Bundesverfassungsgericht

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Erfolglose Verfassungsbeschwerde im Zusammenhang mit der Vergütung von Berufsbetreuern

Pressemitteilung Nr. 42/2000 vom 31. März 2000

Beschluss vom 16. März 2000
1 BvR 1970/99

Die 2. Kammer des Ersten Senats des BVerfG hat die Verfassungsbeschwerden (Vb) von insgesamt vier Beschwerdeführern (Bf) nicht zur Entscheidung angenommen. Die Vb betrafen die Höhe der Vergütung von Berufsbetreuern für die Betreuung mittelloser und vermögender Betroffener auf der Grundlage der neuen Vergütungsregelungen des Betreuungsrechtsänderungsgesetzes vom 25. Juni 1998. Die entsprechenden gesetzlichen Regelungen und auch die angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen sind mit dem GG vereinbar.

I.

1. Mit dem Betreuungsgesetz von 1990 wurden Gebrechlichkeitspflegschaften und Entmündigungen abgeschafft. Volljährigen, die auf Grund von Krankheit oder Behinderung ihre Angelegenheiten nicht selbst besorgen können, wird ein Betreuer bestellt. Neben der Betreuung durch einen Verein oder eine Behörde kommt vorrangig die Bestellung natürlicher Personen, die entweder ehrenamtlich oder freiberuflich tätig sind, in Betracht. Sie setzt deren Bereitschaft zur Übernahme der Betreuung voraus. Berufsmäßige Betreuer haben einen Vergütungsanspruch gegen den Betreuten oder im Falle seiner Vermögenslosigkeit einen Vergütungsanspruch gegen den Staat.

Mit dem Betreuungsrechtsänderungsgesetz vom Juni 1998 sind in DM ausgedrückte Stundensätze festgelegt worden, die sich vorrangig an der Qualifikation des Vormundes oder Betreuers orientieren. Für die Betreuung mittelloser Personen schreibt das Gesetz je nach Qualifikation einen Stundensatz von 35 DM bis äußerstenfalls 60 DM vor.

2. Bei den Bf handelt es sich überwiegend um Sozialarbeiter, die als selbständige Berufsbetreuer tätig sind. Sie beanstanden die Höhe ihrer Vergütung, die von verschiedenen Gerichten auf Stundensätze zwischen 60 DM und 70 DM festgesetzt worden ist. Die Bf sind der Auffassung, die Höhe der Vergütung sei unangemessen und rügen einen Verstoß gegen die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG).

II.

Die Voraussetzungen für die Annahme der Vb liegen nicht vor.

1. Den Vb kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu. Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG hat das BVerfG bereits geklärt (vgl. u.a. Beschluss des Ersten Senats vom 15. Dezember 1999; vgl. Pressemitteilung Nr. 4/2000 vom 12. Januar 2000).

2. Auch soweit die Bf im Einzelfall eine Verletzung ihrer Berufsfreiheit oder ihres Anspruchs auf Gleichbehandlung rügen, haben die Vb keinen Erfolg.

a) Art. 12 Abs. 1 GG Mit den gesetzlichen Vergütungsregelungen von 1998 wollte der Gesetzgeber die Rechtssicherheit erhöhen, die Kalkulierbarkeit der Einnahmen herstellen, die Gerichte entlasten und bei gleichzeitiger Gewinnung einer ausreichenden Anzahl von Berufsbetreuern die Staatsausgaben begrenzen. Diese Ziele orientieren sich an vernünftigen Gründen des Allgemeinwohls, die einen Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG grundsätzlich rechtfertigen. Die gesetzliche Neuregelung erscheint auch nicht evident ungeeignet, diese Ziele zu erreichen.

Es ist zudem nicht ersichtlich, dass die Gesamtheit der vom Gesetzgeber verfolgten Ziele mit einem die Belange der Bf weniger beeinträchtigenden Mittel, also mit einer höheren Vergütung, hätte erreicht werden können.

Die Kammer führt unter Hinweis auf den Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers aus, dass sich dieser im Gesetzgebungsverfahren Erkenntnisse aus unterschiedlichen Quellen verschafft und u.a. auch den Berufsverband der Berufsbetreuer/-innen angehört hat. Die Bewertung, dass es ein weniger beeinträchtigendes Mittel gleicher Wirksamkeit zur Erreichung der genannten Ziele nicht gibt, ist auf der Grundlage dieser Erkenntnisse noch vertretbar.

Schließlich werden den Berufsbetreuern im gegenwärtigen Zeitpunkt auch keine unangemessen niedrigen Einkünfte zugemutet. Nach wie vor verfügen Betreuer über unterschiedliche berufliche Qualifikationen. Es ist ihrer freien Entscheidung überlassen, ob sie als Berufsbetreuer zu den gesetzlichen Konditionen tätig werden wollen. Es gibt keine durchsetzbare Verpflichtung zur Übernahme von Betreuungen, und es gibt auch kein Überangebot an Personen, die wegen einer Spezialausbildung darauf angewiesen wären, gerade als Berufsbetreuer zu arbeiten. Ebenso spricht unverändert für die Angemessenheit der Vergütungsregelung, dass sie für Ergänzungen offen ist. Anhaltspunkte dafür, dass die wirtschaftliche Existenz von Berufsbetreuern mit den Vergütungsansprüchen gegenüber der Staatskasse nicht mehr gewährleistet wäre, gibt es nicht. Die Festsetzung einer möglicherweise im Hauptberuf als gering zu bewertenden Vergütung liegt noch im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, sofern er steuernd auf eine vermehrte Berufsbetreuung im Nebenberuf hinwirken will.

b) Art. 3 Abs. 1 GG Die angegriffene Regelung verletzt auch nicht Art. 3 Abs. 1 GG. Insoweit kann auf den Beschluss des Ersten Senats vom 15. Dezember 1999 (s.o.) Bezug genommen werden. Dort hat der Erste Senat ausgeführt, dass zwischen den Gruppen der Beamten oder Angestellten im öffentlichen Dienst und den Selbständigen, die sich durch ein höheres Maß an persönlicher Unabhängigkeit und durch wirtschaftliche Gestaltungsfreiheit auszeichnen, so erhebliche Unterschiede bestehen, dass auch die Vergütung eigenständig geregelt werden darf. Daran hat sich durch das Betreuungs- rechtsänderungsgesetz nichts geändert.

c) Auch die Auslegung in den angegriffenen Entscheidungen genügt den Maßstäben des Art. 3 Abs. 1 GG. Zwar hat das BVerfG im Beschluss vom 15. Dezember 1999 entschieden, dass Unterschiede zwischen den Vergütungen aus der Staatskasse und denjenigen aus dem Vermögen der Betreuten gerechtfertigt sein können. Das besagt jedoch nicht, dass verfassungsrechtlich grundsätzlich eine Ungleichbehandlung geboten ist. Die Berufsbetreuer von bemittelten und unbemittelten Betroffenen bilden nicht zwei Gruppen von Normadressaten, deren unterschiedliche Eigenschaften oder Tätigkeiten durchweg eine Ungleichbehandlung gebieten. Bemittelte und unbemittelte Personen mit gleichartigem Bedarf können einen weitgehend identischen Betreuungsaufwand erfordern, wenn dem Berufsbetreuer der Aufgabenkreis der Vermögensverwaltung nicht übertragen worden ist.

Karlsruhe, den 31. März 2000