Bundesverfassungsgericht

Sie sind hier:

Kammerentscheidung zur Werbung für zahnärztliche Leistungen

Pressemitteilung Nr. 104/2000 vom 3. August 2000

Beschluss vom 04. Juli 2000
1 BvR 547/99

Die 2. Kammer des Ersten Senats des BVerfG hat ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) aufgehoben, mit dem eine Zahnklinik in Kiel und der dort tätige Zahnarzt wegen unzulässiger Werbung verurteilt worden waren.

1. Grund der Verurteilung war ein farbiges Faltblatt der Zahnklinik, welches in ihren Räumen auslag. In diesem Faltblatt werden Technik und Ablauf von Implantatbehandlungen als eine Methode der Zahnbehandlung geschildert, die anders als herkömmliche Behandlungen mehr Lebensqualität sichern könne ("Der Natur ein Stück näher ... sicher"; "Implantate - ein guter Weg"; "Zahn für Zahn mehr Lebensqualität"; "sicher - bequem - ästhetisch").

Die angebotenen zahnärztlichen Leistungen werden von dem ebenfalls verurteilten Zahnarzt erbracht, der in dem selben Gebäude wie die Zahnklinik eine Praxis als niedergelassener Zahnarzt unterhält. Auf Antrag eines Zahnarztkollegen und der Zahnärztekammer Schleswig-Holstein hat der BGH den Beschwerdeführern (Bf) die Verbreitung dieses Faltblatts wegen Verstoßes gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb im Zusammenhang mit der Berufsordnung für Zahnärzte untersagt.

2. Die Verfassungsbeschwerde (Vb) gegen diese Verurteilung hat Erfolg, weil das Urteil auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) beruht. Die Vorschrift in der Berufsordnung für Zahnärzte, nach der dem Zahnarzt "jede Werbung und Anpreisung" untersagt ist, muss verfassungskonform dahingehend ausgelegt werden, dass nur berufswidrige Werbung unzulässig ist, die keine interessengerechte und sachangemessene Information darstellt.

Die Auslegung durch den BGH wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Es ist schon nicht nachvollziehbar, dass der BGH die in der Klinik ausliegenden Faltblätter als Werbung für die ambulanten zahnärztlichen Leistungen des Zahnarztes bewertet. Dieser wird im Faltblatt nicht erwähnt; das Faltblatt lag auch nicht in seiner Praxis aus. Für die Klinik hingegen, in der gewerbliche Umsätze erzielt werden, gilt die Regelung in der Berufsordnung über Werbetätigkeit niedergelassener Ärzte nicht. Ihre Maßstäbe können auch nicht durch die Anknüpfung an den dort arbeitenden Belegarzt, der daneben eine eigene Praxis unterhält, auf eine Klinik übertragen werden. Darüber hinaus fehlt es an einer Begründung dafür, dass die Informationen, die das Faltblatt enthält, in ihrer Präsentation den Rahmen sprengen, der einerseits einer Klinik gezogen ist und den andererseits ein niedergelassener Arzt beachten muss. An einer sachlich zutreffenden und dem Laien verständlichen Informationswerbung über die relativ neue Behandlungsmethode der Implantation besteht ein Allgemeininteresse. Es geht auch nicht um die Anpreisung eines bestimmten Arztes, sondern um die Werbung für eine bestimmte Therapie. Zudem ist zu berücksichtigen, dass das Faltblatt nur in der Klinik ausgelegt und niemandem unverlangt zugeschickt wird. Außerdem erschließt sich aus der angegriffenen Entscheidung nicht, weshalb es niedergelassenen Ärzten verwehrt sein soll, in ihrer Praxis durch allgemein gehaltenes Informationsmaterial über von ihnen beherrschte Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu informieren.

Karlsruhe, den 3. August 2000