Bundesverfassungsgericht

Sie sind hier:

Erfolglose Verfassungsbeschwerde gegen sog. versicherungsfremde Leistungen

Pressemitteilung Nr. 21/2000 vom 29. Februar 2000

Beschluss vom 29. Dezember 1999
1 BvR 679/98

Die 2. Kammer des Ersten Senats des BVerfG hat mit Beschluss vom 29. Dezember 1999 die Verfassungsbeschwerde (Vb) eines in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherten Beschwerdeführers (Bf) gegen die Höhe seines Beitrages nicht zur Entscheidung angenommen. Der Bf hatte geltend gemacht, die Beitragsfestsetzung verletzte seine Grundrechte, weil Aufwendungen für versicherungsfremde Leistungen nicht vom Bund ausgeglichen, sondern auf die Beitragszahler abgewälzt würden.

I.

Die Vb richtete sich unmittelbar gegen das Grundsatzurteil des Bundessozialgerichts vom 29. Januar 1998 (abgedruckt in: Neue Zeitschrift für Sozialrecht 1998, S. 482). Verfassungsrechtlich und rentenpolitisch gehört die Frage der Finanzierung der sog. versicherungsfremden Leistungen der Sozialversicherung aus Beiträgen der Pflichtversicherten seit Jahren zu den Schwerpunktthemen der Rentendiskussion. Umstritten ist dabei insbesondere, welche Leistungen überhaupt als "versicherungs-fremd" qualifiziert werden können (etwa: Kriegsfolgelasten, Kindererziehungszeiten, Renten nach Mindesteinkommen, Auffüllbeträge im Zusammenhang mit der Rentenüberleitung Ost, Anerkennung von Berufsausbildungszeiten). Mit seiner Klage war der Bf beim Bundessozialgericht erfolglos.

II.

Die Kammer hat die Vb nicht zur Entscheidung angenommen.

Zur Begründung heißt es u.a.:

1. Die Vb hat keine grundsätzliche Bedeutung. Das BVerfG hat schon mehrfach entschieden, dass in der Sozialversicherung das Versicherungsprinzip entscheidend durch Gesichtspunkte modifiziert wird, die der Privatversicherung fremd sind. Die gesetzliche Rentenversicherung beruht wesentlich auf dem Gedanken der Solidarität ihrer Mitglieder sowie des sozialen Ausgleichs und enthält von jeher auch ein Stück sozialer Fürsorge. Rentenansprüche und Anwartschaften weisen zwar einen hohen personalen Bezug auf. Sie unterfallen auch der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG. Sie stehen jedoch zugleich in einem ausgeprägten sozialen Zusammenhang. Deshalb hat der Gesetzgeber im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG die Befugnis, Rentenansprüche und Rentenanwartschaften zu beschränken, Leistungen zu kürzen und Ansprüche und Anwartschaften umzugestalten, sofern dies einem Gemeinwohlzweck dient und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügt.

2. Die Kammer hat die Annahme der Vb auch nicht zur Durchsetzung der als verletzt bezeichneten Verfassungsrechte für angezeigt gehalten. Sie verweist zur historischen Entwicklung der Einnahmen der Rentenversicherungsträger, zu den kompetenzrechtlichen Grundlagen der Sozialversicherung (Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG) und zu den Fragen der Finanzverfassung (Art. 104a ff GG) auf die umfangreichen Ausführungen in dem mit der Vb angegriffenen Urteil des Bundessozialgerichts. Gegen diese Ausführungen bestehen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.

Für die Entscheidung der Kammer war weiter wesentlich, dass die politische Diskussion der vergangenen Jahre deutlich gemacht hat, dass der Gesetzgeber um ein ausgewogenes Finanzierungssystem der gesetzlichen Rentenversicherung bemüht ist und die Belastung der Beitragszahler in Grenzen zu halten sucht.

Inzwischen werden Einnahmen aus der Energiesteuer ("Öko-steuer") zur Finanzierung der Leistungen der Rentenversicherung verwendet. Dies hat zu einer Beitragsentlastung geführt.

Karlsruhe, den 29. Februar 2000