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Entscheidung im Verfahrenskomplex "Einmalzahlungen" wird in den nächsten Tagen bekannt gegeben

Pressemitteilung Nr. 80/2000 vom 15. Juni 2000

Der Erste Senat des BVerfG wird in wenigen Tagen seine Entscheidung im Verfahren "Einmalzahlungen" bekannt geben.

I.

Die Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen auf "Einmalzahlungen" ist in § 23a Abs. 1 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) gesetzlich geregelt. Unter solche Zahlungen fallen insbesondere das sogenannte 13. Monatsgehalt, das Weihnachtsgeld und das Urlaubsgeld.

Von diesen Zahlungen sind Sozialversicherungsbeiträge (gesetzliche Renten- und Krankenversicherung, soziale Pflegeversicherung, Arbeitslosenversicherung) abzuführen. Bei der Berechnung von Lohnersatzleistungen (z.B. Arbeitslosengeld, Krankengeld und Übergangsgeld, das während einer Rehabilitationsmaßnahme geleistet wird) wird das einmalig gezahlte Arbeitsentgelt nicht berücksichtigt.

II.

Durch Beschluss des Ersten Senats des BVerfG vom 11. Januar 1995 (BVerfGE 92, 53 ff; vgl. in der Anlage beigefügte Pressemitteilung vom 15. Mai 1995 Nr. 23/95) wurde die frühere Gesetzeslage als verfassungswidrig angesehen.

Der Leitsatz dieser Entscheidung lautet:

Es ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) unvereinbar, daß einmalig gezahltes Arbeitsentgelt (Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld usw.) zu Sozialversicherungsbeiträgen herangezogen wird, ohne daß es bei der Berechnung von kurzfristigen Lohnersatzleistungen (beispielsweise Arbeitslosengeld, Krankengeld und Übergangsgeld) berücksichtigt wird.

Das BVerfG hat das Gesetz als Übergangsrecht bis längstens 31. Dezember 1996 weiter gelten lassen und vom Gesetzgeber eine verfassungskonforme Neuregelung gefordert.

III.

Der Gesetzgeber hat auf diese Entscheidung mit dem "Gesetz zur sozialrechtlichen Behandlung von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt" vom 12. Dezember 1996 reagiert.

Dieses Gesetz fasst auf der Beitragsseite die im Kranken-, Renten- und Arbeitsförderungsrecht bis dahin vorhandenen beitragsrechtlichen Regelungen über Einmalzahlungen in § 23 a SGB IV zusammen. Es zieht also die beitragsrechtlichen Regelungen in einer neuen Vorschrift gleichsam vor die Klammer. Inhaltlich besteht kein Unterscheid zu den Vorgängerregelungen.

Auf der Leistungsseite ändert das Gesetz die Berechnungsvorschriften für das Arbeitslosen-, Kranken- und Übergangsgeld insoweit nicht, als die Einmalzahlungen weiterhin bei der Berechnung unberücksichtigt bleiben. Zusätzlich eingeführt in das Sozialgesetzbuch V wurde jedoch eine Vorschrift über ein "Zusätzliches Krankengeld" (§ 47 a SGB V). Sie gilt entsprechend für das Übergangsgeld.

IV.

Dem BVerfG liegen insgesamt zehn Richtervorlagen vor, die zum Teil das Beitragsrecht (Vorlagebeschlüsse des Sozialgerichts Kassel), zum Teil das Leistungsrecht betreffen (zum Arbeitslosengeld und Unterhaltsgeld Vorlagebeschlüsse des Sozialgerichts Köln, des Sozialgerichts Berlin und des Sozialgerichts Hamburg; zum Krankengeld ein Vorlagebeschluss des Sozialgerichts Leipzig).

Alle Vorlagebeschlüsse stützen sich auf den Beschluss des BVerfG von Januar 1995 (s. o. II). Im Kern wird argumentiert, die von Einmalzahlungen abgeführten Beiträge hätten nach wie vor keinen "Erfolgswert", weil sie bei der Berechnung der Lohnersatzleistungen unberücksichtigt blieben. Daraus folge, dass gleich hohe Beiträge einen unterschiedlichen Erfolgswert hätten.

Beispiel: A, B und C verdienen jeweils -insgesamt beitragspflichtige- 60.000DM brutto im Jahr. A, B und C zahlen je gleich hohe Sozialversicherungsbeiträge. Das Gehalt von A enthält keine Einmalzahlungen, das von B 2.5oo DM, das von C 4.000 DM. Das für die Berechnung des Arbeitslosengeldes maßgebliche Bemessungsentgelt beträgt bei A 60.000 DM, bei B 57.500 DM, bei C 56.000 DM.

Karlsruhe, den 15. Juni 2000