Bundesverfassungsgericht

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Unzulässige Vorlage zur Verjährungsverlängerung

Pressemitteilung Nr. 140/2000 vom 25. Oktober 2000

Beschluss vom 29. September 2000
2 BvL 6/00

Die 3. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG hat eine Richtervorlage als unzulässig verworfen, die die Verlängerung der Verjährungsfristen für Taten in der Ex-DDR betraf.

1. Der mehrfach geänderte § 315a Abs. 2 EGStGB (Wortlaut in der Anlage) legt die Verjährungsfristen für bestimmte Straftaten in der DDR fest.

Ist eine Tat mit Freiheitsstrafe von höchstens einem Jahr bedroht, verjährt sie danach frühestens am 31. Dezember 1995. Taten, die mit Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren bedroht sind, verjähren frühestens am 2. Oktober 2000.

Das Ausgangsverfahren betrifft ein Strafverfahren wegen Unterhaltspflichtverletzung im Zeitraum März 1988 bis Frühjahr 1990. In der damaligen DDR war 1988 ein Ermittlungsverfahren gegen die Angeschuldigte eingeleitet, nach knapp zwei Wochen jedoch vorläufig eingestellt worden. Bis zum 21. Januar 1999 wurde es nicht weiter betrieben. Sodann erhob die Staatsanwaltschaft Anklage.

Der Strafrichter hat das Verfahren ausgesetzt und dem BVerfG die Frage vorgelegt, ob § 315a EGStGB mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist. Der hinreichende Verdacht einer Unterhaltspflichtverletzung bestehe.

Verstoße die besondere Verjährungsregelung gegen das Grundgesetz, sei das Hauptverfahren wegen Verjährung nicht zu eröffnen. Sachliche Gründe für eine Ungleichbehandlung der Strafverfolgungsverjährung in den alten und neuen Ländern liegen nach Überzeugung des vorlegenden Gerichts nicht vor.

2. Die Kammer hat die Vorlage als unzulässig verworfen. Sie führt aus, dass es an der erforderlichen Sachaufklärung fehlt und das vorlegende Gericht nicht hinreichend dargelegt hat, inwiefern seine Entscheidung von der Gültigkeit der zur Prüfung gestellten Norm abhängt. Außerdem hat das Gericht sich nicht damit auseinandergesetzt, ob im Hinblick auf den 10-jährigen Verfahrensstillstand, den die Angeschuldigte nicht zu vertreten hat, ein Verfahrenshindernis von Verfassungs wegen vorliegt.

Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist das Strafverfahren am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu messen. In besonderen Ausnahmefällen kann die Fortführung des Strafverfahrens unangemessen sein, was hier infolge der überlangen Verfahrensverzögerung in Betracht kommt. Auch hiermit hat das vorlegende Gericht sich nicht auseinandergesetzt.

Karlsruhe, den 25. Oktober 2000

Anlage zur Pressemitteilung Nr. 140/2000 vom 25. Oktober 2000

Art. 315a EGStGB

(1) Soweit die Verjährung der Verfolgung oder der Vollstreckung nach dem Recht der Deutschen Demokratischen Republik bis zum Wirksamwerden des Beitritts nicht eingetreten war, bleibt es dabei. Dies gilt auch, soweit für die Tat vor dem Wirksamwerden des Beitritts auch das Strafrecht der Bundesrepublik Deutschland gegolten hat. Die Verfolgungsverjährung gilt als am Tag des Wirksamwerdens des Beitritts unterbrochen; § 78c Abs. 3 des Strafgesetzbuches bleibt unberührt.

(2) Die Verfolgung von Taten, die in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet begangen worden sind und die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr bis zu fünf Jahren bedroht sind, verjährt frühestens mit Ablauf des 2. Oktober 2000, die Verfolgung der in diesem Gebiet vor Ablauf des 2. Oktober 1990 begangenen und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bedrohten Taten frühestens mit Ablauf des 31. Dezember 1995.

(3) Verbrechen, die den Tatbestand des Mordes (§ 211 des Strafgesetzbuches) erfüllen, für welche sich die Strafe jedoch nach dem Recht der Deutschen Demokratischen Republik bestimmt, verjähren nicht.