Bundesverfassungsgericht

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Erfolglose Verfassungsbeschwerden im Zusammenhang mit der Vergütung von Verfahrenspflegern

Pressemitteilung Nr. 87/2000 vom 29. Juni 2000

Beschluss vom 07. Juni 2000
1 BvR 23/00

Die 2. Kammer des Ersten Senats des BVerfG hat die Verfassungsbeschwerden (Vb) von zwei Rechtsanwälten nicht zur Entscheidung angenommen, die deren Tätigkeit als Verfahrenspfleger betrafen.

I.

1. Die Beschwerdeführer (Bf) waren in verschiedenen Verfahren von den Fachgerichten als Verfahrenspfleger bestellt worden. Für ihre Vergütung legten die Gerichte nicht die Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO) zugrunde, sondern einen Stundensatz von 60, DM nach dem Berufsvormündervergütungsgesetz (BVormVG), auf das das Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG) für Verfahrenspfleger verweist. Darin sahen die Bf eine Verletzung ihrer Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG), weil Rechtsanwälte, die sich auf Verfahrenspflegschaften spezialisierten, so nicht kostendeckend arbeiten könnten. Für einen Stundensatz von 60 DM ließen sich qualifizierte Verfahrenspfleger nicht finden. Die BRAGO als spezielleres Gesetz für die anwaltliche Tätigkeit sei anzuwenden.

Außerdem verstoße es gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG, ihnen nur die Sätze nach dem BVormVG zuzuge stehen, während Rechtsanwälte als Vormund oder Betreuer Vermögender diesen gegenüber weit höhere Stundensätze abrechnen könnten.

II.

1. Die Kammer hat die Vb nicht zur Entscheidung angenommen und zur Begründung u.a. ausgeführt:

Grundsätzliche verfassungsrechtliche Fragen werden durch die Verfassungsbeschwerden nicht aufgeworfen (s. hierzu Beschluss des Ersten Senats des BVerfG vom 15. Dezember 1999; vgl. Pressemitteilung Nr. 4/2000 vom 12. Januar 2000 und Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 16. März 2000, vgl. Pressemitteilung Nr. 42/2000 vom 31. März 2000). Insbesondere hat das BVerfG bereits entschieden, dass das Entgelt für den Hauptberuf nicht auch für die Vergütung in einem freiwillig übernommenen Zweitberuf zugrundegelegt werden muss.

2. Weder die gesetzliche Regelung als solche noch die angegriffenen Gerichtsentscheidungen lassen Verletzungen der Berufsfreiheit der Bf erkennen. Verfahrenspfleger nach dem FGG haben andere Aufgaben als ein Rechtsanwalt. Sie werden dem Betroffenen nicht in erster Linie als Rechtsberater für das konkrete Verfahren beigeordnet, sondern als geschäftsfähige und in der Organisation alltäglicher Geschäfte erfahrene Personen, die dem Betroffenen bei der Durchsetzung von Wünschen und Interessen dienen sollen. Sie sind Vertreter eigener Art, die Rechtsanwälte sein können, aber nicht müssen. Das Bundesverfassungsgericht hat daher bei seiner Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit der Berufsbetreuervergütung festgehalten, dass die Vergütungsregelung auch deshalb angemessen ist, weil sie für Ergänzungen offen ist, soweit professioneller Rechtsrat vonnöten oder wenigstens üblich ist (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 15. Dezember 1999, BtPrax 2000, S. 79). Das gilt nach der fachgerichtlichen Auslegung der einschlägigen Vorschriften auch für Verfahrenspflegschaften. Soweit im Einzelfall ein als Verfahrenspfleger beigeordneter Rechtsanwalt Aufgaben übernimmt, für die ein als Verfahrenspfleger beigeordneter Nichtjurist einen Anwalt konsultieren würde, kann er entsprechend den gesetzlichen Regelungen für diese Tätigkeit auch nach der BRAGO vergütet werden, wie die Kammer weiter ausführt. Im übrigen besteht keine Verpflichtung von Rechtsanwälten, Verfahrenspflegschaften zu übernehmen.

Bei diesem Verständnis vom Inhalt der Norm steht § 67 Abs. 3 FGG mit der Verfassung in Einklang. In der Praxis kann es allerdings zu schwierigen Abgrenzungsfragen kommen, die mit einer sachangemessenen Ausgestaltung des Verfahrens aber weitgehend vermieden werden können. Für die Gerichte kann es im Sinne der Rechtsklarheit geboten sein, bereits bei der Bestellung eines Rechtsanwalts als Verfahrenspfleger einen Hinweis darauf zu geben, ob im konkreten Fall davon auszugehen ist, dass rechtsanwaltsspezifische Tätigkeiten anfallen werden. Erst dann stehen dem Rechtsanwalt alle Tatsachen zur Verfügung, die für seinen Entschluss bei Übernahme der Verfahrenspflegschaft von Bedeutung sind. Er kann dann die Pflegschaft ablehnen, wenn er nur für solche Verfahrenspflegschaften zur Verfügung steht, für die er da anwaltliche Tätigkeit vonnöten ist auch nach der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte abrechnen kann.

Ob die Gerichte um der Klarheit willen hierüber Zwischenentscheidungen treffen sollten, war vorliegend nicht zu entscheiden; dies ist Sache der zuständigen Gerichte.

Aus den gleichen Gründen hat die 2. Kammer des Ersten Senats mit Beschluss vom 7. Juni 2000 zwei Vorlagebeschlüsse des Amtsgerichts Köln als unzulässig zurückgewiesen (1 BvL 1/99 und 1 BvL 2/99).