Vb-Verfahren); insgesamt 14.200,- DM (höchster Betrag 1.000,- DM).

1998: 17 Fälle (= 0,36 % aller Vb-Verfahren); insgesamt 14.600,- DM (höchster Betrag 5.000,- DM).

1999 (bis 30. November): 64 Fälle (= 1,5 % aller bis dahin eingegangenen Vb); insgesamt rd. 51.000,- DM (höchster Betrag 3.000,- DM).