Bundesverfassungsgericht

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Erfolglose Verfassungsbeschwerde im Zusammenhang mit Dauer der Sicherungsverwahrung

Pressemitteilung Nr. 45/2000 vom 12. April 2000

Beschluss vom 29. Februar 2000, Beschluss vom 03. Dezember 1998
2 BvR 2033/98
2 BvR 2033/98

Die 3. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde (Vb) eines in Sicherungsverwahrung befindlichen Straftäters gegen gerichtliche Entscheidungen, ihn nach 10-jähriger Sicherungsverwahrung noch nicht zur Bewährung zu entlassen, einstimmig nicht zur Entscheidung angenommen.

I.

Der Beschwerdeführer (Bf) verbüßte wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern zunächst eine mehrjährige Freiheitsstrafe und befindet sich seit 1988 in Sicherungsverwahrung. Auf der Grundlage der alten Fassung von § 67d StGB, wonach die Dauer einer ersten Sicherungsverwahrung auf zehn Jahre begrenzt war, sollte er im Juli 1998 entlassen werden.

Im Januar 1998 ist jedoch § 67d Abs. 3 StGB in Kraft getreten, der wie folgt lautet:

"Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Hanges erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit der Erledigung tritt Führungsaufsicht ein".

Die Entlassung des Bf wurde auf der Grundlage dieser neuen Regelung vom Landgericht und vom Oberlandesgericht rechtskräftig abgelehnt. Hiergegen - und mittelbar gegen die Neufassung des § 67d StGB - erhob der Bf Vb.

Zur Begründung führte er u.a. aus, dass die Vorschrift gegen Art. 103 Abs. 2 GG verstoße ("Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde").

II.

Die Kammer hat die Vb nicht zur Entscheidung angenommen. Sie ist unzulässig. Deshalb hat sich die Kammer mit der rückwirkenden Verlängerung der Sicherungsverwahrung nicht beschäftigen können.

Zur Begründung heißt es u.a.:

1. Die Begründung der Vb genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen. Es hätte u.a. dargelegt werden müssen, dass und warum nicht nur die Strafe, sondern auch die Maßregel der Besserung und Sicherung (hier: Sicherungsverwahrung) dem besonderen Schutz des Art. 103 Abs. 2 GG unterstehen soll. Dies gilt umsomehr, als die Frage des Anwendungsbereichs des Art. 103 Abs. 2 GG nicht geklärt ist und auch das BVerfG bisher offen gelassen hat, ob auch Maßregeln der Besserung und Sicherung am Schutz von Art. 103 Abs. 2 GG teilhaben.

2. Weiterhin steht der Grundsatz der Subsidiarität der Vb entgegen, der auch erfordert, dass der Bf verfassungsrechtliche Einwände bereits im Ausgangsverfahren vorträgt. Der Vortrag darf sich nicht - wie im vorliegenden Fall - darin erschöpfen, auf die Verfassungswidrigkeit unter knapper Benennung vermeintlich einschlägiger verfassungsrechtlicher Gesichtspunkte lediglich hinzuweisen. Vielmehr hätte sich der Bf, der zwar allgemein eine Verletzung des Rückwirkungsverbots geltend gemacht hat, dabei aber nicht darauf eingegangen ist, welche Verfassungsvorschrift er als verletzt ansieht, mit der Frage befassen müssen, ob der besondere Rückwirkungsschutz des Art. 103 Abs. 2 GG oder lediglich der im Rechtsstaatsprinzip verankerte allgemeine, gegenüber Art. 103 Abs. 2 GG eingeschränkte, Vertrauensschutz eingreife.

Karlsruhe, den 12. April 2000