Bundesverfassungsgericht

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Zum kartellrechtlichen Kontrahierungszwang

Pressemitteilung Nr. 146/2000 vom 15. November 2000

Beschluss vom 09. Oktober 2000
1 BvR 1627/95

Die Verfassungsbeschwerde (Vb) eines Pharmagroßhändlers (Beschwerdeführerin; Bf) gegen das Verbot des Bundeskartellamts, einem Arzneimittelimporteur generell die Geschäftsbeziehungen zu verweigern, ist von der 1. Kammer des Ersten Senats des BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen worden.

Das Bundeskartellamt hatte im Jahr 1991 insgesamt drei Pharmagroßhändlern unter Androhung einer Geldbuße untersagt, sich gegenüber dem Pharmaimporteur zu weigern, seine Arzneimittel nach großhandelsüblichen Bedingungen zu beziehen und zu vertreiben.

Hintergrund war eine von sämtlichen Pharmagroßhändlern praktizierte Bezugssperre, durch die der Marktzugang für Importarzneimittel behindert wurde. Nach Auffassung des Bundeskartellamtes verstieß dies gegen das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Der BGH hatte die Beschwerde der Bf in letzter Instanz zurückgewiesen.

Die 1. Kammer des Ersten Senats hat die in erster Linie mit einer Verletzung der Berufsfreiheit begründete Vb nicht zur Entscheidung angenommen. Zur Begründung führt sie im wesentlichen aus:

Die Berufsfreiheit der Bf ist durch die angegriffene Untersagungsverfügung nicht verletzt. Das "kartellrechtliche Diskriminierungsverbot" durch die §§ 26, 37 a und 38 GWB in der damaligen Fassung stellt eine hinreichende gesetzliche Grundlage für die Regelung der Berufsausübung der Bf dar. Es ist verfassungsrechtlich unbedenklich, dass der Bf durch das Verbot eines wettbewerbswidrigen Unterlassens der Sache nach die Aufnahme von Geschäftsbeziehungen, also ein Kontrahierungszwang aufgegeben worden ist. Da die Bf nur verpflichtet worden ist, dem betroffenen Pharmaimporteur "großhandelsübliche" Bedingungen anzubieten, verbleibt ihr hinsichtlich der Einzelheiten noch genügend Spielraum, ihren eigenen ökonomischen Belangen Rechnung zu tragen. Zu Recht ist der Bundesgerichtshof (BGH) davon ausgegangen, dass ein kartellrechtlich angeordneter Kontrahierungszwang zu Lasten eines Nachfragers nicht nur in extremen Ausnahmesituationen in Betracht gezogen werden kann. Vielmehr lässt sich ein solcher bereits dann rechtfertigen, wenn eine umfassende Abwägung der berührten Interessen sowohl des abhängigen Anbieters als auch des marktstarken Nachfragers unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des GWB zu dem Ergebnis führt, dass die Interessen des Anbieters überwiegen. Ebenfalls ist nicht zu beanstanden, dass der BGH bei der erforderlichen Interessenabwägung auch gesundheitspolitische Zielsetzungen berücksichtigt hat.

Karlsruhe, den 15. November 2000