Bundesverfassungsgericht

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Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen sachsen-anhaltinisches Gesetz zur Einführung der Grundschule mit festen Öffnungszeiten erfolglos

Pressemitteilung Nr. 82/2001 vom 2. August 2001

Beschluss vom 31. Juli 2001
1 BvQ 32/01

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat über einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung entschieden, der sich dagegen gerichtet hat, in Sachsen-Anhalt zum 1. August 2001 die Grundschule mit festen Öffnungszeiten einzuführen.

1. Das entsprechende Landesgesetz, durch das das Schulgesetz des Landes geändert werden soll, sieht für Grundschulen eine feste Öffnungszeit von regelmäßig 5 1/2 Zeitstunden vor. Ziel der Neuregelung ist es, die Grundschule insgesamt kindgerechter zu gestalten. Das soll dadurch erreicht werden, dass neben dem eigentlichen Unterricht Phasen der Entspannung eingelegt werden, in denen die Schüler durch so genannte pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betreut werden.

Zeitgleich mit dem In-Kraft-Treten des Änderungsgesetzes soll das Hortgesetz des Landes Sachsen-Anhalt außer Kraft treten.

2. Gegen das In-Kraft-Treten der Neuregelung haben sich mehrere Eltern grundschulpflichtiger Kinder mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gewandt. Sie machen vor allem geltend, durch das neue Unterrichtskonzept werde unwiederbringlich in die Erziehung ihrer Kinder eingegriffen. Die Grenzen der staatlichen Befugnis zur Gestaltung des Schulwesens seien durch die angegriffene Regelung überschritten.

3. Die 2. Kammer des Ersten Senats des BVerfG hat den Antrag abgelehnt.

Zur Begründung hat sie unter anderem ausgeführt:

Zwar unterliegen die Kinder der Antragsteller, wenn eine einstweilige Anordnung unterbleibt und die angegriffene Regelung, wie vorgesehen, am 1. August 2001 in Kraft tritt, bis zum Ergehen einer Hauptsacheentscheidung der Schulpflicht in der Grundschule mit festen Öffnungszeiten. Die längere Anwesenheit der Kinder in der Schule und ihre damit verbundene längere Abwesenheit von zu Hause führen jedoch nicht zu einer schwerwiegenden Behinderung oder gar Vereitelung der elterlichen Erziehungsbemühungen, zumal die Kinder während der längeren Anwesenheit in der Schule nicht bloß beaufsichtigt, sondern unterrichtsbegleitend pädagogisch betreut werden.

Würde die begehrte einstweilige Anordnung erlassen, brächte dies im Hinblick darauf, dass das Hortgesetz am 1. August 2001 außer Kraft tritt, insbesondere für allein erziehende berufstätige Elternteile, aber auch für Familien, in denen beide Eltern arbeiten, beträchtliche Belastungen mit sich. Die Eltern könnten nicht mehr verlässlich damit rechnen, dass ihre Kinder während der im Änderungsgesetz vorgesehenen Zeit in der Schule unterrichtet oder doch im Zusammenhang mit dem Schulbesuch von dazu geeigneten Personen beaufsichtigt werden. Außerdem könnte das vom Gesetzgeber verfolgte pädagogische Konzept einer kindgerechteren Gestaltung der Grundschule vorerst nicht verwirklicht werden. Beim Erlass einer einstweiligen Anordnung würde den Schülerinnen und Schülern deshalb für einige Zeit, möglicherweise für ein ganzes Schuljahr, ein nach Meinung von Pädagogen vorteilhaftes Schulmodell vorenthalten.

Werden die Nachteile, mit denen bei einem Aufschub des In-Kraft-Tretens der angegriffenen Regelung zu rechnen wäre, mit den nachteiligen Folgen verglichen, die eintreten würden, wenn die einstweilige Anordnung nicht erlassen wird, ergibt sich, dass die Nachteile im Fall des Ergehens einer solchen Maßnahme überwiegen. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung ist deshalb abzulehnen.

Karlsruhe, den 2. August 2001