Bundesverfassungsgericht

Sie sind hier:

Uhren hinter Gittern

Pressemitteilung Nr. 147/2000 vom 17. November 2000

Beschluss vom 30. Oktober 2000
2 BvR 736/00

Die 3. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG hat einen Beschluss des Landgerichts Augsburg aufgehoben, mit dem einem Strafgefangenen (Beschwerdeführer; Bf) die Genehmigung zum Bezug einer Armbanduhr im Wert von 100 DM verweigert worden war.

Der Bf hatte einen entsprechenden Antrag gestellt, da seine in die Strafvollzugsanstalt mitgebrachte Armbanduhr defekt war. Dies war von der Strafvollzugsanstalt abgelehnt worden. Zwar dürften Strafgefangene bei ihrer Aufnahme in die Anstalt eigene Armbanduhren behalten, soweit diese eine Wertgrenze von etwa 300 DM nicht überschreiten. Anderenfalls bestehe die Gefahr, dass die Uhren für "subkulturelle" Geschäfte und unerlaubten Tauschhandel benutzt werden könnten. Als Ersatz für defekte Uhren biete die Kammer der Strafvollzugsanstalt über zuverlässige und erprobte Händler Armbanduhren im Wert von bis zu 40 DM an. Das Landgericht wies den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurück. Uhren seien über die Kammer der Anstalt zu beziehen, damit sie nicht zum Einschmuggeln von Gegenständen missbraucht werden könnten. Andere als preiswerte Uhren seien innerhalb der Anstalt nicht erforderlich.

Mit der Vb rügt der Bf eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebots und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Grundlos werde die Wertgrenze von 300 DM für Uhren auf 40 DM begrenzt. Wenn ein Gefangener bei der Aufnahme eine Uhr bis zum Wert von 300 DM behalten dürfe, sei es nicht nachzuvollziehen, dass er eine defekte Uhr nicht durch eine gleichwertige aus dem Fachhandel ersetzen dürfe. Auch könne ihm der Bezug über die Kammer der Anstalt nicht aufgegeben werden. Es sei möglich, eine Uhr durch einen Uhrmacher auf Kosten des Bf kontrollieren zu lassen, so dass die Gefahr der Einschmugglung von Drogen nicht bestehe.

Die 3. Kammer des Zweiten Senats hat dem Bf teilweise Recht gegeben.

Allerdings ist die Verpflichtung, eine Uhr über die Kammer der Anstalt zu beziehen, nicht zu beanstanden. Insoweit ist vom Landgericht ausführlich und nachvollziehbar dargelegt worden, dass die Zusendung von Uhren direkt an die Gefangenen ohne Vermittlung der Vollzugsanstalt Sicherheit und Ordnung der Anstalt gefährdet. Hinsichtlich der Wertgrenze verletzt die Entscheidung des Landgerichts jedoch den Bf in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG. Dürfen Uhren bis zu 300 DM von Gefangenen in die Anstalt eingebracht werden, so bedarf es eines hinreichend gewichtigen rechtfertigenden Grundes, um diese Wertgrenze für den Neuerwerb von Uhren auf unter 100 DM herabzusetzen. Die Strafvollstreckungskammer hat nicht geprüft, ob ein solcher Grund vorliegt. Der Hinweis, andere als preiswerte Uhren seien innerhalb der Anstalt nicht erforderlich, kann nicht als rechtfertigender Grund anerkannt werden. Einschränkungen, die einem Gefangenen aufgrund der Regelungen des Strafvollzugsgesetzes auferlegt werden, sind am verfassungsrechtlichen Resozialisierungsgebot zu messen und müssen verhältnismäßig, also im Hinblick auf die im Gesetz genannten Belange erforderlich sein. Danach hängt das Recht zum Besitz eines Gegenstandes nicht davon ab, dass dieser für den Gefangenen innerhalb der Anstalt erforderlich ist.

Beschluss vom 30. Oktober 2000 -Az. 2 BvR 736/00 -

Karlsruhe, den 17. November 2000