Bundesverfassungsgericht

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Erfolglose Verfassungsbeschwerde von vier Offizieren des Grenzkommandos Mitte der DDR

Pressemitteilung Nr. 35/2000 vom 21. März 2000

Beschluss vom 24. Februar 2000, Beschluss vom 24. Februar 2000, Beschluss vom 24. Februar 2000, Beschluss vom 24. Februar 2000, Beschluss vom 24. Februar 2000, Beschluss vom 24. Februar 2000, Beschluss vom 25. Februar 2000, Beschluss vom 25. Februar 2000
2 BvR 2352/99
2 BvR 2353/99
2 BvR 2371/99
2 BvR 2352/99
2 BvR 2353/99
2 BvR 2371/99
2 BvR 2356/99
2 BvR 2356/99

Die 3. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG (in der Besetzung Hassemer, Broß, Di Fabio) hat in den Verfassungsbeschwerde(Vb)-Verfahren von vier früheren Offizieren der NVA der DDR entschieden (Beschlüsse vom 24. Februar 2000: Az. 2 BvR 2352/99, 2 BvR 2353/99, 2 BvR 2371/99; Beschluss vom 25. Februar 2000: 2 BvR 2356/99):

1. Die Selbstablehnung der Richterin Präsidentin Limbach ist begründet.

2. Die Vb wird nicht zur Entscheidung angenommen.

I.

Die Beschwerdeführer (Bf), Offiziere im Grenzkommando Mitte der DDR, wurden vom Landgericht Berlin (Urteil vom 26. März 1998) im Hinblick auf ihre Mitwirkung an den Befehlen Nr. 20 und Nr. 40, mit denen die Aufgaben der Grenztruppen der DDR nach den Vorgaben der Partei- und Staatsführung der DDR festgelegt und umgesetzt wurden, wegen mehrfachen Totschlags zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt. Ihre Revisionen zum Bundesgerichtshof (BGH) blieben erfolglos (Beschluss vom 8. November 1999).

Mit ihren Vb rügen die Bf u.a. eine Verletzung von Art. 103 Abs. 2 GG ("Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde") durch die Entscheidungen des Landgerichts Berlin und des BGH.

II.

Die Kammer hat die Vb nicht zur Entscheidung angenommen.

Zur Begründung heißt es u.a.:

1. Das Vertrauen in den Fortbestand einer bestimmten Interpretation von Strafgesetzen ist durch Art. 103 Abs. 2 GG nicht geschützt, wenn die zu Grunde liegende Staatspraxis durch Aufforderung zu schwerstem kriminellen Unrecht und seiner Begünstigung die in der Völkergemeinschaft allgemein anerkannten Menschenrechte in schwer wiegender Weise missachtet hat; denn hierdurch setzt der Träger der Staatsmacht extremes staatliches Unrecht, das sich nur solange behaupten kann, wie die dafür verantwortliche Staatsmacht faktisch besteht (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG vom 12. Januar 2000 2 BvR 2114/99 "Fall Krenz"). Dem Vorbringen der Bf ist nichts zu entnehmen, das Anlass geben könnte, das Gebot materieller Gerechtigkeit, dem in dieser ganz besonderen Situation Vorrang vor dem Vertrauensschutz des Art. 103 Abs. 2 GG zukommt, zurücktreten zu lassen.

2. Die Selbstablehnung der Präsidentin ist begründet. Sie hat während ihrer früheren Tätigkeit als Justizsenatorin in Berlin in zahlreichen politischen Äußerungen zum Ausdruck gebracht, dass sie die Anordnungen der staatlichen Führung der DDR, auf denen die Tötung von so genannten Republikflüchtlingen an der innerdeutschen Grenze durch Minen, Selbstschussanlagen und den Schusswaffengebrauch der Grenztruppen beruhte, als strafbares Unrecht ansehe, dessen Verfolgung durch die Strafjustiz eine notwendige und für die Rechtskultur wichtige Aufgabe sei. Sie hat dabei mit Nachdruck die Auffassung vertreten, dass das Verfassungsrecht der Strafverfolgung der Bf wegen der in Rede stehenden Taten nicht entgegenstehe.

Beschlüsse vom 24. und 25. Februar 2000 - Az. 2 BvR 2352/99 u.a. -

Karlsruhe, den 21. März 2000