Bundesverfassungsgericht

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Erfolglose Verfassungsbeschwerden gegen strafrechtliche Verurteilungen aufgrund mitgehörter Telefonate

Pressemitteilung Nr. 72/2000 vom 26. Mai 2000

Beschluss vom 27. April 2000, Beschluss vom 27. April 2000
2 BvR 1990/96
2 BvR 75/94

Die 3. Kammer des Zweiten Senats hat zwei Verfassungsbeschwerden (Vb) nicht zur Entscheidung angenommen, die sich gegen die Verwertung mitgehörter Telefonate im Strafverfahren richteten.

I.

In beiden Verfahren hatte das Landgericht die Beschwerdeführer (Bf) wegen schweren Raubes zu Freiheitsstrafen von sechs Jahren verurteilt. Beide Gerichte stützten ihre Überzeugung von der Täterschaft der Bf maßgeblich auf den Inhalt von Telefongesprächen zwischen den Bf und Zeugen. Im Verfahren 2 BvR 75/94 war das Telefonat von einem Polizeibeamten über einen Zweithörer mitgehört worden. Im Verfahren 2 BvR 1990/96 hatte die Polizei ein Telefonat zwischen dem Bf und einem Zeugen veranlasst, dessen Inhalt von einem Dolmetscher mitgehört wurde.

Im Revisionsverfahren hat der Große Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofs (BGH) hierzu entschieden, der Inhalt eines solchen Gespräches könne im Wege des Zeugenbeweises jedenfalls dann verwertet werden, wenn es um die Aufklärung einer Straftat von erheblicher Bedeutung gehe und die Erforschung des Sachverhaltes unter Einsatz anderer Ermittlungsmethoden erheblich weniger erfolgversprechend oder wesentlich erschwert gewesen wäre.

Mit ihren Vb rügten die Bf im Wesentlichen die Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 und 10 Abs. 1 GG. Die Auffassung des BGH, das Fernmeldegeheimnis ende am Endgerät des Gesprächsteilnehmers, sei mit der Entscheidung des BVerfG vom 25. März 1992 (BVerfGE 85, 386 ff) nicht vereinbar. Die einseitige Einwilligung des einen Gesprächsteilnehmers, einen Dritten mithören zu lassen, könne nicht den Eingriff in das Grundrecht des anderen Teilnehmers rechtfertigen. Eine Verurteilung auf dieser Grundlage sei mit den Grundsätzen eines rechtstaatlichen Strafverfahrens, wonach niemand gegen sich selbst aussagen müsse, unvereinbar.

II.

Die 3. Kammer des Zweiten Senats hat beide Vb nicht zur Entscheidung angenommen. Die Beschlüsse beruhen im wesentlichen darauf, dass die Bf sich in der Begründung ihrer Verfassungsbeschwerden nicht hinreichend mit den Entscheidungen des Großen Senats für Strafsachen des BGH und den jeweiligen Revisionsentscheidungen auseinander gesetzt haben.

Dies gilt insbesondere für die Erwägung des BGH, das Fernmeldegeheimnis solle gerade den Gefahren begegnen, die sich aus der Einschaltung eines Übermittlers ergeben, schütze mithin die den Netzbetreibern zur Übermittlung anvertraute Kommunikation nur soweit und solange, wie die technischen Einrichtungen des Netzbetreibers in Anspruch genommen werden. Das Mithören an einer Endeinrichtung bedarf keiner Mitwirkung des Netzbetreibers. Die Vb setzen sich nicht damit auseinander, ob es gleichwohl eine "Einschaltung" in den Kommunikationsvorgang darstellt und ob das Einverständnis eines Kommunikationsteilnehmers etwaige Schutzwirkungen des Fernmeldegeheimnisses entfallen lassen kann.

Auch unter dem Gesichtspunkt des aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG hergeleiteten Schutzes vor erzwungener Selbstbelastung genügt die Begründung der Vb nicht den Anforderungen. Die Bf setzen sich nicht mit den vom BGH dargelegten Unterschieden zwischen Irrtum und Zwang bzw. (verbotenem) Täuschen und (erlaubtem) Unterlassen von Aufklärung über das Mithören durch einen Dritten auseinander. Sie legen auch nicht dar, aus welchen Gründen es verfassungsrechtlich geboten sein soll, den Schutz vor Selbstbezichtigung auch auf die Fälle auszudehnen, in denen der Beschuldigte in vernehmungsähnlichen Situationen oder durch verdeckte Ermittlungsmaßnahmen gezielt zu selbst belastenden Äußerungen veranlasst wird.

Schließlich fehlt den Vb eine Begründung dafür, inwieweit die Ablehnung eines Beweisverwertungsverbotes die verfassungsrechtlich verbürgten Rechte der Bf verletzen soll. Es besteht kein Rechtssatz des Inhalts, dass im Fall einer rechtsfehlerhaften Beweiserhebung die Verwertung gewonnener Beweise stets unzulässig sei.

Karlsruhe, den 26. Mai 2000