Bundesverfassungsgericht

Sie sind hier:

Erfolglose Verfassungsbeschwerde des Abgeordneten Gysi

Pressemitteilung Nr. 151/1999 vom 30. Dezember 1999

Beschluss vom 17. Dezember 1999
1 BvR 1611/99

Die 1. Kammer des Ersten Senats des BVerfG hat eine Verfassungsbeschwerde (Vb) des Bundestagsabgeordneten Gysi einstimmig nicht zur Entscheidung angenommen. In dem Verfahren ging es um die Frage, ob in einem von der "Gauck-Behörde" herausgegebenen Buch mit dem Titel "Der Fall Havemann - Ein Lehrstück politischer Justiz" eine vom Beschwerdeführer (Bf) im Juli 1979 verfaßte Berufungsbegründungsschrift veröffentlicht werden durfte.

I.

Der Bf verteidigte den Regimekritiker Havemann in einem gegen diesen im Jahre 1979 wegen angeblicher Devisenvergehen geführten Strafverfahren. Im Mai 1988 wurde das von der "Gauck-Behörde" herausgegebene Buch zum Fall Havemann verlegt. In dem Buch sind zahlreiche Original-Dokumente wiedergegeben, darunter der Abdruck einer von dem Bf gefertigten Berufungsbegründungsschrift vom 1. Juli 1979.

Der Bf beantragte im einstweiligen Rechtsschutzverfahren, dem Verlag diese Veröffentlichung zu untersagen. Sein Antrag blieb erfolglos. In letzter Instanz entschied das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg mit Urteil vom Juli 1999, die Veröffentlichung der Schrift sei als Information über den Bf als Person der Zeitgeschichte und Inhaber politischer Funktionen zulässig.

Hiergegen erhob der Bf Vb und rügte die Verletzung verschiedener Grundrechte.

II.

Die Vb hat keine Aussicht auf Erfolg.

Die Veröffentlichung verletzte weder die Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) noch das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) des Bf.

Die Gerichte haben bei ihrer Prüfung eine umfangreiche Interessenabwägung vorgenommen. Hierbei berücksichtigten sie auf Seiten des Bf, daß das von ihm in Anspruch genommene Urheberrecht als "geistiges" Eigentum dem Schutzbereich der Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) unterliege, als auch, daß eine nicht genehmigte Veröffentlichung eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstellen könne. Daß die Gerichte zu dem Ergebnis gelangt sind, im konkreten Fall gingen die durch Art. 5 Abs. 1 GG (Meinungs- und Informationsfreiheit) geschützten Interessen des Verlages den Interessen des Bf vor, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

Der Einwand des Bf, sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung werde verletzt, ist unschlüssig. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit dieses Recht vorliegend überhaupt beeinträchtigt sein könnte. Durch die wörtliche Wiedergabe der Berufungsschrift werden über den Bf keine anderen personenbezogene Daten preisgegeben als die Tatsache, daß er als Verteidiger Havemanns Verfasser dieses Schriftsatzes ist. Inwiefern durch die Veröffentlichung allein dieser Information das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Bf verletzt sein könnte, ist nicht erkennbar.

Es liegt auch kein Verstoß gegen die Eigentumsgarantie vor. Obwohl bereits fraglich ist, ob es sich bei dem Schriftsatz eines Rechtsanwalts überhaupt um ein urheberrechtlich geschütztes Werk handelt, haben die Fachgerichte dies zugunsten des Bf unterstellt. Die vermögenswerte Bedeutung der daraus resultierenden potentiellen Verfügungs- und Verwertungsrechte des Bf kann im konkreten Fall allerdings nur als sehr gering angesehen werden. Der Bf trägt insoweit lediglich unsubstantiiert vor, es komme die Veröffentlichung des Schriftsatzes durch ihn in Buchform in Betracht. Selbst wenn dem so wäre, ist nicht ersichtlich, inwiefern infolge der angegriffenen Veröffentlichung die weitere wirtschaftliche Auswertbarkeit des Schriftsatzes durch den Bf selbst nennenswert beeinträchtigt sein könnte.