Bundesverfassungsgericht

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Erfolglose Verfassungsbeschwerde eines Arztes gegen strafgerichtliche Verurteilung wegen Schwangerschaftsabbruchs

Pressemitteilung Nr. 78/2000 vom 8. Juni 2000

Beschluss vom 22. Mai 2000
2 BvR 291/92

Die 3. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde (Vb) eines Arztes gegen seine strafgerichtliche Verurteilung wegen mehrfachen Schwangerschaftsabbruchs nicht zur Entscheidung angenommen.

I.

Der Beschwerdeführer (Bf) wurde 1989 vom Landgericht Memmingen u.a. wegen mehrfachen Abbruchs der Schwangerschaft (§ 218 Abs. 1 StGB in der Fassung von 1976; entspricht dem seit 1992 geltenden § 218 Abs. 1 Satz 1 StGB) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren verurteilt. Auf seine Revision sprach der Bundesgerichtshof (BGH) ihn zum Teil frei und verwies die Sache im übrigen an das Landgericht Augsburg zurück. Dieses Gericht verurteilte den Bf 1994 zu einer Bewährungsstrafe von eineinhalb Jahren. Insoweit verzichtete der Bf auf Rechtsmittel, das Urteil wurde also rechtskräftig.

Gegen alle drei Urteile erhob der Bf Vb. Er beanstandete u.a. die Verwertung der 1986 in seiner Praxis beschlagnahmten Patientinnenkartei und rügte, dass der BGH seine Revisionsbegründung nicht vollständig geprüft habe.

II.

Die Vb ist unzulässig.

1. Soweit es um die Patientinnenkartei geht, rügt der Bf nicht die Beweiserhebung, sondern die Beweisverwertung. Seinem Vortrag sind jedoch keine Gründe dafür zu entnehmen, inwiefern diese Verwertung von Daten der Patientinnen eine Verletzung seiner eigenen grundrechtlich geschützten Rechte bedeutet. Eine solche Verletzung seiner subjektiven Rechte folgt auch nicht unmittelbar aus der Rüge, die Beweiserhebung verstoße gegen seine Berufsfreiheit (Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patienten). Denn der beanspruchte Schutz dieses Vertrauensverhältnisses ist nicht darauf gerichtet, den Arzt vor einer strafrechtlichen Verurteilung zu schützen.

2. Auch den weiteren Beanstandungen des Bf ist die Möglichkeit einer Verletzung in Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten nicht zu entnehmen.

a) Seine Annahme, der Arzt, der den Abbruch der Schwangerschaft durchführt, dürfe die Entscheidung über das Vorliegen einer Notlagenindikation letztlich der Patientin überlassen, entspricht nicht dem Gesetz. Gegen das Gesetz selbst hat der Bf aber keine Vb erhoben. Eine Prüfung des Gesetzes von Amts wegen ist nicht veranlasst.

b) Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der BGH als Revisionsinstanz angenommen hat, die Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs "nach ärztlicher Erkenntnis" (§ 218a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 StGB a.F.) durch das Tatgericht (hier: das Landgericht Memmingen) sei seiner Nachprüfung entzogen. Die Rechtsweggarantie (Art. 19 Abs. 4 GG) gibt keinen Anspruch auf eine weitere Instanz; also ist auch eine erneute Prüfung der tatsächlichen (in Abgrenzung zu rechtlichen) Entscheidungsgrundlagen durch das Revisionsgericht von Verfassungs wegen nicht geboten.

c) Soweit der BGH - im Umfang der von ihm bestätigten Verurteilung - anhand von vier Beispielsfällen erläutert hat, dass das Landgericht Memmingen unter Hinzuziehung von Sachverständigen jeden einzelnen Fall geprüft und im Rahmen seiner Beurteilungskompetenz fehlerfrei entschieden habe, ist auch hiergegen verfassungsrechtlich nichts zu erinnern.

Das Revisionsgericht kann von Verfassungs wegen auf eine Begründung seiner nicht mehr mit Rechtsmitteln anfechtbaren Entscheidung ganz verzichten. Erörtert es in den Gründen seiner Entscheidung Beispiele aus einer Vielzahl gleichgelagerter Fälle, so gibt es zu erkennen, dass es auch die anderen Fälle geprüft hat. Dies wird im vorliegenden Fall durch den Teilfreispruch des Bf unterstrichen.

Karlsruhe, den 8. Juni 2000