Bundesverfassungsgericht

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Arbeitsgerichtliche Rechtsprechung zur Festanstellung ständiger freier redaktioneller Mitarbeiter bei Rundfunkanstalten verletzt die Rundfunkfreiheit nicht

Pressemitteilung Nr. 25/2000 vom 9. März 2000

Beschluss vom 18. Februar 2000
1 BvR 491/93

In den Verfassungsbeschwerde(Vb)-Verfahren ging es um die Festanstellung zuvor freier Mitarbeiter im Rundfunk. Die Arbeitsgerichte einschließlich des Bundesarbeitsgerichts (BAG) hatten Klagen freier Mitarbeiter auf Festanstellung stattgegeben, die beschwerdeführende Rundfunkanstalt der Saarländische Rundfunk (Bf) hat dies als Verstoß gegen die Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) beanstandet. Die 1. Kammer des Ersten Senats hat die Vb nicht zur Entscheidung angenommen, weil die arbeitsgerichtlichen Entscheidungen den Bf nicht in seinem Grundrecht auf Rundfunkfreiheit verletzen.

I.

Die Kläger der Ausgangsverfahren waren seit 1972, 1980 und 1984 als Mitarbeiter im redaktionellen Bereich jeweils unterschiedlicher, regelmäßig ausgestrahlter Sendungen des Bf tätig. Auf Grund der mit den Vb angegriffenen arbeitsgerichtlichen Entscheidungen wurde festgestellt, dass die Mitarbeiter in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zum Bf stehen. Die hiergegen erhobenen Vb betrafen die Frage, ob ein Grundrechtsverstoß allein darin besteht, dass die Arbeitsgerichte das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses bejaht haben. Ob die Anforderungen der Rundfunkfreiheit eventuell in anderer Hinsicht verletzt worden sind etwa hinsichtlich der Feststellung einer fehlenden Befristung oder hinsichtlich der Einordnung als Voll oder Teilzeitbeschäftigung war nicht zu entscheiden, da insoweit keine Rügen erhoben worden waren.

II.

Die Kammer hat die Vb nicht zur Entscheidung angenommen.

Zur Begründung heißt es u.a.:

Es ist von Verfassungs wegen nicht ausgeschlossen, auch im Rundfunkbereich von den für das Arbeitsrecht allgemein entwickelten Merkmalen abhängiger Arbeit auszugehen. Allerdings muss das durch die Verfassung geschützte Recht der Rundfunkanstalten, frei von fremder Einflussnahme über die Auswahl, Einstellung und Beschäftigung dieser Mitarbeiter zu bestimmen, berücksichtigt werden. Nach der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung kommt es für die Einstufung eines Dienstverhältnisses als Arbeitsverhältnis auf die Eingliederung in eine von Dritten bestimmte Arbeitsorganisation und den hierdurch gekennzeichneten Grad der persönlichen Abhängigkeit an. Mit der Qualifizierung eines Mitarbeiters als Arbeitnehmer wird die Rundfunkfreiheit nur beeinträchtigt, wenn die verfügbaren Vertragsgestaltungen wie Teilzeitbeschäftigungs oder Befristungsabreden zur Sicherung der Aktualität und Flexibilität der Berichterstattung in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht nicht in gleicher Weise geeignet sind wie die Beschäftigung in freier Mitarbeit. Die Frage der Eignung lässt sich nicht abstrakt, sondern nur unter Berücksichtigung der konkret in Rede stehenden publizistischen Aufgabe des jeweiligen Mitarbeiters beantworten. Bei nicht auf ein bestimmtes Ereignis, sondern auf eine oder mehrere konkrete Sendungen oder Sendereihen bezogener redaktioneller Tätigkeit kann dem Bedürfnis nach Personalwechsel hinreichend mittels Befristungsabreden Rechnung getragen werden. Jedenfalls hat der Bf nicht substantiiert dargelegt, worin sein Interesse begründet sei, die Beschäftigungsverhältnisse der Kläger der Ausgangsverfahren zeit oder projektbezogen zu beschränken. Die Kammer verweist im Übrigen auf die durch die Änderung des Beschäftigungsförderungsgesetzes erfolgte Erleichterung von Befristungsabreden sowie darauf, dass die Rundfunkfreiheit nach ständiger Rechtsprechung des BAG die Befristung eines Arbeitsvertrages mit einem programmgestaltenden Mitarbeiter rechtfertigen kann. Schließlich können auch durch eine Kombination von Befristungsmöglichkeiten nach dem Beschäftigungsförderungsgesetz und nach § 620 Abs. 1 BGB in rechtlich zulässiger Weise Befristungsketten geschaffen werden. Auch dadurch kann im Bereich des Rundfunks flexibel auf die Anforderungen des Marktes reagiert werden.

Karlsruhe, den 9. März 2000